Der letzte Vortrag des diesjährigen PM-Forums läuft gerade. Zeit, ein Fazit zu ziehen.
Ich war die kompletten beiden letzten Tage vor Ort. Teilweise am Stand der InterFace AG, die in diesem Jahr zum ersten Mal auch als Aussteller mit dabei war. Den anderen Teil auch in verschiedenen Vorträgen.
Zuerst der uneingeschränkt positive Teil: Die Organisation der Konferenz selbst war hervorragend! Vom Transfer mit den Shuttle-Bussen, über Registrierung und Garderobe bis hin zur Verpflegung während des Tages und der Abendveranstaltung war alles perfekt organisiert. Auch die Tatsache, daß es gratis WLAN und sogar eine Twitter-Wall gab, verdient ein Sonderlob!
Nun zum anderen Teil: Den Vorträgen.
Da ich aus der agilen Welt komme, versprach für mich v.a. der zweite Tag einige interessante Vorträge, gab es doch da einen eigenen „agilen“ Track.
Am ersten Tag war nur wenig für mich Interessantes dabei. Doch, ein Vortrag schon: Thomas Röllecke von Siemens sprach über die Herausforderungen des Projektes „Skytrain Bangkok“ während der Asienkrise Ende der 90er-Jahre. Sehr gut vorgetragen, tolle Bilder und, angesichts der aktuellen Griechenland-Krise, auch überraschende Parallelen zum aktuellen Geschehen in Europa. Bitte unbedingt mehr davon!
Der Rest des Tages war eher durchwachsen. Ähnlich sahen das auch die meisten der Personen, mit denen ich mich im Laufe des Tages unterhalten habe. Vor allem ein Vortrag zum Thema Methodenentwicklung im Projektmanagement fiel hier negativ auf: Der Referent stellte die alle aktuellen Projektmanagementmethoden als unwissenschaftlich in Frage, nur um dann eine empirische Studie über Artikel eines einzigen wissenschaftlichen Journals vorzustellen und das als wissenschaftlich zu verkaufen. Da stellte sich für mich dann schon die Frage, wie dies den Review-Prozesses überstehen konnte.
Beim agilen Track des zweiten Tages war es dann ähnlich: Obwohl das Thema Agilität schon vor mehreren Jahren ein Thema auf der ebenfalls von der GPM ausgerichteten interPM war, schienen sich alle Vorträge an Einsteiger zu richten. So hat fast jeder Referent einen Großteil der Zeit damit verbracht, die Grundlagen zu erklären. Oder, anders ausgedrückt: Ich habe heute mehrmals den Scrum-Prozess erklärt bekommen.
Besonders auffällig war dies im Vortrag von Dominik Maximini. In seinem Vortrag zum Thema „Planung in Softwareprojekten?
Das brauchen wir nicht, wir sind agil!“ erklärte er 29 Minuten lang im Detail den Scrum-Prozess, nur um dann zum Schluß in einem einzigen Satz auf das eigentliche Thema des Vortrags („Wie ist das nun mit der Planung in Scrum?“) einzugehen.
Kurz gesagt: Hätte er die Kenntnis des Scrum-Prozesses vorausgesetzt, wäre es durchaus möglich gewesen, den Vortrag in einen einminütigen Elevator-Pitch abzukürzen.
Für mich sehr schade: Das Thema hatte durchaus Potenzial. Aber leider kannte ich den Scrum-Prozess halt schon. So hat mir der Vortrag an sich eigentlich nichts gebracht.
Bei der Ausstellung hätte ich mir noch etwas mehr Publikumsverkehr gewünscht. Das wurde aber leider dadurch ein wenig eingeschränkt, daß nur Teilnehmer, die für die komplette Konferenz gebucht hatten, auch die Ausstellung besuchen konnten. Von anderen Konferenzen (z.B. der OOP in München) weiß ich, daß dort der Besuch der Ausstellung und der Keynotes für umsonst möglich ist. Lediglich der Besuch der Fachvorträge ist kostenpflichtig. Dieses Modell wäre evtl. auch etwas für die Zukunft des PM-Forums und würde sicherlich für wesentlich mehr Zuspruch der Ausstellung sorgen.
Zudem könnten die Aussteller so noch mehr Mitarbeiter als „Standpersonal“ registrieren. Auf diese Weise hätten auch die unserer Mitarbeiter, die sich nicht einen kompletten Tag freischaufeln können, live und vor Ort von ihren Projekten berichten können.
* Update: *
Nach den Vorträgen des letzten Slots möchte ich meine persönliches Fazit noch ein wenig ergänzen (der obige Artikel entstand kurz vor dem letzten Vortragsslot).
