Kapitel 9

Aufgelauert

Irgendwie ging dann alles ganz schnell mit der Suffsusl! Allerdings ganz anders als Koblewski erwartet hatte.

Denn schon zwei Wochen später tauchte sie plötzlich bei einem überraschend notwendig gewordenen nächtlichen Rundgang vor Karl Koblewski auf. Sie stand einfach da, ohne dass man erkennen hätte können, von wo sie gekommen war. Ihre Hunde hatte sie nicht dabei!

Karl Koblewski war so überrascht, dass er auf ihre Frage, ob sie ihn etwas fragen könne, nur dummes Zeug stammelte. Bestimmt hatte sie ihm aufgelauert, anders war ihr plötzliches Erscheinen nicht zu erklären….

Als Karl Koblewski sich einigermaßen gefangen hatte, sagte er,

„Was gibt es denn so Aufregendes, Frau…, wie darf ich Sie nennen?“

„Sagen Sie ruhig Suffsusl, so sagen alle!“

„Nein das sag ich nicht“.

„Dann halt nicht, ist mir egal!“

„Ich sag’ einfach Frau Susl, wenn Ihnen das recht ist!“

„Gut dann Frau Susl, mir ist vollkommen egal, wie sie sagen, Hauptsache Sie helfen mir“, krächzte sie so ekelhaft, dass Koblewski Mühe hatte ruhig zu bleiben. Und das hatte er sich fest vorgenommen, einen nochmaligen Fehlschlag konnte und wollte er Kiki nicht zumuten.

„Also was gibt es?“ fragte er noch einmal.

Sie zögerte, dann: „sind Sie auch sicher, dass Sie das Maul halten können?“ bellte sie dreist.

„Ob ich mein Maul halte, hängt davon ab, was Sie mir zu sagen haben?“, sagte er und hatte seine Mühe ihren Ton zu ertragen.

Die Suffsusl lenkte ab, „Sie sind doch der, der vor einem Jahr den Alten im Steinbruch ausgebuddelt hat, oder?“

„Ja ich bin der und heiße übrigens Koblewski, Karl Koblewski!“

„Ich hab‘ den alten Spinner auch gekannt, den sie da ausgebuddelt haben! Bei dem hat man schon von Weitem gesehen, dass er draufzahlen wird! Der war zu schwach für diese Dreckswelt!“, krächzte sie und spuckte in hohem Bogen auf die Straße.

Karl Koblewski wollte das so nicht stehen lassen. Er sagte, „die Welt, die Sie als Dreckswelt bezeichnen, die macht sich jeder selbst! Wer immer nur auf den Dreck starrt, der sieht auch nur den Dreck, was denn sonst?“

„Ach Blödsinn“, grunzte sie. „erinnere Dich doch nur“, jetzt war sie schon beim Du, „wie es euch damals mit dem Alten gegangen ist! Oder hast Du das vergessen? Das ganze Kaff ist doch über euch hergefallen, die hätten euch am liebsten gesteinigt, wenn sie gekonnt hätten!“….

Koblewski wiegelte ab, „na jetzt übertreibst du aber Susl! So schlimm wie du sagst, war das auch wieder nicht!“; er war auf ihr Du einfach eingeschwenkt, obwohl es ihm schwerfiel. Sie war so ekelhaft!

Da sie aber wieder vom Maulhalten anfing, fragte er sie plötzlich, ob sie ihm vielleicht etwas von Udo erzählen möchte.

Jetzt hatte sie Mühe ihr Maul zuzuhalten! Es stand soweit offen, dass Koblewski mit großem Widerwillen feststellen musste, dass sie kaum noch einen Zahn im Mund hatte. Da sie ihn immer noch offenhielt, befürchtete er schon eine Kieferstarre bei ihr…

Endlich stammelte sie, „du bist der Teufel, dir bleibt nichts verborgen…“!

