Hier noch ein Hinweis:
Dr. Eilika Emmerlich wird demnächst in München/Unterhaching einen Vortrag halten:
„Rupert Lay und die Manager – eine kritische Theorie und ihre Praxis„,
Sonntag, den 17. Januar 2010, 11 Uhr
in den Räumen der Interface AG, Leipziger Str. 16 D-82008 Unterhaching (Seminarraum im Dachgeschoss)
Sie wird die Ergebnisse ihrer Doktorarbeit zum Wirken von Rupert Lay berichten und ihr gleichnamiges Buch vorstellen (ISBN 978-3-932300-19-6 erschienen 2009 im www.ronneburger-kreis.de).
Anmeldungen einfach an IF-Blog.
7 Antworten
Homanns Ansatz ist sicherlich nicht in der Lage, die aktuelle Krise zu bewältigen. Homann ruft den Managern, die ihre Firmen ausbeuten, ein „weiter so!“ zu, schon die geringste Abweichung vom maximal erreichbaren NP-Value ist nach Homann „unzumutbar“ und damit keine ethisch zulässige Forderung. Eine perverse Vorstellung…
Aber abgesehen davon hakt auch das Konzept etwas, denn es nimmt an, dass sich die wirtschaftlichen Akteure bei aller Eigennutzorientierung immer noch an die Gesetze halten – denn in diesen, der Rahmenordung, ist ja der systematische Ort der Moral“. Jedenfalls nach Homann. Das würde aber bedeuten, dass entweder den Akteuren doch eine Rest-Moral innewohnt, die sie dazu bewegt, dass sie die Gesetze einhalten, oder aber, dass die Gesetze zu 100% durchgesetzt werden können bzw. durch Strafbewehrung den Akteuren absolut zuverlässige Handlungsanreize liefern. Das Erstere ist inkonsequent, das Zweitere unrealistisch.
Zudem fehlt eine plausible Erklärung, woher die Moral in die Rahmenordnung einfließen soll. Die Rahmenordnung wird von einzelnen Akteuren (Politikern) geschaffen, denen man eine moralische Orientierung jenseits von Nutzenmaximierung unterstellen müsste. Und ihre Wahl durch andere Akteure, die nur am Eigennutzen orientiert sind, ist auch zweifelhaft. Insbesondere, wenn Wirtschaftsakteure über Lobbying die Rahmenordnung beeinflussen können, wird diese kaum effizient (und um Effizienz geht es bei einem ökonomischen Ansatz der Ethik) sein.
Das Gesetz ist zudem immer defizitär, deckt aktuelle Entwicklungen nicht ab, wird von unvollkommenen Menschen geschrieben – diese Lücken lassen sich nur durch moralische Gesinnung bei dem einzelnen Wirtschaftsakteur decken. Der einzelne Akteur muss bereit sein, auf Gewinnmaximierung zu verzichten, wenn diese unmoralisch ist. Und das ist, solange die Gewinne existenzsichernd sind, auch zumutbar.
Im Moment zeichnet sich gerade ab, dass die Politik zwar willens ist, die Rahmenordnung zu ändern. Ankündigungen gab es viele. Aber zugleich wird die Spekulation gleich wieder angeheizt, sei es durch billiges Geld durch die EZB, durch Abwrackprämien oder durch den „Green New Deal“.
Die St. Gallener Richtung scheint aber auch nicht mehr völlig auf den aufgeklärten Wirtschaftsakteur, der nicht ausschließlich die Eigennutzenmaximierung verfolgt, zu vertrauen. Ich weiß nicht, ob es Ulrich war, aber aus St. Gallen kam vor kurzem der Gedanke, Betriebe, die sich weigerten, dem Gemeinwohl zu dienen, in genossenschaftsähnliche Unternehmen zu überführen. Damit wäre dann doch ein ganz starker Anreiz zu gemeindienlichem Verhalten gegeben, auch wenn Ulrich ansonsten Anreizorientierte Steuerungsinstrumente wie variable erfolgsabhängige Vergütung tendenziell ablehnt. Mal sehen, ob in der integrativen Ethik nicht demnächst doch ein Wandel zu effizienterer Ausrichtung der Rahmenethik auch wider den Willen einzelner Individuen aufkommt.
In St. Gallen empfehle ich http://www.RISE.ch Management Research!
