Also jetzt kommt nach dem Thriller ein Roman! Und zwar eine Story für jung gebliebene Jugendliche und jung gebliebene ältere Herrschaften: immer am Sonntag und Donnerstag kommt ein Kapitel – manchmal muss ich allerdings etwas von diesem Zeittakt abweichen, wie dieses Mal. Insgesamt sind es 13 Kapitel. Mal sehen wieviel dieses mal durchhalten auf Facebook in meiner Story…
Kapitel 5
Hilfe!
Der Blumentopf strotzte vor Dreck!
„Ich wüsste gerne, was man eigentlich tun muss, um so einen riesigen Dreckhaufen auf so ein kleines Gefäß transferieren zu können “, sagte Papa mindestens fünfmal, schüttelte ungläubig seinen Kopf und zog die Augenbrauen bis zum Haaransatz hoch.
Von Mamas Spülmittel war jedenfalls nichts mehr übrig, als der Topf soweit gesäubert war, dass man vermuten konnte eine eventuelle Botschaft entdecken zu können!
Mir ging das natürlich alles viel zu langsam. Warum musste da solange rumgewaschen werden. Aber Papa ließ es an Gründlichkeit nicht fehlen und Mama sagte immer wieder „wenn schon, denn schon“ und polierte zum fünfundzwanzigsten Mal, den nun vollkommen wieder dunkelrot gewordenen Topf. Ich hatte fast den Verdacht, dass die beiden mich mit ihrem überspitzten Gründlichkeitswahn hochnehmen wollten.
Endlich war’s dann soweit: Papa stellte feierlich den blank gescheuerten Blumentopf auf den Esszimmertisch, schaltete alle erreichbare Lampen an und lud Mama und mich zur Spurensuche ein. Ich ließ mir das nicht zweimal sagen und steckte gleich den ganzen Kopf in den Topf.
„So wird das nichts“, bemerkte Mama schlau, „dein hübsches Köpfchen ist leider nicht durchsichtig“.
Also zog ich meinen Kopf wieder heraus und drehte den Topf so, dass er innen komplett ausgeleuchtet war; aber wie immer ich auch mit meinen Augen rollte, ich sah nichts- nee nichts! Ich sah sogar weniger als nichts, nämlich gar nichts! Vielleicht war’s auch die Aufregung, mir wurde fast etwas schummrig vor den Augen.
Enttäuscht reichte ich den Topf an Mama weiter.
„Vielleicht siehst du ja was“, sagte ich.
Mama zögerte und tat verwundert, „darf ich denn jetzt auf einmal auch mitmachen bei euerem Detektivspielchen?“, fragte sie mit gespielter Ironie, „Gott, welch eine Gnade!“
„Wenn du spottest, bist du gleich wieder draußen“, sagte Papa
„Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt drinnen sein will“.
„Das geht nicht, das musst du schon wissen bevor du einen Blick in das heilige Innere des noch heiligeren Blumentopfes machen darfst!“
„Also gut, ich bin bereit und jetzt her mit dem Ding. Allerdings würde es mich schon wundern, wenn ausgerechnet ich etwas entdeckte, wo ich doch noch nicht einmal eine Sekunde an diesen Unsinn geglaubt habe!“
Aber dann stutzte sie, schüttelte ihr weises Haupt und sagte ungläubig, „das gibt es doch nicht, da steht ja tatsächlich was, also ich glaub’ ich spinne…“
Papa, der bisher nur ruhig dagesessen war und uns beobachtet hatte, fuhr wie von einer Tarantel gestochen hoch, riss Mama so ungeschickt den Topf aus der Hand, dass er beinahe auf dem Fliesenboden der Essecke gelandet wäre und sagte dann ununterbrochen „tatsächlich – tatsächlich –tatsächlich, das ist ja der reine Wahnsinn, echt der Wahnsinn!!“
Ich konnte es dann endlich auch sehen. Klar und deutlich stand hier auf der einen Stelle der Innenwand
o
H I L F E!
