Der deutsche Psychologe und Philosoph Karl Jaspers, später zum Schweizer Staatsbürger geworden, hat sich in seinen letzten Lebensjahren (Ende der 60iger) mit der Zukunft der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt.
In seinen beiden letzten Büchern schreibt er, dass die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland sich zu einer Oligarchie der Parteien entwickeln könne.
Dies hat ihm große Sorge bereitet. In der Zeit habe ich dazu einen sehr lesenswerten Artikel vom Februar 1983 von Rolf Hochhuth gefunden.
In IF-BLog hatten wir vor kurzem eine Diskussion, „wie gut Politiker“ sind. Ich meine, dass das die falsche Diskussion ist. Wir haben in der Bundesrepublik nicht das Problem von „schlechten Politikern“.
Vielmehr besteht eine systemische Gefährdung durch die Oligarchie der Parteien, die sich im Lauf der Jahre schleichend entwickelt und verfestigt hat. Sie hat mittlerweile das gesamte gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben des Landes durchdrungen. Genau davor hat Karl Jaspers gewarnt. Seine beiden letzten Bücher (eines habe ich unten erwähnt) sind Pflichtlektüre für jeden Demokraten.
Dabei unterschätzen Politiker und Lobbyisten den Bürger.
Bürger sind dümmer als die Politiker?
Das ist ein weiteres kollektives Vorurteil mancher Politiker. Deshalb vermeiden sie unbequeme Themen, bloß den Bürger nicht verunsichern. Und verteilen Geschenke, die die Bürger zwar annehmen, auf die sie aber nicht reinfallen. Vor dem mangelnden Zutrauen an den Bürger rührt auch die große Angst vor „direkter“ Demokratie. Ich dagegen meine, dass direkte Demokratie immer gut tut. Die Schweiz belegt dies auch. Also:
Das Volk ist klüger als die Regierenden!
Denn das Kollektiv des Volkes hat fast immer mehr Gespür für den Ernst der Situation und richtiges Handeln, als es Parteien und Politiker für möglich halten. Und es ist deshalb bereit, auch harte Maßnahmen zu akzeptieren, von denen Politiker meinen, dass sie nicht vermittelbar sind und ihre Wiederwahl gefährden würden.
So vertreten Politiker oft bewusst populistische Standpunkte, um ihre Wiederwahl zu sichern. Dabei haben sie aber oft völlig falsche Annahmen, was das „gemeine Volk“ so will.
In Deutschland ist es besser als überall auf der Welt.
Gelegentlich höre ich, dass wir in der BRD mit unserer demokratischen Kultur und der Kompetenz unserer Politiker im Vergleich zu vielen Ländern in einer guten Position wären. Deshalb solle man nicht so viel an unserer Demokratie und unseren Politikern herum nörgeln. Das sehe ich genauso. In sehr vielen Ländern stehen die Dinge schlechter als bei uns.
Aber, wie mein Freund Franz-Josef mal gesagt hat: „Wenn man die Lorbeeren am Hintern trägt, dann ist dies der falsche Ort“. Wir sollten uns also auf unseren Verdiensten nicht ausruhen, sondern alles daran setzen, besser zu werden.
Politische Eliten?
Meine Wahrnehmung ist, dass wir in Deutschland doch über viel wirkliche „Elite“ im positiven Sinn verfügen. Da gehören Politiker, Unternehmer, Lehrer genauso wie viele, viele Menschen in verschiedensten Berufen und Rollen dazu.
Politische Meinungsbildung und Streben nach dem Erhalt der Macht.
Die Deutschen Parteien erfüllen ihren Verfassungsauftrag der politischen Meinungsbildung nicht mehr. Machterhaltung, Karriere-Ambitionen und Populismus sind wichtiger als die Entwicklung vernünftiger Programme. So wird eine reflektierte Diskussion unserer Werte behindert und das notwendige Umdenken wie der zwingend notwendige gesellschaftliche Wandel im Umbruch der Zeit verhindert.
Fraktionszwang
Ein weiteres Problem unserer Demokratie erscheint mir der nicht verfassungskonforme Fraktionszwang. Es wird behauptet, dass ohne ihn Regieren unmöglich werden würde. Ich weigere mich, so pessimistisch zu sein. Die Abgeordneten sollten ihre Stimme immer unabhängig und ihrem Gewissen folgend abgeben dürfen. Die wenigen Abstimmungen, die „ohne Fraktionszwang“ durchgeführt worden sind, haben die besten Ergebnisse gebracht.
Obwohl bei uns vieles gut ist, gibt es viel Verbesserungspotential. So muss ein bewusster kontinuierlichen Prozess der Verbesserung gestartet werden.
Und dazu wünsche ich mir Parteien und Politiker, die nicht den Erhalt der Macht als oberstes Ziel haben. Das ist natürlich schwierig, wenn gleichzeitig die Wahrung von Besitzstand zum dominierenden gesellschaftlichen Wert (fast) aller Bürger geworden ist.
Wir müssen alle über unsere uns wirklich wichtigen Werte nachdenken und uns selbst kritisch reflektieren. Ich hoffe, dass das Internet als Plattform für Diskussion und Meinungsbildung hierzu einen positiven Beitrag leisten kann.
RMD
Buchhinweis:
Besonders lesenswert empfinde ich Karl Jaspers Werk „Wohin treibt die Bundesrepublik ? “ mit dem Untertitel: „Tatsachen – Gefahren – Chancen“.
Das Buch ist erschienen 1966 im Verlag R. Piper & Co, München, es gibt auch eine Veröffentlichung beim „Deutscher Bücherbund“, Stuttgart, Hamburg.
P.S.
Das Bild vom Bundestag wurde am 32. Mai 2002 anläßlich einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages mit einer Ansprache von US-Präsident George W. Bush im Reichstag in Berlin.
Dieses Bild ist die Arbeit eines Mitarbeiters des Executive Office of the President of the United States, das im Rahmen seiner Arbeit aufgenommen wurde.
As a work of the U.S. federal government, the image is in the public domain.