RMD
Lieber Enno,
vielen Dank für den Kommentar. Ich bin völlig Ihrer Meinung, was Homann anlangt. Die Moral sucht er übrigens im katholischen Glauben. Schön, wenn er sie dort findet – aber für die Wirtschaft taugt diese Suche nicht. Ich bin mehr auf der St. Gallener Seite bei Ulrich. Aber ich bedaure, dass diese renommierte Hochschule noch nie eine empirische Überprüfung dieser Theorie vorgenommen hat. Das Geld und die technischen Mittel müssten sie haben.
Hallo zusammen,
keine Frage: die Wirtschaftsethik hat bisher zu wenig dazu beigetragen, die Frage, was die Ethik überhaupt zur Wirtschaft beitragen kann, hinreichend zu klären. Zwar existieren diverse Modelle mit mehr (Ulrich) oder weniger (Homann) anwendungsorientierten Thesen. Im Grunde aber ist die Wirtschaftsethik bisher über die Funktion des Beobachters nicht hinaus gekommen – Gestalter müsste sie sein!
An diesem Punkt versuche ich mit meinem Buch „Das Menschenbild in der Ökonomie – Reflexionen über eine moderne Wirtschaftsethik und deren Chancen in der realwirtschaftlichen Praxis“ anzuknüpfen. In diesem Positionspapier ergründe ich die Frage, welche Rolle die Wirtschaft in der Gesellschaft eigentlich spielt und wie das Erfolgsstreben des Einzelnen und die Interessen der Allgemeinheit in Einklang gebracht werden können.
Neben der Schaffung angemessener „institutioneller Arrangements“ (also der Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass das individuelle Streben auch der Allgemeinheit zu Gute kommt) sehe ich hier vor allem das Individuum in der Verantwortung. Kurz gesagt: wir kennen doch unsere moralischen Überzeugungen – nur treten wir zu wenig für deren Umsetzung ein. Möglicherweise, weil wir denken, die Wirtschaft sei ein in sich geschlossenes System, welches nach anderen als den uns bekannten Prinzipien beurteilt werden müsse. Das ist ein zentraler Fehlschluss in der Debatte um die Möglichkeiten der Wirtschaftsethik. Vielleicht kann mein Buch dazu beitragen, diese Missverständnisse aufzuklären.
(Mehr zum Buch unter: http://www.moderne-wirtschaftsethik.de)
Gruß, Stefan.
Finde diesen Artikel ausserordentlich interessant.
Der Ausgangspunkt ist Wirtschaftsethik, was zu implizieren scheint, dass die Wirtschaft ein Raum ist, in dem eine andere Ethik erforderlich sein könnte als im normalen Lebensraum.
Im letzten Absatz verweist die Autorin schliesslich auf „Lebensdienlichkeit“, das heisst auf die ganz allgemeine Ethik menschlichen Verhaltens. Das ist genau der Punkt, es gibt keine spezielle Ethik des Wirtschaftens.
Seit es Menschen gibt wird gewirtschaftet, seit gewirtschaftet wird gibt es Konkurrenz um rare Ressourcen.
Wie sagte schon Cicero in „Catilina Coniuratione“: Omnis homnis sese student praestare ceteris animalibus…
Also Leute, hört auf mit der Theorieserei um Wirtschaftethik und denkt darüber nach, wie wir uns anständig verhalten können. Der Rest ist dann ein Selbstläufer…!!??!!
Mehr Werteorientierung in der Marktwirtschaft.
Ein Plädoyer für das richtige Maß. Für eine Marktwirtschaft mit Respekt vor Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Respekt vor Kindern und Enkelkindern.
Ethisch, moralisch – frei, fair und gerecht, bei der sich Engagement und Anständigkeit auszahlt. Und: Ohne Auswüchse und Maßlosigkeit, ohne Unmäßigkeit zum Schaden Dritter oder zum Schaden des Lebensraums für alle Geschöpfe.
Dafür braucht es globale und effektive Regeln. Denn die den Menschen innewohnende Gier – Gewinnsucht und Ausbeuterei – ist überall und erfindungsreich. Für diese Regeln müssen die Staaten und die Staatengemeinschaft sorgen – ohne Wenn und Aber und mit entsprechenden Sanktionen, wenn diese Regeln gebrochen werden.
Wenn Geld fließt, muss es eine nachweisbare Leistung dafür geben. Abgekartete Spielchen dürfen sich nicht auszahlen. Zigmillionen Transfergelder für Mannschaftssportler, Vermittlungsprovisionen, Beraterhonorare, Schmiergelder im Dunstkreis politischer Entscheidungen und für das Zocken von Investmentbankern, lassen jede Verhältnismäßigkeit vermissen. Sie sind eine Verhöhnung von Leistungsgerechtigkeit, von Menschen welche mehrere Leben lang hart arbeiten müssten um diese Summen zu verdienen.
