Ich habe öfters hier im Blog von meinen tollen Erlebnissen im Torturmtheater (TTT) von Angelika Relin zu Sommerhausen berichtet. Bei der Suche nach Torturmtheater finde ich in IF-Blog zehn Artikel. Da waren viel zeitgenössische und besondere Stücke dabei, die mich manchmal traurig aber öfters glücklich machten.
Ein ganz wunderbares Stück im Mai 2019 war zum Beispiel BILDER DEINER GROSSEN LIEBE von Wolfgang Herrndorf, als Ein-Frauen-Stück präsentiert von der großartigen Isabel Kott. Das hat mich mindestens so beeindruckt wie die love letters, die 1990 der Hit an den Münchner Kammerspielen waren.
Was macht das Torturmtheater (TTT oder 3T) so besonders?
Die Auswahl der Stücke durch Angelika Relin ist die Basis für die Klasse des Torturmtheaters. Sie sucht und findet herausragende zeitgenössische Stücke, oft von Frauen geschrieben, die sich an der Zeit reiben und zum und in das Theater passen. Sorgfältig ausgesuchte Regisseure und Schauspieler veredeln dann die Texte der Autoren zu einem großen Theater des Lebens. Dazu kommt das märchenhafte Karma des Ortes Sommerhausen am Main wie des Gebäudes und seiner Räume. Das alles zusammen macht Qualitätstheater aus.
Und 2020 kam Corona
Gegen Corona ist das alles machtlos. So war auch im Torturmtheater Schluss mit Theater. Das hat mich getroffen, genieße ich doch sehr die Ausflüge mit Barbara nach Sommerhausen. Seit Jahren sind das wunderschöne Ein-Nacht-Urlaube für unsere Seelen.
Das Hygenie-Konzept der Chefin
So mußte Angelika Relin ein Hygiene-Konzept gegen Corona entwickeln und so das das Weiterspielen möglich machen. Dazu zog sie aus den kuschligen Theaterraum um in das wunderschöne und geräumigere Foyer um.
Auf dem Bild kann kann man gut die Bestuhlung in Form von 1er- und 2er Inseln erkennen. Das Theater ist so noch schöner geworden. Der Nachteil ist nur, dass jetzt noch weniger Zuschauer in den Genuss der Vorstellungen kommen dürfen als vor Corona im kleinen Theaterraum im Turm. Die Zuschauer erleben jetzt echtes Business Class Theater.
Was macht das Foyer so besonders?
Das Foyer schmücken von Veit Relin gemalte Bilder. Leider kannte ich den großen Schauspieler und Maler nicht persönlich. Aber wenn ich seine Bilder betrachte, dann fühle ich, wie sehr Veit Relin das Leben geliebt hat. So malte er gerne Menschen und Tiere – diese vorzugsweise in ihrer natürlichen Umgebung – aber auch Blumen und Landschaften.
Im Foyer finden wir unter anderem Portraits berühmter Persönlichkeiten und Aktzeichnungen. So werden viele Geschichten erzählt, die den Raum verzaubern. Beim Eintauchen in die Bilder fühle ich den schnellen, aufregenden und aufgeregten Strich, mit denen der Maler Veit Relin seine Gesichter, Körper, Tiere, Pflanzen und Landschaften festgehalten hat. Er hat gesagt „Alles was sich zeichnen läßt ist schön“. So faszinieren mich seine Bilder bei jedem Wiedersehen.
Zeitgenössische Theaterkunst in stilvoller Umgebung.
Was schreibe ich, es ist vielmehr First-Class-Theater. Und das zu Economy-Preisen unter 20 €. Das ist ein echtes Schnäppchen und viel zu wenig, denn die gute Stunde, die eine Aufführung so ungefähr dauert, bietet so viel, dass 200 € für die Karte immer noch gerecht wäre wären. Qualität hat ihren Preis hat. Den hat sie verdient und den sollte man auch bezahlen. Das wäre nur fair.
Der gebotene Abstand bleibt gewahrt, dennoch ist man hautnah dabei. Das Foyer wird zum einem Teil des Stücks, man fiebert, leidet und feiert mit den Protagonisten mit. Mitten in der einzigartigen klassischen Atmosphäre des Raumes werden die Besucher zu einem Teil des Stücks.
Und noch eine Innovation!
Angelike Relin hat neben dem Verlegen des Geschehens ins Foyer noch etwas verändert. Bis 2020 gab es jedes Jahr vier Inszenierungen. In 2020 gibt es nur drei. Die habe ich alle gesehen. Sie waren alle einzigartig. Neu ist, dass es kein viertes Stück gibt. Weil im November und dann nochmal im Dezember die drei Stücke des Jahres 2020 nochmal gespielt werden!