Koblewski musste innerlich grinsen, wollte aber sein Teufel Image nicht zerstören; drum sagte er mit bedeutungsvolle Miene, „das kann schon sein, dass ich der Teufel bin, aber dann bist du eine Hexe!“

„Ha – ha, Hexe, da bist du nicht der erste der das zu mir sagt“, krächzte sie und versuchte dann eine ganze Weile lang aus Koblewski herauszubringen, woher er von Udo wusste. Sie hatte Angst, dass es noch wer wissen konnte, denn, wenn er es wusste konnte es ja jeder andere auch wissen. Logisch!

Koblewski versuchte die Susl zu beruhigen.

„Wenn ich zur Polizei gehen hätte wollen, hätte ich das längst schon tun können! Also was soll’s, heraus mit der Sprache“!

Sie zögerte immer noch; doch dann bellte es aus ihr heraus:

„Der Udo krepiert mir! Der ist schwer krank! Der glüht vor Fieber! Er kann kaum mehr schnaufen! Aber ich kann doch keinen Arzt holen! Der steckt ihn doch sofort in die Klapsmühle…! Das weiß der Udo! Davor hat er eine panische Angst! Der rennt mir davon und krepiert lieber irgendwo im Wald…“!

Koblewski unterbrach sie, da sie sich immer mehr erregte.

„Und – was soll ich da tun?“ sagte er und zog ratlos die Augenbrauen hoch.

„Ich bin doch kein Arzt! Das musst du doch wissen! “

„Das weiß ich, aber du bist doch sicher ein Studierter, vielleicht siehst du ja mehr, wenn du ihn dir einmal anschaust Koblewski!“ sagte die Susl plötzlich ganz bescheiden und ohne jede Dreistigkeit, ja man konnte sogar etwas Bittendes aus ihrem Gekrächze heraushören, wenn man wollte!

Aber davon wollte Karl Koblewski nichts wissen. Diese Sache war ihm zu heiß! Die Verantwortung für Udos Gesundheitszustand wollte er sich nicht auch noch aufladen. Das müsse sie schon einsehen, ginge doch wirklich nicht!

Aber die Suffsusl sah das gar nicht ein, sondern fing laut zu schimpfen an und wie: „Du bist der gleiche Scheißer, wie alle anderen“ rief sie. „Immer nur große Klappe aber nichts dahinter!“

„Nicht in diesem Ton, Susl“, unterbrach Koblewski.

Aber die Susl ließ sich nicht unterbrechen, sondern schimpfte wie ein Rohr -spatz weiter, „das ist doch typisch für euch feinen Herren, ihr wisst immer nur was die anderen zu tun haben, aber wenn ihr selbst einmal was tun solltet, dann habt ihr die Hosen gestrichen voll! Bis oben hin!

Karl Koblewski war so verärgert, dass er ohne ein weiteres Wort dieses keifende stinkende Weib einfach stehen ließ und heimging! Das musste er sich nicht gefallen lassen; nein wirklich nicht!

Aber daheim erwartete ihn schon die nächste Überraschung. Als er nämlich endlich in sein warmes Bett kriechen wollte, war sein Platz wieder einmal belegt! Niki musste das freie Plätzchen neben seiner Mama gerochen haben und hatte blitzschnell zugeschlagen. Da aber Karl Koblewski endlich schlafen wollte, gab er auch dieses Schlachtfeld kampflos auf und kroch wortlos in Nikis leeres kaltes Bett!

Müde und zerschlagen schlich er am Morgen ins Badezimmer. Sein Kopf war so dick und schwer, dass er ihn am liebsten in eine Ecke gerollt hätte!

Und das ausgerechnet heute, wo wieder den ganzen Tag Besprechungen wegen des Arbeitsunfalls auf dem Programm standen und er fit sein musste. Zum x-ten Mal musste er darlegen, dass es an den Sicherheitsstandards nicht gelegen hatte: Jörg Bauer hatte sich nur leider darüber hinweggesetzt, da er mit seinen Rohrleitungsüberprüfungen im Verzug war und durch schnelleres Prüfen verlorene Zeit einholen wollte! Ja das war’s gewesen, leider!

