Hier ein ausführlicher Kommentar von Prof. Dr. Nunner-Winkler zum Artikel „Ethics Beyond Humanism“ von Chris Wood und dessen Replik. Dank Evelyn ist der Dialog jetzt in Deutsch verfügbar.
Prof. Dr. Nunner-Winkler hat freundlicherweise einen Kommentar zu „Ethik jenseits von Humanismus“ abgegeben. Im Folgenden ihr Kommentar und meine (Chris Woods) Antwort darauf. Das Wort „delusion“ ist schwierig in Deutsch zu übersetzen. Konsistent mit der übersetzte Title von dem Dawkins-Buch, verwende ich „Wahn“, obwohl das etwa zu stark ist.
Prof. Dr. Nunner-Winkler:
Ich fand Ihren Artikel „Ethik jenseits von Humanismus“ interessant und provokativ und muss einigen Ihrer Aussagen widersprechen:
Aus meiner Sicht ist die Aussage „Gott ist eine Wahnvorstellung“ zu krass, um haltbar zu sein. Ich denke, wir wissen einfach nicht, was jenseits dieser kurzen Dauer unseres Lebens los ist. Obwohl ich selbst glaube, dass nichts außer Würmern auf uns wartet, denke ich, dass die einzig vertretbare Haltung die des Agnostizismus ist. Insofern bin ich ganz Ihrer Meinung, wenn Sie sagen: „Wir sollten niemals behaupten, etwas wirklich sicher zu wissen“ (S. 4). (Übrigens finde ich, dass der polemische Ausbruch von Dawkins gegen Religion – wenn er Bibelsprache benutzt, um reduktionalistische Ansichten zu vertreten – zeigt, wie eng er noch immer mit der Tradition verbunden ist. Wenn er sich von frühen Indoktrinationen befreit hätte, hätte er es sicher nicht nötig, so hart zu kämpfen).
‚Leben wir in einer Computer-Simulation?“ – wenn ja, was für einen Unterschied würde es machen?
‚Freiheit des Willens ist eine Illusion“; ja, unsere Gedanken kommen rein physisch vom Hirn. Aber die Buchstaben, die ich schreibe, kommen auch physisch auf den Bildschirm. Erklärt das den Zusammenhang zu dem, was ich auszudrücken versuche? Die Auslegung des Libet-Experiments lässt etliche Aspekte außer Acht: Die Probanden haben sich freiwillig in die Versuchssituation begeben, der Versuchsleiter hat sorgfältig die Versuchsanordnung erarbeitet, er interpretiert seine Daten und nimmt für sich in Anspruch, dass die Ergebnisse auch Wahrheitsgehalt haben. Seine Kollegen können ihn dafür kritisieren, dass er etwas übersehen hat und sie können sagen, er hätte anders vorgehen sollen, etc, etc. Die körperlichen Reaktionen der Probanden in dieser Situation können so gesehen werden, wie das Verhalten eines Chefs, der seinen Mitarbeitern eine bestimmte Aufgabe gegeben hat und sich dann nicht mehr darum kümmert, wie die Aufgabe tatsächlich ausgeführt wird. Mit anderen Worten: manchmal gibt es durchaus automatisierte Vorgänge im Hirn. (In einer Gefahrsituation tritt man auf die Bremse, bevor einem bewusst wird, was los ist – weil Autofahren eine automatisierte Routine geworden ist). Gäbe es nicht eine gewisse Freiheit im Denken, dann könnte es keinerlei Wahrheit geben – ganz egal was der Wissenschaftler sagt, es wäre immer nur durch Hirnwellen bestimmt. Schon allein die Idee, etwas zu behaupten, würde keinen Sinn mehr machen. Das Gleiche gilt für Ihren Artikel im Blog – wenn Sie nicht annehmen würden, dass Sie eine gewisse reflektive Fähigkeit und ein Interesse an Wahrheitsfindung haben, wäre Ihr Artikel vollkommen bedeutungslos.
Wie kommen Sie zu einer derart negativistischen Weltsicht?
