Am Wochenende lese ich gerne in den Blogs meiner Freunde. Dr. Stefan Hagen (Stefan) weist zum Beispiel in seinem PM-Blog auf das PM Forum 2012 in Nürnberg der GPM hin. Er will auch hingehen, weil er mal wieder so eine klassische Konferenz erleben will.
Ich freue mich schon auf Stefans Bericht vom PM-Forum der GPM – in Stefans PM-Blog wie auch mündlich.
🙂 Und ahne auch schon ein so ein wenig, was er da sagen wird.
Ich mag keine klassischen Konferenzen mehr. Besuche sie aber auch immer wieder. Je nach Veranstaltung bin ich dann aber regelmäßig mehr oder weniger enttäuscht (oder besser, es bestätigen sich meine Vorurteile). Ab und zu sind einige brilliante “speaker” da, man trifft auch ein paar Leute, die man gerne mal wieder sieht, aber das war es dann in der Regel.
Bemerkenswert finde ich den Titel der PM-Forums:
“Auf Kurs bleiben mit Projektmanagement – Kompass in bewegten Zeiten”
Da regt sich doch schon der erste Unmut in mir:
Floskeln wie “Bewegte Zeiten” oder „Krise“ kann ich nicht mehr hören. Uns geht es so gut wie noch nie. Wenn wir in einer Krise leben, dann muss die Krise etwas sehr schönes sein. Kann man wirklich gut drin aushalten – ich möchte da gar nicht mehr raus.
Ich stelle viel mehr fest, dass wir in einer Zeit leben, in der es uns so richtig gut geht. Die uns allerdings kollektiv (und vielleicht auch individuell ) fett und faul gemacht hat. Wir leben über unsere Verhältnisse – und das auf Pump.
Die einzige Bewegung, die ich feststelle, ist das Zittern der Gesellschaft um ihren Wohlstand und die krampfhaften Bemühungen zur Wahrung unseres Besitzstandes. Von wegen “bewegte Zeiten” und “Krise”.
Und dann kommt ein Verband und predigt uns:
”Auf Kurs bleiben mit Projektmanagement – Kompass in bewegten Zeiten”.
Diesen Satz finde ich sprachlich wie inhaltlich schon ein wenig befremdlich. Vielleicht sollte man ein wenig mehr nachdenken, bevor man solche Slogans kreiert und verbreitet.
Was bedeutet denn “Auf Kurs bleiben”?
Ein sinnvolles und mutiges “Auf Kurs bleiben” erfordert doch viel mehr als Projekt Management? Da muss man doch überhaupt erst mal wissen, wo man hin will! Welches Gesellschaftsmodell das Ziel ist? Da geht es um Kultur und Werte, um Verantwortung, Wissen, Mut, Freude, Respekt, Toleranz, Zivilcourage …
Da könnte ich ja auch schreiben:
Auf Kurs bleiben mit Requirement Engineering„.
Oder noch besser:
Einen Verband für Kursfindung gründen, der dann Kursfinder zertifiziert. Mit dem Motto: Den Kurs finden im herrschaftsfreiem und redlichem Diskurs (Adorno, Habermas).
Das ist natürlich alles nur halbernst gemeint. Aber bei aller Liebe: “Auf Kurs bleiben mit Projekt Management” mag gut klingen, aber ist doch nur eine komplexe und verwirrende Worthülse. Es geht doch darum, zuerst mal den Weg zu finden, den man gehen will. Oder zumindest die Richtung. Und dass ist ein in der Tat sehr schwieriges Projekt. Da wird man Projekt Management nicht als trivial anzuwendendes Lösungsmittel verkaufen können.
Zu suggerieren, dass “Projekt Management der Kompass in bewegten Zeiten” ist, finde ich abenteuerlich oder zumindest sehr einfältig (oder technokratisch gedacht?). Warum tönt man nicht gleich
“Mit PM lösen wir alle Probleme!”?
Aber was soll es. Der Slogan erinnert mich doch eher an das Marketing für die Milchschnitte. Und wahrscheinlich ist er das ja auch – nur einfaches Werbegeblödel, wie wir es überall finden. Weiß nur nicht, ob der Verband sich selbst mit so etwas letztendlich einen Gefallen macht. Auch wenn man sich ja als Herrschaftssystem „Verband“ eh im Besitz der sauber in “Standards” zerlegten und zertifizierten Wahrheit wähnt (und vielleicht auch wähnen muss).
Ich wäre entsetzt, wenn z.B. das PM Camp, für das ich mich ein wenig mitverantwortlich fühle, sich mit einem so platten Slogan bewerben würde. Und würde mich im Kreise meiner Freunde dagegen wehren.
Hier noch zum Schmunzeln der einleitende Originaltext aus dem Programmheft PM Forum 2012 (pdf)
International ist das Wetter nach wie vor rau und die Großwetterlage bleibt stürmisch. In Deutschland sind die konjunkturellen Aussichten zwar positiv, aber auch hier müssen sich Unternehmen wieder auf schweren Seegang einstellen. Im stürmischen Auf und Ab der Konjunktur gilt es jetzt, auf Kurs zu bleiben. Dabei zahlt sich aus, dass die Unternehmen in Projektmanagement investiert und so ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert haben. Durch Projektmanagement lassen sich überzeugende Ergebnisse in time und in budget erzielen. Professionelles Projektmanagement ist für deutsche Unternehmen zunehmend ein Erfolgsgarant. Es wird zum Kompass und Richtungsweiser, gleicht Schwankungen aus und hält Unternehmen flexibel und agil, auch in volatilen Zeiten.
Na ja! Da hol mir doch jemand einen Philosophen. Und lass das ja keinen Mittelständler lesen. Welche „buzzwords“ fehlen denn hier eigentlich nicht? Wer schreibt denn so etwas, oder noch besser, wer glaubt so etwas? Ein schöner Unsinn. Aber wir wissen jetzt, wie man Unternehmen vor dem drohenden Untergang bewahrt. Ist doch auch schon was.
Die Veranstaltung kostet übrigens für Nicht-Mitglieder schlappe 1.150,00 €, für GPM-Mitglieder ist es um 200 € billiger. Dafür kann man zum Beispiel unseren ewigen deutsch-französischen Journalisten und Publizisten Prof. Dr. Peter Scholl-Latour über “Internationale Brandherde als Herausforderung für die deutsche Politik” oder unseren sich selbst vermarktenden Extrembergsteiger Hans Kammerlander über “Am seidenen Faden. Von Südtirol zum Jasemba (7.350 m): 40 Jahre auf Kurs!” reden hören. Ich kenne beide Referenten und wünsche viel Spaß!
RMD