Mit HMS „Erebus“ und HMS „Terror“ stach im Mai 1845 die Franklin Expedition, von England aus in See, auf der Suche nach der Nordwestpassage, dem Seeweg über das nördliche Polarmeer vom Atlantik zum Pazifik. Am 26.7.1845 wurden die beiden, mit neuester Technologie hochgerüsteten und mit Proviant für 3 Jahre beladenen Schiffe, das letzte Mal von Europäern gesichtet. Das Schicksal der 128 Seeleute ist bis heute ein Rätsel.
Auf der Basis von historischen Quellen und mit glaubhaften Extrapolationen, gelingt dem Autor der bemerkenswerte Spagat zwischen historischem Roman und spekulativer Abenteuer-Fiktion.
Die Erzählung startet im Oktober 1847. Seit 2 Jahren sitzen die Schiffe in den Fängen des Packeises, der nächste Winter kündigt sich an… Sprachlich brillant malt Simmons beklemmende Stimmungsbilder von klirrender, ätzender Kälte, von raum- und zeitloser Eiswüste, von stockdunklen arktischen Nächten. Monatelang vegetieren Mannschaften und Offiziere in einem „huis clos“ des nackten Horrors. Durchdringende Kälte und Feuchtigkeit, Amputation von erfrorenen Gliedern, Mangel an Heizmaterial, schwindende und schliesslich verdorbene Nahrungsmittel, schleichender Skorbut, führen unausweichlich in Irrsinn, Intrige, Meuterei und Kannibalismus. Die Natur verurteilt zum Tode, Schrecken ohne Ende verkündet ein Ende im Schrecken.
Bis hier eine bemerkenswerte literarische Performance.
Leider offenbart die Fülle der 960 Seiten auch eklatante Mängel. Was soll das arktische Monster, von dem die Besatzung bedroht wird sobald sie das Schiff verlässt? Hier entsteht keine Potenzierung des Horrors sondern ein eher störender Verfremdungseffekt. Die Rettung der zentralen Person, Captain Crozier, durch eine Inuitin, ermöglicht zwar die Erklärung von Überlebensstrategien der Eskimos, jenseits allen technischen Fortschritts. Mit der trostlos-bedrückenden Grundstimmung des Buches entsteht jedoch hier eine klare Bruchlinie. Die ausführliche Darstellung der inuitischen Mythologie ist zwar interessant aber im gegebenen Zusammenhang auch überflüssig. Weniger wäre hier bedeutend mehr gewesen.
Alles in Allem ist „Terror“ eine sehr lohnende Lektüre für eine Woche Farniente am Strand und das ist, bei allem was so in den Buchläden herumsteht, schon beachtlich.
HPK