Den letzten Vortrag von Dr. Michael Kirchhof und Prof. Dr. Bodo Kraft zum Thema „Dogmatisches „Entweder agil oder klassisch“ im Projektmanagement hat ausgedient – die richtige Mischung macht’s“ habe ich als sehr gut empfunden. Die beiden Referenten stellten darin ihre Erfahrungen dar, welche Teile grosser und komplexer Projektvorhaben man agil durchführen sollte, und welche man besser mittels eines traditionellen Modells abwickelt. Sehr gut gemacht und mit konkreten Beispielen und Entscheidungsvorlagen versehen. Für mich war es genau eine der Verbindungen zwischen traditionellem und agilem Projektmanagement, die ich auf dem PM-Forum gesucht habe.
Einer meiner Kollegen hat anschliessend bei unserem gemeinsamen Geschäftsstellen-Abendessen noch den Vortrag von Lars Baumann zum Thema „Projektmanagement im Nahen und Mittleren Osten und der Einfluss von Kultur auf den Projekterfolg“ gelobt. Klingt spannend und werde ich in Kürze auch nochmal im Tagungsband nachlesen.
Womit ich schon bei einer anderen Sache bin, die ich vorher ganz vergessen hatte, lobend zu erwähnen. Und dies, obwohl es keineswegs selbstverständlich ist: Ich meine den Tagungsband! Es ist eine sehr gute Idee, vorab von den Referenten eine detaillierte Ausarbeitung ihrer Einreichungen zu verlangen, und diese bereits bei Konferenzbeginn den Teilnehmern zur Verfügung zu stellen. Auch auf der interPM 2009 habe ich schon einen solchen Tagungsband erhalten, und sehe da tatsächlich immer noch von Zeit zu Zeit rein. Für mich ein klarer Vorteil ggü. z.B. reinen OpenSpace-, Barcamp oder ähnlichen Konferenzformen. Dort gibt es zwar auch Dokumentation, aber diese ist meistens eher auf Flipchartpapier, wenig strukturiert, und für ein späteres Nachlesen eigentlich nicht zu gebrauchen (besonders wenn man nicht in der entsprechenden Session war).
Vielleicht wäre auch beim Konferenzformat eine Verbindung zwischen traditionellen und agilen Konferenzen der optimale Mittelweg. Zwar OpenSpace, aber auch mit gesetzten Vorträgen, und diese mit ausführlicher Einreichung und Tagungsband. Dazu viele verschiedene Vortragsformen: Von Frontalvorträgen bis Fishbowl. Eine solche Veranstaltung gibt es übrigens bereits bei der GPM: Die interPM. Diese ist mir von meiner Teilnahme 2009 noch in ausgesprochen positiver Erinnerung. Wahrscheinlich liegt mir diese Art von Konferenzformat einfach mehr. Sei es wie es wolle: Wenn es irgendwie geht werde ich im nächsten Jahr auf der interPM wieder mit dabei sein.
BFI
3 Antworten
Hallo,
volle Zustimmung: Das Niveau der Vorträge war durchaus verbesserungswürdig. Auch mein Vortrag ging nicht in die Tiefe. Das war leider notwendig, da die meisten Teilnehmer Scrum nur vom Namen her kannten. Daher habe ich mich auf die Übermittlung einer Kernbotschaft beschränkt: „Chaos hat nichts mit Agilität zu tun – Planung ist auch in agilen Projekten wichtig!“
Trotz der Einfachheit des Vortrags hatten einige Teilnehmer erhebliche neue Erkenntnisse.
Ich glaube, für einen tiefen agilen Austausch war das einfach das falsche „Forum“. Auf rein agilen Konferenzen (z.B. ScrumDay) kann man mehr Grundwissen voraussetzen. Über intensivere Diskussionen würde ich mich freuen. Der ScrumTisch in Stuttgart bietet dazu z.B. regelmäßig Gelegenheit.
Bis dann!
Dominik
das klingt recht traurig und bekannt.
ich hätte schon längst 3 lösungen für das (PM-) konferenz problem und warte nur bis sie sich durchsetzen:
a.) radikales redesign, hin zu interaktivität, open space, world cafe, etc
b.) radikale spezialisierung und verabschiedung von großveranstaltungen
(wo die einen gerade mal wissen, wie man scrum schreibt, und die anderen es schon seit jahren praktizieren, aber im selben saal sitzen
c.) verabschiedung von vorträgen und volle widmung dem persönlichen networking
bin mal gespannt…
sunshine!
Jan A. Poczynek
Da gibt es nur eins – #PMcamp2011 Dornbirn 3.- 5. November!