Carl und Gerlinde (83)
„Blödmann!“ giftete Gerlinde und entfleuchte wieder einmal schneller als der Schall…Carls müdes „Selber blöd!“ hatte keine Chance mehr, von ihr wahrgenommen zu werden.
Doch ihn traf es wieder – und tat weh! Es war nämlich nicht so, dass nur Gerlinde in letzter Zeit permanent von Selbstzweifeln gepeinigt wurde. Nein – Carl ging es nicht besser: auch er schlug sich immer öfter verzweifelt an die Stirn, weil wieder in der Firma etwas schiefgelaufen war, oder Gerlinde nach einem bissigen Wortwechsel gereizt das Haus verließ…
Aber dass von einem Tag auf den anderen, plötzlich immer wieder dieses Unwort „Blödmann“ im Raum hing, wenn seine ehemals so geliebte Gerlinde mit Anwesenheit glänzte, das war neu! Und machte Carl hilflos…
Was sollte er denn antworten? Sollte er dann jedes Mal etwa mit „Blödfrau“ kontern? Oder was sonst sollte er sagen, um Gerlinde auch adäquat zu verletzen?
Nein – das war Carl zu blöd! Außerdem – wer sagt denn schon in unseren Kreisen „Blödfrau“ zu einer Frau? Das war doch echt unmöglich…
Es war doch schon seltsam genug, dass in unserer Gesellschaft diese abwertende Bezeichnung offensichtlich nur für das männliche Geschlecht existierte und nichts ähnlich Verletzendes für Frauen?
Oder waren Frauen etwa nie blöd? Nie ekelhaft? Sondern nur die Männer? Oder waren Frauen zu zart, um so beleidigt zu werden? Noch dazu wenn „Mann“ sie eigentlich liebte? Oder lieben sollte…und lieben wollte?
Schlimm genug war ja, dass dieses ganze üble Theater erst existierte, seit sich Carl und Gerlinde ständig wegen der wirklich blöden „intelligenten Unterhosen“ in den Haaren lagen…Und dies schon seit Wochen! Ganz normal über dieses Projekt zu reden ging einfach nicht mehr.
Und schon gar, nicht wenn er, der Herr Trikotagen Experte, vollkommen ausgelaugt, spät abends aus der Firma heimkam und zu nichts anderem mehr Lust hatte, als auf ein paar liebevoll zubereitete Häppchen von einer gut gelaunten Gerlinde und zwei, drei kühlen Gläschen „Grüner Veltliner“!
Doch das gab es nicht mehr! Das war schlicht und ergreifend nicht mehr möglich in dieser Blödmann-Welt! Warum war das so schwer zu begreifen für Carl? Das ergab sich doch schon allein aus der Tatsache, dass Gerlinde entweder gar nicht zuhause war, oder wenn sie da war, abends höchsten 3 bis vier lieblose Weißbrotschnitten servierte und diese oftmals noch garnierte mit der hinterhältigen Frage, ob denn die Firma TRIGA nun endlich mindestens 1000 Stück ihrer sensationellen „intelligenten Unterhosen“ täglich verkaufte? Oder wie lange sollte das noch dauern?
Und wenn er, Carl, dann brummte, ob es vielleicht ausnahmsweise auch einmal etwas weniger giftig beim Abendbrot zugehen könnte? Sagte sein Gerlindchen zuckersüß, dass es das erst wieder gäbe, wenn er, Carl, endlich aus dieser blöden „intelligenten Unterhose“ aussteige.
Nichts leichter als das, sagte Carl und fing an, den Hosengürtel zu öffnen und den Hosenstall aufzuknöpfen…
Ja – und dann, war sofort wieder dieser „Blödmann!“ da – und sein Gerlindchen nicht mehr!
Und er, der Carl wusste wieder nicht, ob seine Gerlinde nun doch endlich zur „Blödfrau“ mutiert war, oder nur er wieder der Blödmann war?
Offensichtlich eine unlösbare Aufgabe in dieser vertrackten Unterhosenbeziehung‘?
K.H.