Es gibt Philosophen, die die Fähigkeit, Aussagen über etwas machen zu können, als Merkmal der freien Willensbildung ansehen. Voraussetzung dafür ist, dass man die kognitive und motivationale Fähigkeit hat, sich von seinen unmittelbaren Trieben zu entfernen und einen Standpunkt ihnen gegenüber einzunehmen – gleichsam indem man beschließt, welchem davon man folgen will. Aber ich werde darüber noch einmal nachdenken, sobald ich Ihre Antwort auf meinen Kommentar gelesen habe.
Auch ich habe große Achtung vor der Wahrheit. Aber ich schätze auch Freiheit sehr und neige zu der Annahme, dass das Leben ziemlich bedeutungslos wäre, wenn alles vorherbestimmt wäre. Es gibt einen sehr guten Artikel von Strawson: ‚Freedom and Resentment‘. Seine Argumentation ist folgendermaßen: Wir werden niemals die Antwort auf die metaphysische Freiheitsfrage finden – wer werden niemals wissen, ob es – ‚in Wahrheit‘ – einen Gott (oder unsere Gene oder was auch immer) gibt, der uns zusammenhält wie Marionetten im Puppentheater. Aber in unserem Privatleben unterscheiden wir zwischen mehr oder weniger freiem Handeln. Obwohl der Schmerz gleich groß ist, wenn Sie mir versehentlich oder absichtlich auf den Fuß treten, werde ich doch nur im letzteren Fall zornig reagieren. Gefühle wie Zorn, Dankbarkeit, partnerschaftliche Liebe – diese Gefühle sind wesentlich für unser menschliches Dasein – wären ohne ein gewisses Maß an Freiheit nicht möglich.
Was nützt es, die Menschheit zu warnen – wenn eh alles vorherbestimmt ist?
Gertrud Nunner-Winkler
Meine (Chris Woods) Antwort auf Prof Gertrud Nunner-Winkler:
Gott ist eine Wahnvorstellung:-
Ja, ich denke, ich sollte erklären, warum ich mit Dawkins der Meinung bin, dass Gott eine Wahnvorstellung ist. Kein Glaube ist absolute Gewissheit, nicht einmal der, dass ich existiere, oder, dass Zwei plus Eins Drei ergibt. Es ist dumm, an etwas zu glauben, wofür es keine vernünftigen Beweise gibt. Nachdem Menschen jetzt tausende von Jahren vergeblich versucht haben, Beweise zu finden, sollte es jetzt an der Zeit sein, die Idee zu verwerfen. Agnostiker zu bleiben, ist fast so, als wenn man die Evolution leugnet oder Zweifel hat, ob die Erde, vielleicht doch eine Scheibe ist. Natürlich meine ich damit Gott als etwas, was zumindest irgendwie dem Gott ähnelt, den die Religionen vorschlagen, nämlich etwas Allmächtiges. William von Ockham sagte einmal, man sollte nicht komplizierte Erklärungen suchen, wenn eine einfache Erklärung genauso gut passt. Dawkins schrieb einmal, dass es vor Darwin ziemlich schwer war, nicht an Gott zu glauben, weil es keine andere glaubwürdige Erklärung für die Vielfalt des Lebens gab.
Der Grad auf der Messlatte des Atheismus, den Dawkins und ich für uns selbst beanspruchen ist höher als 6 auf einer Skala zwischen 1 und 7. (Agnostiker rangieren darauf zwischen 3 und 5).