Außerdem konnte man bei längerem Hinschauen auch noch die Buchstaben O S W und N am Boden des Topfes entdecken.
„Da sind bestimmt die vier Himmelsrichtungen gemeint“, sagte Papa.
„Wozu die hier allerdings gut sein sollen, erschließt sich mir nicht, aber das macht ja auch nichts, sonst erschließt sich ja auch sehr wenig in dieser komischen Sache“!
Immerhin war es uns mit der neuen Botschaft gelungen auch Mama neugierig zu machen, und sie musste zugeben, dass wir diese zweite Botschaft nur gefunden hatten, weil wir schon die erste ernst nahmen. Zumindest ich hab’ sie ernst genommen, bei Papa war das nicht so ganz überzeugend gewesen.
Als Papa am nächsten Tag vom Büro heimkam und zur Zeitung greifen wollte, hielt ich ihm gleich wieder den Blumentopf unter die Nase.
„Und hast du nachgedacht wie wir weiterkommen?“
„Kiki, du bist ziemlich mutig, ich hab’ mich das bisher nicht getraut, von Papa vor seiner abendlichen Zeitungslektüre irgendetwas zu verlangen,“ sagte Mama spitzbübisch.
„Na ja hier geht’s aber auch um ganz was Besonderes und nicht um die üblichen Haushaltssachen“.
„Soso, was Besonderes“, sagte sie und forderte uns auf zum nicht ganz so besonderen Abendbrot zu kommen.
Während des Essens ging natürlich die Diskussion weiter. Als Mama in ihr Schinkenbrot biss und mit vollem Mund sagte,
„der Sonntagsspaziergang in den alten Steinbruch ist aus meiner Sicht bisher noch das Aufregendste gewesen“, schrie Papa plötzlich so laut auf, dass wir beide erschraken,
„der Steinbruch“, brüllte er, „ja der Steinbruch soll das sein! Das ist doch sonnenklar, dass ich Blödmann nicht gleich da draufgekommen bin!“ Papa grunzte und lachte, sprang vom Esstisch auf. schnappte sich den Blumentopf, setzte ihn sich wie einen Hut auf den Kopf und hopste wie verrückt um den Tisch.
„Jetzt ist er total übergeschnappt“, sagte Mama und ich muss zugeben, dass ich geneigt war, ihr zuzustimmen.
Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte und zum Esstisch zurückkam, versuchte Mama ihn vorsichtig nach dem Grund seines Freudenausbruches zu fragen. Aber das war gar nicht so leicht, denn er verstummte plötzlich, nahm den Blumentopf vom Kopf, stellte ihn vor sich auf den Tisch und brütete ohne auf uns zu achten vor sich hin. Egal was wir sagten und wie laut wir es sagten, er zeigte keinerlei Reaktion, sondern drehte, total in sich versunken, dauernd den blöden Topf in seinen Händen herum.
Endlich sagte er, “bei diesen Scheiß-Töpfen, Kiki entschuldige die Sprache der Gosse, muss man wirklich auf jedes noch so kleine Detail achten, jeder Kratzer oder Punkt oder Nippel kann von Bedeutung sein. In der heutigen Zeit ist man das gar nicht mehr gewöhnt, die Dinge so aufmerksam zu betrachten“!
Sein Gesicht wurde feierlich, wie am Heiligen Abend und er versank wieder in sein brütendes Schweigen.
„Kannst du uns denn an deinen tiefen Erkenntnissen auch ein klitzeklein wenig teilhaben lassen“, drängte Mama.
„Leider gibt es da gar nicht soviel zum Teilhaben“, sagte er ohne sein Adlerauge vom Topf zu lassen, „allerdings ist für mich klar, dass man sich das Innere des Blumentopfes als ein Abbild des Steinbruches vorstellen muss; deswegen am Boden des Topfes auch die eingravierten Himmelsrichtungen. Und ich möchte schwören, dass da noch irgendein Hinweis versteckt ist, aber den kann ich beim besten Willen momentan nicht finden.“
Papa musste sich bei seinen intensiven Überlegungen immer mal wieder ein Schnäpschen genehmigen.
