Hilfe! Wer erlöst mich…? (Kapitel 12)

Also jetzt kommt nach dem Thriller ein Roman! Und zwar eine Story  für  jung gebliebene Jugendliche und  jung  gebliebene ältere Herrschaften: immer am Sonntag und Donnerstag kommt ein Kapitel – insgesamt sind es 13 Kapitel. Mal sehen wieviel dieses mal durchhalten auf Facebook in meiner Story…

 

Kapitel 12

Die liebe Familie

Ich schloss mich ein und heulte erst einmal richtig drauf los…

Mama und Papa versuchten ein paar Mal zu mir hereinzukommen. Aber wenigstens dieses Mal blieb ich hart und ließ sie schmoren.

Als ich mich ausgeheult hatte untersuchte ich endlich die unappetitliche Schimmelbrieftasche! In meinem Weltschmerz hatte ich sie beinahe vergessen. Da sie immer noch unter meinem T-Shirt klebte und ich auf ihr gelegen war, war sie fast sauber aber mein T-Shirt entsprechend ramponiert.

Ich zog es aus und versuchte die Brieftasche vorsichtig zu öffnen. Sie stank grauslich und war durch die Fäule völlig verklebt. Und drinnen war auch nicht viel: lediglich ein paar Fetzen Papier, die gleich zerfielen, sobald man sie anfasste.

Das war schon ein Geduldsspiel, sie da aus den verklebten Fächern der Tasche herauszulösen. Und auf den modrigen Papierschnipseln stand auch was drauf – vielleicht war das Ganze ja einmal ein Brief gewesen – konnte gut sein, aber ich vermocht diese Buchstaben nicht lesen, das war noch diese alte Schrift, die selbst meine Eltern nicht mehr geschrieben hatten – nur ein Datum fand ich: 13.6.19….

Als Mama zum hundertsten Mal an meiner Tür klopfte und wissen wollte, wie es mir gehe, versteckte ich meinen Schatz! Denn das war einer, das spürte ich und ließ sie rein.

„Kiki, was ist denn los mit dir? Wir machen uns solche Sorgen, sprich doch bitte mit uns!“

Aber was sollte ich sagen, ich hatte keine Lust zum hunderttausendsten Mal zu erklären, dass ich ernst genommen werden wollte. Es war zwecklos – Erwachsene konnte man nicht ändern, die waren lebenslänglich verkorkst, da half alles nichts!

Papa saß mit hängender Nase da, als ich mit Mama ankam.

„Wenn du willst erzähle ich dir jetzt alles?“

Ich zögerte und wusste noch nicht, ob ich nachgeben sollte. Da er mich aber so traurig anschaute, setzte ich mich zu ihm und sagte gnädig, er solle mit seiner Geschichte beginnen.

„Stell dir vor, Kiki, da in der Höhle haben wir zwei Skelette gefunden!! Das eine haben wir gleich entdeckt, da es noch halb an der Höhlenwand lehnte – sitzend, als hätte der Verstorbene grad so auf den Tod gewartet. Einfach gewartet bis er kommt!

Das andere Skelett haben wir später in einer mächtigen

eisenbeschlagenen Truhe gefunden, die wir nur unter größter Mühe und letztlich mit brachialer Gewalt öffnen konnten!

„War das der vermutete Schatz?“, warf ich ein.

„Ja, das war er wohl! Darum habe ich auch darauf bestanden, dass die Truhe gleich vor Ort geöffnet wird; ich wollte es unbedingt wissen und ein für alle Mal alles klarstellen!“

„Das war absolut richtig, Carl! “sagte Mama und dieses Mal meinte sie es wirklich ernsthaft.

„Ja, das war richtig: denn der vermutete Schatz, war wie gesagt, nur ein weiteres Skelett. Zusammengekauert, mit eingeschlagenem Schädel, hockte es in der Truhe, und zwischen den Knochen schimmerten die roten Scherben eines wohl ziemlich massiven Blumentopfes, wie es aussah!

„Wirklich ein Blumentopf?“ schrie ich und hielt es plötzlich auf der Bank in der Essecke nicht mehr aus.

„Ja, das war gruselig, denn die roten Scherben wirkten fast wie versteinertes Blut und verstörten uns noch mehr! Jedenfalls ein grauenhafter Anblick für uns alle! Wir waren so betroffen, dass keiner mehr an irgendeinen Schatz dachte. Der dicke Wurzer bekreuzigte sich sogar und murmelte etwas davon, dass hier etwas Schreckliches passiert sein musste“

„Und?“

„Ja, der Meinung waren wir anderen auch! Aber uns war auch klar, dass das alles vermutlich soweit zurücklag, dass wir kaum eine Chance hatten herauszufinden was da wirklich passiert war? Wir müssen schon froh sein, wenn wir die Toten wenigstens identifizieren können. Aber das ist Sache der Kripo und eventuell sogar der Mordkommission! Wir können da jetzt nicht mehr viel tun, außer abwarten!“

Papa schaute mich etwas hilflos an, zog die Schultern und Augenbrauen hoch und machte den Versuch, mich an sich zu drücken! Meinetwegen! Mein Groll war natürlich längst verflogen und ich war wieder voll dabei!

„Vielleicht steht ja etwas in dem Brief?“, sagte ich plötzlich und spürte ein gewisses Ziehen in der Brust und im Bauch.

