Gerlinde und ihr Schmuckmuffel Carl

Diesen humoristischen Dialog brachten die Goldschmiedin Martina Tornow und der Autor Klaus Hnilica, bei der kritisch satirischen Leseperformance „ALICE im Männerwunderland“, der Rodenbacher Autorengruppe ‚Wortspieler‘, im Rahmen der Hanauer Frauenwoche 2023, am 9. März  2023, im Deutschen Goldschmiedehaus.

„Carl, sag‘ weißt du eigentlich, warum wir Menschen uns als einzige Spezie schmücken und die anderen Tiere nicht?“, sagte Gerlinde.

„Nöööö weiß ich nicht!“, sagte Carl.

„Echt –  du hast keinerlei Ahnung, warum wir uns schmücken, Carl?““

„Nöööö – echt nicht – aber ich kenn mich ohnehin mit dem ganzen ‚Schmuckkram‘ nicht aus! Doch als Experte für Trikotagen, der Weltfirma TRIGA, weiß ich immerhin, dass die Hominiden als einzige Spezie unter allen Tieren erstaunlicher Weise Unterhosen tragen, liebe Gerlinde!“

„Wie erstaunlich! Ich habe zwar nicht deine umfassende Unterhosenexpertise, lieber Carl, weiß aber trotzdem warum ich meine Unterhose anziehe…“

„Aber ich weiß auch noch wie verschieden Unterhosen sein können!  Und dies sowohl bei Männern als auch Frauen!“

„Toll Carl! Ich gratuliere dir zu diesem profunden Unterhosenwissen! Übrigens liegst du damit fast auf der Linie der berühmten Nobelpreisträgerin Christine Nüßlein-Volhard…“

„Welches vollharte Nüsslein meinst du da, Gerlinde?“

„Haha – du Spaßvogel! Diese Frau Professorin Nüßlein-Volhard war nämlich gestern Nachmittag im Fernsehen! Und wenn du da nicht wie üblich eingeschlafen wärst, hättest du auch mitgekriegt, was sie zum geschmückten Menschen alles zu sagen hat.“

„Und was hatte sie zusagen, dieses Nüßlein, liebste Gerlinde“.

„Nun sie berichtete, dass schon Darwin, einen wichtigen Unterschied zwischen Mensch und Tier beobachtet hatte: Nämlich – der Homo Sapiens schmückt sich!

Er beobachtete bei allen Naturvölkern, dass sie sich zur Steigerung ihrer Schönheit, bemalen, tätowieren, schminken, kleiden und künstliche Schmuckelemente und Ornamente benutzen, um ihre Attraktivität und Würde zu verstärken…“.

„Richtig! – und genau darum zieht die Menschheit auch bunte Unterhosen an!“

„Ach Carl – du mit deinen blöden Unterhosen! Darum geht’s doch gar nicht, sondern darum, dass der Mensch, anders als die Tiere, sich seiner Wirkung auf andere bewusst ist – und in den Spiegel schaut: der Mensch ist eitel! In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Mensch grundsätzlich von allen anderen Tieren…“

„Und ich unterscheide mich von dir, liebe Gerlinde, dadurch, dass ich erstens nicht so eitel bin wie du! Und zweitens, dass ich mich – rein Job mäßig – praktisch, taktisch und faktisch tagtäglich mit Unterhosen beschäftigen muss!“

„Das ist die gerechte Strafe dafür, Carl, dass du gestern alles verschlafen hast! Sonst wüsstest du nämlich, dass der Mensch über einen besonderen „Schmuckinstinkt“ verfügt, ähnlich dem „Sprachinstinkt“!“

„Dafür weiß ich aber aus der anschließenden Sportschau, zu der du mich ja freundlicher Weise geweckt hast, auf Grund meines „Fußballinstinkts“, wie Dortmund gegen den VfB Stuttgart gespielt hat und die Bayern gegen Hoffenheim“.

„Das ist toll Carl! Ich wundere mich nur, dass du bei deinen permanenten Unterhosenmeditationen überhaupt die Tore mitbekommen hast.“

„Keine Sorge, liebe Gerlinde, habe ich – und zwar jedes einzelne Tor! Und im Übrigen hast du bei unserer letzten Dessous-Messe in Köln auch kräftig zugeschlagen, wenn ich mich recht erinnere…“.