Warum ich Atheist bin:-
Ja, ich bin sicher, dass die Entscheidung zum Atheismus von Dawkins und mir von unseren Jugendjahren in der Anglikanischen Kirche mitgeprägt wurde. Er schreibt, dass er, wenn er in einer anderen Sekte groß geworden wäre, vermutlich viel früher angefangen hätte, gegen Religion zu predigen. Die Toleranz und die lobenswerten Prinzipien der Anglikanischen Kirche bewirkten, dass ich Jahrzehntelang überlegte, ob man die Kirche nicht doch unterstützen sollte, obwohl sie Falsches predigt. Ich dachte, die Menschheit braucht vielleicht diese Selbsttäuschung. Inzwischen haben mich die Werke von Dawkins, Russell, und anderen davon überzeugt, dass die Wahrheit besser ist als jede Religion. Als ich meinen Heimatpfarrer um ein Führungszeugnis für die Aufnahme an der Cambridge University bat, fragte er mich, wann ich mich denn entscheiden würde, mich firmen zu lassen. Ich antwortete, dass das vermutlich niemals geschehen werde, weil ich nicht mehr an Gott glaube. Er schrieb ein sehr schönes Zeugnis, in dem er meine „kompromisslose Ehrlichkeit“ hervorhob (er hätte auch mein „erstaunliches Maß an Vertrauen“ erwähnen können).
Das meiste, was die verschiedenen Weltreligionen machen, ist Ärger. Offensichtlich hatten sie evolutionäre Vorteile auf ihrer Seite, aber das heißt nicht, dass sie gut für die Leute waren, nicht mal für einfache Leute. Die Meme ist genauso auf Eigennutz aus wie die Gene. Besonders besorgt bin ich angesichts des Islam. Neulich hörte ich die schöne Jordanische Königin im Fernsehen sagen, dass sie den Koran gut kennt und dass er gegen Gewalt ist. Letztes Jahr, nachdem ich darüber unterschiedliche Meinungen gehört hatte, machte ich mir die Mühe, ihn selbst zu lesen. Es wird erklärt, wie man die Beute aufteilt, nachdem man einen Wüstentreck überfallen hat. Dann steht drin, dass es falsch ist, auf einen unbewachten Wüstentreck zu warten; auch bewachte sollte man überfallen. Mohammedanern wird gesagt, sie sollen ihre Religion nicht mit Ungläubigen diskutieren. Jedes Versprechen sollte mit dem Zusatz „so Gott will“ enden (was eine gute Entschuldigung ist für den Fall, dass man sein Versprechen nicht hält). Das Alte Testament ist schon ziemlich schlimm, und das Hinduistische Kastensystem ist schrecklich, aber das dauernde Herumhacken auf Ungläubigen, die in der Hölle verbrennen werden und die allgemeine Islamische Überzeugung, dass nur der Koran das absolute wahre Wort Gottes verkündet, setzen ihn auf eine sonst unerreichte Stufe.
Vielleicht leben wir in einer Computersimulation:-
Da würde ich eine kleine Unterscheidung anbringen. Computer und Software haben einen Hang zu Fehlern, sodass das offensichtliche Alter des Universums ein Argument gegen diese These wäre. Aber vielleicht sind ja schon Millionen von Simulationen abgestürzt.
Freier Wille ist eine Illusion:-
(Mein Bruder Frank hat mir da auch widersprochen).
Im wesentlichen wollte ich dabei herausstellen, dass unsere Gedanken (und Handlungen) – neben Zufallsprodukten (Quantum) – das Ergebnis relativ determinierter physikalischer Prozesse sind.
Zweitens wollte ich bewusst machen, dass der Mensch dazu neigt, die Wichtigkeit des bewussten menschlichen Gedankens überzubewerten, ebenso wie er den Unterschied zwischen menschlichen und tierischen Gedanken überbewertet. Der Sprung zu zivilisiertem, wissenschaftlichen Denken ist bedeutender, als der vom Affen zum Menschen. Homo Sapiens wäre vor 70.000 Jahren beinahe ausgestorben. Bevor es Zivilisation gab wiegten die Nachteile der schwierigen Geburt gleich stark wie der Vorteil des Überlebenswertes eines großen Gehirns. Natürlich hatten die Menschen auch vor der Zivilisation schon viel Wissen, nur haben sie damals sicher noch nicht in langen logischen Ketten geschwelgt. Man beachte, dass neulich ein Affe im Zoo dabei beobachtet wurde, wie er in alle Ruhe Steine so vor sich aufschichtete, dass sie dann zum Werfen auf Zuschauer bei der Hand sind, wenn der Zoo wieder seine Tore öffnet.