„Was für ein Brief?“ fragten Mama und Papa im Duett.

„Na – der Brief des grauen Mannes“ antwortete ich ziemlich cool.

„Wenn ihr wollt hole ich ihn, er liegt oben in meinem Zimmer“!

Natürlich ging dann gleich die große Fragerei los, als ich die Brieftasche unter Papas feines Näschen hielt, damit er auch ein bisschen Moderduft schnuppern konnte. Da ich aber wieder gute Laune hatte, ließ ich das Frage-Antwort-Spiel geduldig über mich ergehen; meinetwegen, wenn es half und die beiden glücklich machte!

Ich fragte nur einmal, als Papa nach einer längeren Suada Luft holen musste und Mama gerade nicht warnend auf mich einredete, ob es nicht besser wäre endlich den Brief zu lesen, statt dauernd rum zu labern!

Aber das war gar nicht so leicht: große Teile des Briefes konnte man nicht mehr lesen oder fehlten überhaupt. Aber der Rest war noch aufregend genug, denn der Hausierer war wohl vor dem Krieg ein erfolgreicher Kaufmann in W…. oder so ähnlich, gewesen. Seine einzige Tochter, die vielleicht Adelheid oder Adele hieß, war da wohl in den Dunstkreis des gefürchteten Frauenheld Graf von Langenselbold geraten. Was aber genau passiert war konnte man nicht einmal mehr ahnen, da hier zuviel von dem Brief fehlte.

Für kurze Zeit war sie wohl seine Geliebte gewesen und hatte sogar im Schloss gewohnt. Als der Graf offensichtlich keinen Spaß mehr an ihr hatte, jagte er sie, wie es schien, auf recht herbe Art aus dem Schloss; Ähnliches ist wohl auch schon ihren Vorgängerinnen widerfahren…

„Na bravo, Seifenoper pur!“ warf Mama ein“, jetzt fehlt nur noch, dass sich das arme, gekränkte Wesen, das Leben genommen hat“

„Sei ruhig Mama!“ rief ich verärgert“, mach doch nicht schon wieder alles kaputt…“

„Was soll denn dieses ’schon wieder kaputt machen’ heißen, Kiki?“

„Alsoo – “, sagte Papa langsam und abwägend, um die Angelegenheit zu entspannen, „wie ich das so sehe –  hier in dem Brief – oder was von ihm übrigblieb, hat das gute Mädchen tatsächlich den Tod gesucht und sich ertränkt, ob dir das jetzt passt oder nicht liebe Susanne!“

„Sag ich doch!!“

„Papa bitte weiter…“, drängte ich.

„Ja, es scheint so, als habe der verstörte und gebrochene Vater, in seiner Verzweiflung den skrupellosen Graf im Schloss aufgesucht und zur Rechenschaft ziehen wollen. – das Gespräch eskalierte wohl und in diesem Streit hat am Ende der verzweifelte Vater dem Grafen eins über den Schädel gegeben und zwar – jetzt kommt’s, Kiki, mit einem in der Nähe stehenden Blumentopf!“

„Wie schrecklich“, hauchte ich in mich hinein und fing an zu weinen…Ich wusste, dass sich Mama jetzt nicht zu spotten traute, wenn ich weinte.

Der Kaufmann war wohl selbst erstaunt, dass er den Leichnam des Grafen samt den Trümmern des Blumentopfes ohne irgendwelche Probleme in eine leere Truhe im Nebenraum packen konnte und diese Truhe auch noch unbemerkt in den alten Steinbruch bei Rodenbach zu schaffen vermochte, wo er sie in der ihm bekannten Höhle versteckte.

Scheint jedenfalls keine ganz einfache Sache gewesen zu sein!

„Ich“, so las Papa aus einem etwas größeren und zufälligerweise besser erhaltenen Brieffragmentteil vor, „bin dann nie mehr nach W… zurück, sondern zog als Hausierer durchs Land. Durch den Tod meiner geliebten Tochter Adele hatte mein Leben jeden Sinn verloren: Wohlstand und Ansehen waren mir gleichgültig geworden. Für meine Mitmenschen empfand ich nur mehr Ekel und Verachtung. Vor ihnen und ihrer Gerichtsbarkeit fühlte ich mich auch nicht schuldig!“

„Ach wie schön“, konnte sich Mama nicht verkneifen.

“Gott weiß, dass ich aus innerer Not gehandelt habe…“

Alles Weitere war wieder unleserlich!

Aus den letzten noch vorhandenen Papierschnipseln konnte man sich zusammenreimen, dass der verzweifelte Kaufmann mit diesen Blumentöpfen und den Hilferufen, sich ein Zeichen der Vergebung erhofft hatte…

„Da ich aber unsagbar erschöpft und müde bin, will ich meine Schuld auch nicht mehr länger ertragen und bin bereit in dieser Höhle, bei meinem Opfer zu sterben, um endlich meine Ruhe zu finden…“!

„Und sollte es einen gnädigen Gott geben, der mir verzeihen kann, dann sorgt er vielleicht dafür, dass ich noch vor meinem Tod entdeckt werde und meine Tat büßen darf…

Aber der alte graue Mann wartete wohl vergeblich – die Vergebung kam nicht…

Sein Wunsch nach Erlösung blieb unerfüllt…!

KH

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