„Bessere Gesundheit!“ oder „Die Frucht der goldenen Jahre?“

Immer wieder höre ich, dass die Verbesserung der Gesundheit und die Erhöhung unserer Lebenserwartung die größte Errungenschaft sei, die uns das „goldene“ Jahrhundert am Ende des letzten Jahrtausends beschert hat. Daran zweifle ich.

In Bayern 2 Wissen – wieder mal – habe ich einen spannenden Beitrag mit der Quintessenz gehört, dass wir die Verbesserung unserer Gesundheit vor allem den Fortschritten im Bereich der Hygiene zu verdanken haben. Und weil wir ausreichend zum Essen bekommen.

Wir sind sauberer geworden (erhöhte Reinlichkeit, fließendes Wasser, Wasserklosett, Entsorgung von Abwasser, Desinfizieren von medizinischen Geräten). Das war der größte medizinische Fortschritt aller Zeiten.

Die Verbesserung unserer Hygenie-Situation ist auch die Hauptursache für die Erhöhung unserer Lebenserwartung. Sie hat aber schon vor über 100 Jahre stattgefunden. Mit Impftechniken haben wir dann noch ein paar Krankheiten zurück gedrängt und durch Antibiotika eine Möglichkeit gefunden, Bakterien zu bekämpfen. Weiter konnten wir die chirurgischen Techniken verbessern. Das hat unsere Lebensqualität und -erwartung nochmal erhöht. Der restliche medizinische Fortschritt hat dazu vergleichsweise wenig beigetragen.

Jetzt frage ich nach, wie sich der Gesundheitszustand bei uns in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Sind wir im Schnitt wirklich gesünder? Wie viel Menschen leiden unter Übergewicht und sonstigen Zivilisationskrankheiten? Wie viele von uns sind depressiv oder psychotisch? Wie viele kommen nur mit Hilfe von Medikamenten mit massiven Nebenwirkungen über die Runden?

Wie sieht es denn wirklich mit der höheren Lebenserwartung aus? Meine Großeltern und Großtanten (in der Regel mehr als 50 Jahre älter als ich und seit ein paar Jahrzehnten tot) sind älter als 80 geworden (mein Großvater väterlicherseits und die Großmutter mütterlicherseits sogar 90). Und alle konnten ihren Haushalt bis zum Schluss selber versorgen.

Ich erlebe leider immer mehr demente, depressive und psychisch kranke Menschen, im Kollektiv und auch in meiner nächsten Umgebung. Dies nicht nur bei wirklich alten Menschen. So gewinne ich den Eindruck, dass wir gar nicht gesünder sind, als es die Menschen vor 50 oder vielleicht sogar 100 Jahren waren.

Die Gesundheitsindustrie versklavt uns mit einer genialen Kombination von Angst und Versprechen. Sie „shanghait“ durch ein System von Zwangsabgaben immer größere Teile unseres Einkommens. Und winkt mit längerem Leben durch Anti-Aging und Fortschritten bei der Gerontologie. Natürlich will ich auch nicht „vorzeitig sterben“. Aber was hilft es mir, wenn ich die letzten Jahre nur dahin vegetiere? Kann die Länge eines Lebens überhaupt ein Kriterium für ein erfülltes Leben sein?

Ich schreibe das nur, weil ich mich (wieder mal) wie ein unmündiger Konsument behandelt fühle. Ich mag aber nicht immer mehr für dumm verkauft werden.

RMD

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