Mein drittes Argument ist, dass einfache Selbstbeobachtung ein schlechtes Mittel ist, um herauszufinden, wie das Hirn funktioniert. Ihr Kommentar zum Libet-Versuch hat darauf keinen Einfluss. Viele relativ neue Versuchsreihen haben ähnlich erstaunliche Ergebnisse hervorgebracht. Manche dieser Versuchsreihen hätte man leicht auch schon vor hunderten von Jahren durchführen können; aber damals gingen die Menschen einfach davon aus, sie wüssten eh schon, wie das Hirn funktioniert (oder wollten es nicht herausfinden).
In den späten 60-er Jahren bat mich mein Vater einmal, ein dünnes Büchlein von HYPERLINK „http://en.wikipedia.org/wiki/Mikhail_Botvinnik“ Mikhail Botvinnik zu kommentieren. Es war ein Schachprogrammentwurf. Ich hielt nicht viel von dem Büchlein, weder als Programmentwurf, noch als Anleitung zum Schachspielen. Er war damals der führende Schachlehrer und man hielt ihn allgemein für den, dessen Spiel die meiste Logik enthielt (im Gegensatz zum intuitiven Spiel von Tal). Später, als er einmal meinen Vater besuchte, lernte ich ihn persönlich kennen und deutete mit großer Hochachtung meine Meinung zu seinem Buch an. Er gab mir mit bewundernswerter Bescheidenheit Recht und sagte, dass er das im Nachhinein auch so sehe. Was ich damit sagen möchte ist, dass er wunderbar Schachspielen konnte, ohne zu wissen, wie er das eigentlich machte. Das
Wenige davon, was er bewusst machte, hatte den Weg in sein Buch gefunden, aber das war viel zu vage, um einen guten Programmentwurf abzugeben. Es ist ganz erstaunlich, wie wenig Unterschied es macht, ob ein Schachspieler 10 Minuten oder 6 Stunden überlegt vor seinem nächsten Zug. Wenn man irgendeine tatsächliche Partie hernimmt, ist es wesentlich leichter, die Stärke der Spieler zu beurteilen, als die Spieldauer. Das bedeutet, dass Praxis wichtiger ist als Logik
Der Vorteil von bewussten Denkprozessen könnte einfach darin liegen, dass man dadurch Zeit gewinnt, um entscheidungsrelevante Information zu sammeln. Ich vermute, dass bewusste Denkprozesse einfach ein Nebeneffekt des Gedächtnisses ist. Wenn man schläft, arbeiten die Muskeln praktisch nicht, und an Träume erinnert man sich meist nicht, es sei denn, man wacht mitten in einem Traum auf. Aber die Messung der Hirnströme ergibt im Schlaf die gleichen Werte wie im Wachzustand.
Mein viertes Argument ist, dass diese Betonung des menschlichen Bewusstseins, ebenso wie Religion, von gefährlichem Größenwahn herrührt. Das Buch von Roger Penrose „The Emperor’s New Mind“ macht dies ganz deutlich. Er argumentiert, dass mathematisches Denken nicht algorithmisch sein kann, weil es die Grenzen der Algorithmen übersteigt. Er erklärt diese Grenzen (wie auch in Gödel’s Theorem aufgezeigt) sehr ausführlich. Aber seine Begründungen für die Annahme einer extremen Kraft des mathematischen Denkens sind sehr zweifelhaft und teilweise ganz klar falsch. Er scheint zu schreiben, dass jeder Mathematiker jeden korrekten Beweis verstehen kann, wenn er sich nur genügend Mühe gibt. Aber ich kann nicht mal verstehen, was er überhaupt meint, obwohl ich ziemlich gut drauf bin in der Richtung. Es gibt ein Schachstellung mit 6 Figuren, wo bewiesen wurde, dass man bei bestem Spiel nach 262 Zügen Schachmatt erreicht (siehe HYPERLINK „http://www.rack.de/“ http://www.rack.de/). Niemand kann dies mit Papier und Bleistift nachweisen. Es wurde durch ein Computerprogramm „bewiesen“. Ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, dass irgendwer die Fehlerfreiheit dieses Programms beweisen könnte, indem er es studiert. Natürlich ist das Programm oft genug getestet worden, um Vertrauen in seine Ergebnisse zu rechtfertigen. Hätte Newton auf dem Gipfel seiner Berühmtheit solch einen Beweis verstanden? Nein! Seine verbleibende Lebenszeit wäre zu kurz gewesen, um genug darüber zu lernen! Das beweist, dass der Algorithmus des bewussten Denkens relativ beschränkt ist. Schach ist endlich (in diesem Fall 64 Felde und 6 Figuren), aber die Beschränkungen aus Gödel’s Theorem greifen nur, wenn unendlich viele „Dinge“ beteiligt sind (z.B. alle ganzen Zahlen). Ein geeigneter Algorithmus kann eine unendliche Zahl von Theoremen beweisen. Er braucht nur immer weiter laufen (oder muss ständig neu gestartet werden). Ein Mathematiker kann nicht unendlich lange denken, er kann auch nicht neu gestartet werden.