Es muss Schluss sein mit der Verhaberung, dem gegenseitigen Zuschaufeln von lukrativen Aufträgen im politischem Umfeld, mit Managergehälter vom 100-fachen der Mitarbeiterlöhne, mit den Millionen-Boni für Investmentbanker, mit Managern – welche über mehr Macht verfügen als Regierungen und mit zu großen Banken und Multis, deren Zusammenbruch ganze Volkswirtschaften mit in den Abgrund reißen kann.
Und es muss Schluss sein mit dem Leerfischen der Meere, dem Raubbau an der Natur und an den Ressourcen, den zig-tausenden Transportkilometern für Nahrungsmittel – welche um die Ecke wachsen, den Megaeinkaufszentren auf der grünen Wiese und dem Vernichten der Lebensqualität in den Städten, den Megastaus eines ausufernden Individualverkehrs und dem stundenlangen Pendeln zum Arbeitsplatz.
Dass die ungezügelte freie Marktwirtschaft mehr Wohlstand für die Menschheit bringt, ist ein Märchen. Auch dann, wenn es bei kurzfristiger und kurzsichtiger Betrachtung Beispiele dafür gibt. Der globalisierte Größenwahn führt ins Abseits.
Schon Aristoteles meinte, dass es der Sinn des Lebens sei, ein gutes Leben führen zu können – in einer menschlichen Gesellschaft, die von Respekt und Anerkennung geprägt sei. Einer Gesellschaft, die überschaubar sei von der Größe her, vernünftig gestaltet und von verantwortbaren Entscheidungen geprägt.
Auch der Philosoph Leopold Kohr plädierte für „überschaubare Einheiten“ und „Die Lehre vom rechten Maß“. Wo nicht mehr das Individuum im Mittelpunkt steht, sondern der statistisch erfasste Durchschnittsmensch, ist ein gutes Leben, im aristotelischen Sinne, nicht möglich. Je größer ein Staat oder eine Organisation ist, desto größer wird die Macht der Masse und ihrer Gesetze, und desto stärker sind Kreativität und Freiheit des Einzelnen eingeschränkt. Es geht um das menschliche Maß, um die „Überschaubarkeit“. „Alles, was zu groß wird, vernichtet die Natur“, meint Leopold Kohr.
Aber, auch die „kleine Einheit“ ist keine Insel der Seligen: Der Vorteil ist nur der, dass auch die Dimension der menschlichen Misere verkleinert wird.
Es entsteht auch im Kleinen keine leidensfreie Welt, aber eine erträglichere Welt. Und nicht zuletzt verweist das Plädoyer fürs „menschliche Maß“ auch auf die Tatsache, dass nur in „überschaubaren“ Einheiten der Einzelne Verantwortung für sein Tun übernehmen und zugleich verantwortlich gemacht werden kann.
http://www.h-eureka.com – Die website über Ethik, Moral und Qualität in der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.
Leider können wir den Trend zur höheren Komplexität und Größe der (Wirtschafts-)Systeme nicht aufhalten. Damit entfallen auch weitgehend Regeln als Steuerungsinstrumente, weil sie der Komplexität immer hinterher hinken, wie die jetzige Krise zeigt.
Ich bin deshalb auch der Meinung, dass das Individuum, also jeder von uns, dafür sorgen muss, dass seine Handlungen verantwortet und sozialverträglich – also werteorientiert – sind.
In der Praxis erhebt sich aber leider die Frage, was diese Werte sind und wer sie vermittelt und vorlebt. Es scheint so, als könne eine Ein-Kind-Familie nur begrenzt Kinder zu nicht-egoistischem Verhalten sozialisieren und als seien Schulen mit großen Klassen (15 und mehr Schüler)und hohem Anteil von Schülern mit anderen kulturellen Hintergründen dazu nicht hinreichend in der Lage. Die Wirtschaftswissenschaften tragen mit ihrer Focussierung auf Effizienzsteigerung auch nicht zu moralischerem Handeln bei.
Dann bleibt der öffentliche Diskurs als Instanz zur Wertevermittlung. Und da frage ich mich, ob dort zur Zeit eine zielführende Debatte geführt wird. Wir sollten nicht nur über das reden, was uns eventuell mißfällt (Neid, Boni, Managergehälter etc.), sondern über das Ziel, das wir gemeinsam (wieder??) anstreben. Ich stelle einen Absatz aus Peter Ulrichs Abschiedsvorlesung in den Blog, der mir zumindest eine zutreffende Ist-Analyse und eine mögliche Richtung vorzugeben scheint.