Wenn alles ununterscheidbar ist, hören wir auf, uns zu orientieren. Kein Mensch wünscht sich in die Wüste der Ununterscheidbarkeit hinein.
Und trotzdem herrscht ein Anpassungsdruck an die Gleichgültigkeit. Wer ein Individualist sein will, bewegt sich in nächster Nähe zum Asozialen. Beide orientieren sich wenig am Durchschnitt, höchstens um sich davon abzuheben.
Ein Hauptwort der Ununterscheidbarkeit ist die „Diskriminierung“, denn es bedeutet ja „Unterscheidung“. Wer diskriminiert, hebt Unterschiede hervor. Genau das aber soll nicht sein.
Es gibt ein zweites Hauptwort der Ununterscheidbarkeit. Es lautet Globalisierung. In gleicher Weise wie das Wort „Diskriminierung“ soll es dem modernen Menschen Angst einjagen.
Der Prozess der Globalisierung ebnet Unterschiede ein. In der globalisierten Welt gibt es keinen bevorzugten Ort mehr. Alles ist überall. Von wo aus Sie ihr Geschäft erledigen oder Ihre E-mails schreiben, ist gleichgültig. Von überall werden sie gleichzeitig gesendet und empfangen – dafür haben wir das Wort „Echtzeit“ erfunden, als ob es auch eine „Falschzeit“ geben könnte.
Seltsamerweise sind es die entgegengesetzten Bedeutungen,die der moderne Mensch mit „Diskriminierung“ und mit „Globalisierung“ besetzt. Während er im zuerst genannten WortAngst vor der Ungleichheit macht, verbreitet das Zweite Angst vor der Gleichheit.
Wir erkennen auch an den Angstwörtern, dass das Maß der Angst in keiner Weise von der realen Gefahr abhängig ist, sondern von unserer persönlichen Empfindsamkeit. Wir sollten aufhören, Angst vor Wörtern wie „Diskriminierung“ und „Globalisierung“ zu verbreiten. Es ist in keiner Weise verwerflich, sich darin zu üben, Unterschiede zur Kenntnis zu nehmen. Verwerflich ist allein die Meinung, Kultur sei nur dort, wo man sich selbst befinde und alles andere sei barbarisch.
Auch müssen wir lernen global zu denken. Und dies bedeutet auch, dass wir uns fragen, wie viele Menschen der Globus vertragen kann. Sobald wir global denken, werden die Ausgaben für die Subvention der Erzeugung von Kindern, die keinen Platz im Kindergarten finden, keine Ausbildungsstelle, keinen Job und am Ende auch keine Rente zum wahren Faktor der Diskriminierung zwischen Arm und Reich.
KJG
Klaus-Jürgen Grün ist zurzeit in Rumänien. Er hat über den Verwendung von mit Angst besetzten Wörtern ausführlich in seinem neuen Buch „Angst – Vom Nutzen eines gefürchteten Gefühls“ geschrieben, gerade erschienen im Aufbau-Verlag Berlin.