Ich behaupte, dass jede endliche Reihe von Zahlen (oder Bits) in einer Entwicklung von π auftritt. Das wird wahrscheinlich niemals bewiesen werden (oder vielleicht wurde es schon bewiesen?).
Penrose dachte (denkt?), dass ein Durchbruch in Physik notwendig ist, um Bewusstsein zu erklären.
Das würde uns wirklich von allen anderen Tieren abgrenzen! Diese Art „Größenwahn“ ist bestimmt sehr hilfreich, wenn man berühmt oder berüchtigt werden will. Übrigens gibt dieses Buch tatsächlich einen wunderbaren Überblick über moderne Mathematik und Physik. Ich fühlte mich zurückversetzt in meine Studententage.
Eigentlich wurde für den Beweis der „Vierfarben-Landkarten-Theorie“ auch ein Computer verwendet. Die Leute hatten Probleme damit, den Beweis als korrekt anzunehmen. Vielleicht ist inzwischen ja ein eleganterer Beweis gefunden worden.
Freie Willensentscheidung, bewusste Denkprozesse und Bedeutung:-
Ich bin also nicht beeindruckt vom Nebeneinander von freier Willensentscheidung und bewussten Denkprozessen. Normalerweise ist es wichtiger, dass man schnell auf die Bremse tritt, als dass man sich daran erinnert. Man braucht keine reflexiven Gedankenprozesse für die Wahrheit. Das Gänseei „weiß“, dass Füchse gefährlich sind. Das ist auch ohne reflexive Gedankenprozesse wahr. Ich denke, dass meine reflexiven Gedankenprozesse und mein Interesse daran, die Wahrheit herauszufinden, relative groß sind, aber sie haben mir nicht sehr geholfen. Meine Freunde haben meist mit weniger solchen Voraussetzungen mehr im Leben erreicht.
Ich bin sicher, dass das, was wir schreiben, bedeutungsvoll ist, ganz egal, welcher Mechanismus dabei zum Tragen kam. Jedes Schriftstück hat Bedeutung, sofern jemand es lesen und teilweise verstehen kann. Offensichtlich gibt es eine allgemeine Neigung dazu, dass wahres Wissen besser funktioniert, als Unsinn. Aber es gibt Ausnahmen (z.B. Religion). Selbst im Fall von Religion kann es gut sein, dass der Selektionsprozess im Interesse von Wissenschaft und Vernunft am Ende den früheren Vorteil der Religion (für sich selbst) überwinden wird.
Negative Weltanschauung:-
Meine Mutter hat einmal gesagt, ich sei immer schon ein düsterer Typ gewesen. Vielleicht gab es da was in meiner frühen Kindheit. (Roland Duerre, der Chef des Blogs, findet mich auch schrecklich zynisch. Ich denke, ich bin einfach nur realistisch. Ein zynischer Mensch ist entweder sehr duster, oder er hat eine niedrige Auffassung von der Natur des Menschen. Ich finde die meisten Menschen recht liebenswert, was nicht abhängig ist von meiner Ansicht, wie sie es wurden).