„Das putzt die Gehirnwindungen durch und macht den ´Cortex frontalis´ frei, mit dem man logisch denkt“.
„Das mag ja sein, aber wie man sieht ist das Ganze ja keine Sache der Logik sondern eher des Bauches und daher eher dem verlängerten Rückenmark zuzuordnen“.
Papa guckte verblüfft zu Mama, ob dieser Aussage. Geschickt entriss ich ihm in diesem Moment den Topf, um endlich auch einmal was sagen zu können.
„Und“, sagte ich, „habt ihr beiden Gehirnspezialisten euch schon einmal das Wort HILFE ! angeschaut. Der i-Punkt auf dem I gehört doch auch eher in die Kategorie ‚komisch’, oder? Seit wann ist denn auf einem großen I ein i-Punkt? Außerdem ist der doch auch viel zu groß für so einen i-Punkt.“
Das war das letzte was ich sagen konnte. Papa stellte sein Schnapsglas weg nahm mir unsanft den Topf aus der Hand und drückt mich plötzlich so fest, dass ich mein kurzes Leben für einen ebenso kurzen Moment für beendet betrachtete und nach Hilfe schrie! Und noch zweimal „Hilfe! Hilfe!“
Das half vorübergehend.
„Wenn der Topf den Steinbruch darstellt“, sagte er mit schnapsschlauer Miene, „dann soll dieser i-Punkt bestimmt kein i-Punkt sein. Drum ist der auch so groß, so groß wie ein Loch! Und vielleicht ist dieses Loch sogar im Steinbruch zu finden? Ja, vielleicht ist dieses sogenannte Loch in Wirklichkeit sogar eine Höhle! Eine Höhle in der dieses arme graue Geschöpf auf Erlösung hoffte und auf absurde Weise um Hilfe rief!“
„Ja das könnte gut sein“, warf ich ein “drum ist das I auch mehr ein Pfeil als ein I, ein Pfeil der auf eine Höhle hinweist!“
Am liebsten wäre ich gleich mit Papa in den Steinbruch gefahren um nach dieser eventuellen Höhle zu suchen. Papa hätte das auch bestimmt getan. Er hatte soviel Schnaps getrunken, dass er zu allem bereit war. Im Schnapsdunst hatten sich alle kleinlichen Zweifel verflüchtigt. Für ihn war die Sache auch zur Gewissheit geworden. Mama konnte da unken soviel sie wollte. Das einzige was ihr zugestanden wurde, war die Tatsache, dass es schon dunkel war und sich jede Höhlensuche für heute somit erübrigt hatte.
Wie üblich hatte Papa in den darauffolgenden Tagen wieder einmal keine Zeit. Erst am Sonntag konnten wir in den Steinbruch gehen. Zu allem Unglück regnete es ausgerechnet an diesem Sonntag wie verrückt. Stunde um Stunde warteten wir auf das Ende dieses dämlichen Regens. Ich hätte heulen können.
Als es dann fast schon gegen Abend ging, entschloss sich Papa endlich trotz des Regens mit mir in den Steinbruch zu gehen. Mama konnten wir nicht überreden mitzukommen.
Da bei diesem Hundewetter ohnehin niemand unterwegs war, konnten wir ohne Schwierigkeiten bis in den Steinbruch hineinfahren! Sonst war das verboten! Natürlich hatten wir auch den Blumentopf dabei und einen Kompass, den Papa extra gekauft hatte, um die Himmelsrichtungen genau bestimmen zu können.
Im Steinbruch war es ziemlich gespenstisch. Ohne Papa hätte ich mich gefürchtet. Die schwarzen Regenwolken hingen bedrohlich bis in den Steinbruch hinein. Als wir aus dem Auto stiegen wurde uns zu allem Überdruss gleich ein mächtiger Regenschwall ins Gesicht gepeitscht. Papa versuchte mit dem Kompass die Himmelsrichtungen zu bestimmen und ich spähte ängstlich in die Gegend, da ich irgendwie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Als plötzlich ganz in der Nähe ein Eichelhäher, laut kreischend hochflog, zuckte auch Papa zusammen. Endlich hatte er die Himmelsrichtungen beisammen; er stellte den Blumentopf so vor sich hin, dass das N genau nach Norden zeigte. Das Wort HILFE ! über dem O stand, wie vermutet, tatsächlich ziemlich genau im Osten und der ominöse i-Punkt sogar exakt im Osten.
