Der Stern des Genres sinkt langsam aber stetig. Volle Häuser in den Metropolen, hohe Eintrittspreise, ausverkaufte Festivals, populäre Erfolge von Tenörenkonzerten und CD-Covers mit glamoureusen Diven für Blick- und Kundenfang, vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen.
Bizarre Neuinszenierungen, Brünhildes Erwachen in der Einbauküche, Mozarts „Entführung“ im Bordell, Aida mit Apfeltorte verkünden bestenfalls Ratlosigkeit, schlimmstenfalls Dekadenz.
Das sichtbar schrumpfende Angebot an CDs in einschlägigen Kaufhäusern und Läden, hier wie im Ausland, spricht eine deutliche Sprache, wie auch das vielfach gelangweilte Schulterzucken der jungen Generation.
Isoliert in der bildungsbürgerlichen Schmollecke, hinter dem eifersüchtigen Schild der Arroganz der Eliten, verkümmert, was der Autor, zu Recht, als „die grossartigste Kunstform, die die Menscheit je erfunden hat“ bezeichnet, in den moralischen Anstalten unserer Musik-Theater.
Walsh bringt frischen Wind.
Die Sprache ist angelsächsisch: Forsch, respektlos, lässig, humorvoll und dennoch engagiert. Der Autor, Fan mit Leib und Seele, schreibt provozierend subjectif, unbestreitbar innovatif, teilweise anregend streitlustig.
Rossini, Bellini und Donizetti, der gesamte Belcantobereich, werden ausgeklammert als gesangsorientierte Schmalspurkomponisten, die restlichen Repertoiresäulen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert humorvoll locker und begeistert besprochen. Hierzulande, zu Unrecht, unbekannte Amerikaner wie Adams, Glass und Scott Joplin (ja der mit dem rag time) werden dem Leser schmackhaft gemacht.
Walsh hat den Mut, Oper konsequent und übergreifend als Musiktheater zu verstehen. Die Barriere zwischen E- Kultur und U-Kultur wird erbarmungslos niedergerissen. Broadway Musicals, Operetten, „Die lustige Witwe“, „Der Bettelstudent“, „Hair“ und „Cats“ werden endlich geadelt. „Chess“, von Tim Rice und den ABBA-Jungs wird auf 9 Seiten als der „beste Flop“, den die Musicalszene je erlebt hat genau unter die Lupe genommen.
Für den Opernfan ist dies eine Reise in die weissen Flecken der Genrelandkarte. Dieser Leitfaden ist ergiebiger als die verstaubten Operführer in den Stadtbibliotheken und die langweiligen Programmhefte der einschlägigen Häuser.
„Keine Angst vor Opern“ provoziert extreme Begeisterung oder extreme Ablehnung, in keinem Fall Indifferenz.
Das Gegenteil von Gleichgültigkeit ist Interesse und genau das braucht der sinkende Stern… auf breitester Basis!!!
Als ergänzende „Lesebücher“ empfehle ich: „Who’s who in der Oper“ – Silke Leopold und Robert Maschka – dtv – 1997, ein Abc der Opernfiguren und „Opera“ – Könemann – 1999, Inhaltsangaben von über 300 Werken mit unzähligen Photos und Illustrationen.
HPK