„Stimmt Carl, ich bin halt nicht ganz so engstirnig und muffelig gegenüber euren Reizwäscheambitionen, wie du gegenüber meinen Schmuckambitionen!“

„Nanana Gerlinde! Jetzt tust du mir aber arg unrecht! Ich bewundere doch immer wieder deinen guten Geschmack!“

„Aber nicht bei Schmuck, lieber Carl…“

„Doch – doch auch bei Schmuck!“

„Nein da nicht!“

„Du bist aber heute wirklich schlimm drauf Gerlinde – so richtig giftig bist du zu mir…“

„Nein bin ich nicht!“

„Doch bist du! Dabei lass ich dir doch bei unseren Dessous-Messen immer nur das Beste vom Besten zukommen…“

„Ja! – aber sicher nicht ganz uneigennützig, lieber Carl, oder?“

„Vielleicht! Aber du musst doch andererseits auch zugeben, dass du mich noch nie nachdrücklich in deine angeblich so exquisite Schmuckwelt eingeladen hast?“

„Mindestens hundertmal, lieber Carl, aber du stellst dich doch jedes Mal taub wie so ein Horn Ochs…“

„Nein, tu ich nicht!“

„Doch tust du – und zwar immer wieder!“

„Nein – tu ich nicht!“

„Gut dann komm sofort mit mir…“

„Wohin mit dir?“

„Zu der Schmuckausstellung!“

„Welche Schmuckausstellung – ich sehe weit und breit keine?“

„Hier im Haus – da ist eine!“

„Scherzkeks – wo und wann denn?“

„Hier und jetzt, lieber Carl…“

„Du willst mich wohl reinlegen – was?“

„Ja will ich – aber anders als du denkst…“

„Gerlinde – du bist aber heute echt so etwas von eigensinnig, dass es fast schon weh tut…“

„Vielleicht, Carl, bin ich etwas eigensinnig – aber die österreichischen SchmuckkünstlerInnen, die hier im Goldschmiedehaus neuerdings ihren sogenannten Autorenschmuck zeigen, sind es noch viel ausgeprägter…“

„Entschuldige Gerlinde ich versteh im Moment nur Bahnhof…was ist denn bitte dieser sogenannte Autorenschmuck nun wieder?“

„Carl, der Begriff Autorenschmuck bezeichnet ein ganz neues Schmuckverständnis, das letztlich auch noch andere Aspekte berücksichtigt als die, die Frau Nüsslein-Volhard unlängst rausgestellt hat…“

„Oha – jetzt wird’s schon wieder schlimm intellektuell…!“

„Ja, lieber Carl, bei Schmuck liegen halt die Dinge doch etwas anders als bei deinen bunten Unterhosen…“

„Oh –  danke für deinen taktvollen Nasenstüber – liebe Gerlinde…“

„Bitte – Carl –  gern geschehen! Aber bei Schmuck kristallisierte sich in den 70-ger Jahren insofern ein neues Schmuckverständnis heraus – als Schmuckstücke erstmals auch als autonome Kunstgegenstände gesehen wurden…“

„Das klingt ja fast interessant – Gerlinde!“

„Kann man so sagen Carl! Und wenn du dich herablassen könntest dich mir anzuschließen, dann würdest du vermutlich sehr schnell sehen, wie eigensinnig diese SchmuckkünstlerInnen aus Österreich erst sind, die sogar ihre Ausstellung „MIT EIGENSINN“ titulieren“.

„Tja – Gerlinde Gratulation! Nach diesem überzeugenden Konter bin ich echt platt und schaue ziemlich blass aus der Wäsche mit meinen läppischen bunten Unterhosen: denn die Unterhose als eigenständiges Kunstwerk zu gestalten und zu betrachten haben wir Hersteller von Trikotagen tatsächlich noch nicht geschafft!“
„Tja  Carl – nur Mut! – was nicht ist, kann ja noch werden!“ sagte Gerlinde und entfleuchte mit einem listigen Lächeln…

KH

PS: Als weiteren Text trug der Autor bei dieser sehr gelungenen Leseperformance die berührende Geschichte ‚ Pauline weint…‘ vor, unter https://www.if-blog.de/kh/pauline-weint/

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