X. Beijing – Lhasa 18.6.09 – 20.6.09
Die Flut von eiligen Reisenden mit Koffern, Säcken und Kartons ergiesst sich durch die Gepäckkontrolle des Westbahnhofs in die hoffnungslos überfüllten Wartehallen vor den Gleisen. 20 Minuten vor Abfahrt öffnen sich die Schranken, das Einsteigen verläuft erstaunlich ruhig und diszipliniert.
Wir teilen unser Abteil mit einem chinesischen Ehepaar mittleren Alters. Die Frau zieht eine sauertöpfische Jammermiene, der Mann macht einen eher dümmlich hilflosen Eindruck. Beide sprechen noch weniger Englisch als wir Chinesisch.
Der Komfort ist reell aber beengt. Die Betten sind breit, Laken und Daunendecken duftend sauber. Während der gesamten Reise verbleibt das Abteil in Nachtausstattung, Chinesen reisen gern liegend. Auf kleinen Bildschirmen am Fuss jedes Bettes werden DVDs gezeigt, der Ton kommt diskret über Kopfhörer.
Im letzten Streckenabschnitt von Golmund nach Lhasa verläuft die Trasse hauptsächlich auf Brückenpfeilern. Wir rollen 5.000m über dem Meeresspiegel, auf den höchsten Gleisen der Welt. Eine Klappe am Kopfende der Betten sorgt im Notfall für individuelle Sauerstoffzufuhr.
Die drei Waschbecken am Wagenende sind morgendlicher Treffpunkt der Insassen. Das Wasser aus dem Samowar ist kaum geniessbar, der Geschmack von Desinfektionsmitteln übertönt auch den stärksten Tee.
Der Speisewagen präsentiert, in aseptischem Ambiente, eine handgeschriebene Speisekarte, teilweise sogar übersetzt. Stapel von frischem Gemüse türmen sich neben dem Eingang. Der Zug ist knüppelvoll, abgesehen von einer Gruppe Schweden sind ausländische Touristen Mangelware.
Ab Golmund herrscht überall striktes Rauchverbot, die künstliche Sauerstoffversorgung wird aktiviert. Der Aufstieg ins tibetanische Hochland kann beginnen.
In einer Dünenlandschaft mit spärlicher Vegetation überqueren wir ein Viadukt. Der Jiangtse ist hier am Rande des Versiegens. Ein Netzwerk flacher Rinnsale im feuchten Sand, hängt er buchstäblich am Tropfen. Langsam weicht die Dürre der gelbgrünen Ausdehnung des asiatischen Altiplanos. Der Höhenmesser oszilliert jetzt zwischen 4.900 und 5.100m. Über dem Horizont dämmert weisser Schimmer, gähnend wachsen die Silhouetten schneebedeckter Riesen in den Zenit. Vereinzelte Yaks sind schwarze Tupfer auf dem zarten grün der Steppe, vor gleissenden Gipfeln, Gletschern und Schneefeldern.
Gegen Abend erreichen wir Lhasa im kargen Hochtal des Kyichu (Fluss des Glücks), 3.600m über dem Meeresspiegel.
Praktische Hinweise
* Verpflegung
Ausser Süssigkeiten und Obst ist Reiseproviant nicht erforderlich. Im Speisewagen kostet ein Frühstück 2,50€ und ein Mittag- oder Abendessen mit Bier 4€. Die Qualität ist ganz in Ordnung.
* Medikamente
Wegen der dünnen Höhenluft Kopfschmerzmittel bereithalten.