Und als Karl Koblewski spät am Abend heimkam, ging’s gleich wieder mit dem Udo und der Suffsusl los! Zum Kotzen, echt!

Das war echt eine saublöde Sache in die die Koblewskis wieder einmal hineingeraten waren. Ein Ausweg, ohne Schrammen abzubekommen, ließ sich so schnell nicht finden. Da konnte er nachdenken so viel er wollte.

Die Einzige, der wieder einmal alles klar war, war Kiki! Für sie war sonnenklar, dass Udo geholfen werden musste. Wenn es sein musste, auch heimlich und über die Kontra–Bande. Aber davon wollte Karl nichts wissen und Susanne schon gar nicht. Im Gegenteil, Susanne war stinksauer auf ihre eifrige Aktivistenrunde. Ihrer Meinung nach, saßen schon wieder alle voll in der frischen Kacke drinnen. Und dabei hatten Karl und Kiki ihr doch andauernd versichert, dass so etwas nie mehr passieren würde, wie damals beim ´grauen Mann´.

„Was ja auch stimmt“, sagte Karl Koblewski, „ich habe ja bisher nicht im Geringsten irgendetwas getan“.

„Wenn wirklich niemand was getan hat, warum stehen wir dann wieder vor so eigenartigen Entscheidungen, wo es schon wieder um Leben und Tod geht“, erregte sich Susanne. „Das passiert doch den anderen Familien auch nicht! Warum immer den Koblewskis? Kann mir einmal einer das sagen!“

„Ich weiß es auch nicht“, sagte Karl müde, „aber vielleicht ist es der Fluch der bösen Tat!“

Susanne lachte gequält, „deine Ironie ist erfrischend, aber wenn du mich fragst ist das nicht der´ Fluch der bösen Tat´ sondern ´das Verhängnis des gutmütigen Spinners´, der von den anderen mit sicherem Instinkt immer wieder erkannt und schamlos ausgenützt wird!“

„Vielleicht auch das“, gestand Karl ein und schlürfte an seinem Rotwein. Er wollte ja gar nicht recht haben, dazu war er viel zu müde.

„Ich verstehe einfach nicht, was daran schlecht sein soll, wenn man anderen hilft“, sagte Kiki plötzlich, die bisher geschwiegen hatte, „das ist doch die natürlichste Sache der Welt, oder?“

„Natürlich schon“, sagte Susanne, „aber gelegentlich sehr mühsam und aufreibend! Überhaupt wenn es immer die gleichen trifft!“

„Und warum müssen eigentlich wir uns um den Udo kümmern, der hat doch seine Familie, soll es die doch tun. Wir brauchen doch nur zum Telefonhörer greifen, die Seidlers anrufen und schon ist alles klar!“

„Wenn die Seidlers eingeschaltet werden, dann landet der Udo in der Anstalt, das ist doch auch klar“, sagte Kiki ziemlich zornig und erregt.

„Wahrscheinlich“, sagte Karl und nickte bestätigend. „Die Seidlers lassen den Udo nie und nimmer bei der Suffsusl, dazu ist die viel zu verschrien im Ort. Vermutlich holen die sogar die Polizei, um ihn von da wegzubringen!“

„Na dann!“, schrie Kiki und ihr Gesicht wurde durchsichtig wie Schweinesülze. Sie schlug mit der Faust auf den Tisch und heulte einfach drauf los, wie immer war das der letzte Ausweg!

Susanne bat sie sich zu beruhigen.

„Es gibt jetzt wirklich keinen Grund gleich hysterisch zu werden“, sagte sie.

Karl Koblewski fand das auch.

„Lasst uns doch einfach noch einmal drüber schlafen! Morgen schaut sicher alles ganz anders aus“….

Er war wirklich mit seinen Kräften am Ende; das sahen auch Susanne und Kiki ein!

KH

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