„Dort oben müsste die Höhle sein“, sagte er mit ausgestrecktem Arm, “wenn es denn wirklich eine geben sollte!“ Aber außer einer mächtigen Steinwand und einer riesigen Geröllhalde konnte ich dort nichts entdecken. Papa starrte alles so entschlossen und lange an, als wolle er es gleich wegzaubern. Als ich ihn danach fragte schüttelte er nur den Kopf, „ich sehe auch nichts“, sagte er „aber ich bin vorsichtig geworden, bisher haben wir ja immer alles erst nach mehrfachem Hinschauen entdeckt!“
„Möglich, möglich“, sagte ich, verlor aber langsam die Lust noch länger wo hinzuschauen wo nichts Besonders zu sehen war. Und der blöde Regen nervte mich auch, der ging durch und durch. Und mollig warm war es auch nicht gerade.
Papa schlug vor näher an die Felswand heranzugehen und trabte davon. Ich prüfte noch einmal kurz, ob uns wirklich niemand beobachtete und ging ihm nach. In der Nähe der Wand mussten wir uns ein paar Mal durch tropfnasses Strauchwerk zwängen. Trotz aller Vorsicht schlugen mir immer wieder nasse Äste ins Gesicht. Ärgerlich aber nicht zu ändern. Plötzlich blieb Papa stehen, winkte mich zu sich und flüsterte, „schau mal Kiki, was da steht?“
Und tatsächlich, jetzt sah ich es auch: da stand tatsächlich ein dicker fetter Fliederstrauch; und daneben noch einer und noch einer; und alle blühten sie, schön weiß und violett! Richtig toll!
Staunend standen wir davor. Wir mussten gar nichts sagen, denn uns war beiden klar, wenn hier wirklich der gleiche Flieder blühte, der in unserem Garten nicht geblüht hatte, dann musste hier auch der weinende graue Mann gewesen sein, aber das wusste nur ich, Papa kannte ihn ja so nicht. Für ihn war es nur ein weiters Indiz, dass die Blumentopfgeschichte schon etwas gespenstisch war.
Papa sucht die Umgebung um den Flieder noch weiter ab. Er betrachtete die Felswand auch ganz aus der Nähe.
„Wenn die Markierung im Topf auch der Höhe nach stimmt, dann muss dort oben in der Geröllhalde eine Höhle gewesen sein. Irgendwie schlängelte sich in der Wand auch etwas nach oben, was gut einmal ein Weg gewesen sein könnte.
„Ich will noch weiter rauf“, rief ich Papa zu
„Aufpassen, es ist alles furchtbar nass und rutschig!“
Aber so schlimm war das gar nicht. Schon nach wenigen Minuten waren wir schnaufend unmittelbar bei der Geröllhalde angelangt.
Wir schauten hoch und ließen uns den Regen ins Gesicht prasseln.
„Irgendwann muss da ein größerer Gesteinsrutsch gewesen sein, vielleicht ist damals die Höhle unseres Blumentopffreundes verschüttet worden. Eigentlich müsste im Ort irgendwer darüber etwas wissen. Solche Gesteinsbewegungen sind ja keine Kleinigkeit“, meinte Papa, während sich der Regen bei mir schon den Rücken hinunter schlängelte.
Vollkommen durchnässt fuhren wir dann heim. Richtig froh waren wir aber beide nicht. Wir glaubten zwar um einiges klüger geworden zu sein, aber wie es weitergehen sollte wussten wir weniger denn je.
Papa versprach zwar nachzudenken aber bei ihm wusste man nie wie lange dieses Nachdenken dauerte…
KH