Beim Schreiben meines ersten Artikels war mein Weltbild stark geprägt durch zwei Regierungsperioden unter G.W. Bush. (Übrigens, wenn ich Positives über Schwarzenegger höre, dann fällt mir immer ein, wie er immer wieder „Vier Jahre mehr“ für Bush brüllt). Jetzt haben wir eine Finanzkrise, rasende Zerstörung von Umwelt und allen auf der Erde lebenden Kreaturen, Expansion der Weltbevölkerung, das Indische Kastensystem, militanten Islam, einen Trend zur Aberglaube und tausende von Atombomben. Das Unheil, das Ratzinger und Spaemann angerichtet haben ist daran gemessen relative gering. Natürlich freue ich mich über Obama, aber wieviel kann er in (maximal) 8 Jahren wieder gutmachen? Seltsamerweise blicke ich optimistisch in die Zukunft.
Freiheit ist eine nützliche Illusion:-
Ich stelle immer wieder fest, dass ich durchaus fähig bin zu Zorn, Dankbarkeit und Liebe. Man mag mich als schizophren ansehen, weil ich diese Illusion benutzen kann, obwohl ich weiß, dass es eine ist. Ich kann Menschen als frei sehen, ohne wirklich daran zu glauben, dass es diese Freiheit gibt.
Ihre Argumente scheinen ein wenig widersprüchlich zu sein. Für Sie bedeutet Freiheit die Fähigkeit, seine eigenen Gefühle aus der Ferne betrachten zu können, aber dennoch betrachten Sie Freiheit als Voraussetzung für Dankbarkeit, Zorn und Liebe. Für mich haben diese Dinge einen bewussten und einen unbewussten Aspekt. Wenn beispielsweise ein Fußballspieler absichtlich auf einen gegnerischen Fuß tritt, dann ist erst einmal Zorn da, aber dieser Zorn kann gelindert würden durch die Einsicht, dass dieses Verhalten unter Berufsfussballern üblich ist.
Ich denke, was ich über Bestrafung schreibe ist hier auch relevant. Strafe ist (sollte) den Zweck haben, Verhalten zu ändern. Diese Verhaltensänderung muss nicht unbedingt freien Willen voraussetzen. Es kann Menschen geben, die so funktionieren, dass Jahre im Gefängnis keine nutzbringende Verhaltensänderung bewirken. Andere Menschen reagieren automatisch beim bloßen Androhen von Gefängnis (also einer Verurteilung mit Bewährung). Im letzteren Fall ist die Illusion des freien Willens dabei verwendet.
Vorherbestimmtheit und Nützlichkeit:-
Ich glaube nicht an Vorherbestimmtheit! Die Quantentheorie leugnet sie. Insbesondere radioaktiver Kohlenstoff in unserem Hirn zerfällt willkürlich. Das muss ab und zu Einfluss auf unsere Denkprozesse haben. Radioaktive Zerfall vor oder unmittelbar nachdem ein Ei befruchtet wurde muss sogar noch dramatischere Auswirkungen haben, weil in dem Stadium weniger Redundanz herrscht, als im fertigen Gehirn. Ohne Vorherbestimmtheit macht es Sinn zu sagen, dass etwas nützlich ist (beispielsweise die Tatsache, dass es Obama gibt). Die einzige Schwierigkeit besteht darin, dass wir einen ethischen Maßstab brauchen, um beurteilen zu können, ob etwas mehr oder weniger nützlich (und damit gut) ist.
In meinem nächsten Artikel will ich ein mehr praxisbezogenes Thema aufgreifen: Ethik im Kontext der Erde. Ich werde die Zeitspanne dabei auf ein paar Jahrzehnte begrenzen. Wahrscheinlich ist es sinnvoll, das Hauptaugenmerk auf Erziehung zu richten, aber ich denke auch, dass globales Denken notwendig ist, und zwar nicht nur für die fortschrittlichen Länder. Übrigens finde ich es ziemlich anstrengend, Penrose und dieses Zeug zu vestehen.
CW
(Aus dem Englischen übersetzt von EG)