Das finde ich super, so habe ich die Chance, das eine oder andere ein zweites Mal anzuschauen. Das mache ich auch, ich muss mir nur rechtzeitig die Katen bestellen.
So gut diese Idee ist, hat sie leider nich ganz geklappt. Corona-bedingt können nur zwei der drei Aufführungen dieses Jahr im November und Dezember noch mal gespielt werden. Am Ende des Artikels nenne ich die Termine.
Die Vorstellungen in 2020
Ich erzähle jetzt von diesen drei Vorstellungen. 2020 war ein Jahr der zeitgenössischen Stücke. Alle hatten einen sehr direkten Bezug zu den aktuellen Problemen der Welt und unserer Gesellschaft. Trotz eines wertigen Tiefganges waren alle beste Unterhaltung mit einem besonderen Humor, der uns an vielen Stellen schmunzeln läßt
Vom 9. Juli bis zum 1. August gab es eine Uraufführung:
Amelie Heiler, Ercan Karacayli
Die schönste Frau der Welt
Es spielt
Amelie Heiler
Regie Ercan Karacayli
Amelie Heiler – engagiert, jung, schlagfertig. In einem spannenden Mix aus Kaberett und Theater stellt sich die schönste Frau der Welt den wichtigen Fragen ihres Single-Lebens zwischen Tinder, Sex und dem wahren Leben und dabei ist sie immer auf der Suche nach der Liebe und dem großen Glück. Die Herausforderungen des Millennial-Daseins sind enorm und die großen Fragen zwischen Fminismus, Politik und Klimaaktivisms müssen ebenfalls beantwortet werden. Oft kommt sie sich vor wie Don Quijote oder Sysiphos, und manchmal lastet die Welt auf ihren Schultern.
Mit sehr viel Charme, dem nötigen Humor und ungebrochenem Siegeswille ist Amelie Heiler in tatsächlich erlebten Geschichten und schönen Lügen die schönste Frau der Welt. So bunt wie ihr Leben ist auch dieser Abend. hashtag #schönergehtsnicht.
Amelie Heller, geboren 1994 in Oberschwaben. Als sie 13 war, brachte ihr Mutter aus einem Urlaub ihre afrikanische Adoptivschwester mit und eröffnete in Ravensburg das „African Queen“, ein afrikanisches Geschäft mit Mittagstisch. Dadurch geprägt wuchs sie mit einer Vielfalt an Kulturen, sowie Menschen auf. Mit 16 ging sie für zehn Monate in den USA auf die High School und lebte bei Mormonen. Später zog sie nach München und studierte dort Schauspiel.
Die schönste Frau der Welt ist ihr erstes, zusammen mit Ercan Karacayli geschriebenes Solo-Programm.
Meine Anmerkung:
Frischer weiblicher Wind im mittlerweile oft trögen deutschen Kabarett. Gleichzeitig Spitzen-Theater mit intelligenten und erotischen Tabu-Brüchen. Kommt im „erotischen“ Foyer besonders gut zur Geltung.
Vom 8. August bis zum 26. September wurde ein perfides, aufregendes und lustvolles Duell gegeben:
Holger Böhme
Die meisten Afrikaner können nicht schwimmen
Es spielen
Katharina Friedl und Armin Hägele
Regie Oliver Zimmer
Ausstattung Angelika Relin
Dieser Segeltörn sollte ein harmloser, heiterer Ausflug werden. Chillen, Zeit miteinander ver-bringen und vor allem die Liebe wieder etwas aufpolieren. Plötzlich ein Notruf – die Gedanken und Ereignisse überstürzen sich, man muss handeln, helfen. Und dann sind sie an Bord, die drei Afrikaner, und die Zweifel wachsen so schnell wie die Fragen. Sind das wirklich Schiffbrüchige oder doch Schleuser, Zuhälter, Kriminelle? – Ihr Leben oder unseres!
Mit ihrer Entscheidung müssen Anja und Michael nun leben und sitzen hier auf dem Podium, fest entschlossen alles auf den Tisch zu legen. Denn insgeheim erhoffen sie sich für ihre Gewissensnot die Absolution des Publikums.
Meine Anmerkung:
Beste Live Reality im Theater! Ist das die Zukunft des Fernsehens? Ein absolutes Highlight im Foyer des Torturmtheaters.
Vom 1. Oktober bis zum 31. Oktober war ein freches Kunst-Stück zu sehen.
Nick Hornby
NippleJesus
Es spielt
Patrick Pinheiro
Regie Ercan Karacayli
Knieen und beten verboten! NippleJesus hängt in einer Galerie und löst heftige Kontroversen aus. Ist das nun große Kunst oder provozierender Schund? Fragen wir doch mal Dave. Denn wer könnte mehr darüber erzählen, als der Typ, dessen Aufgabe es ist, den NippleJesus vor Vandalismus und Zerstörung zu bewahren.
Für Dave, nix gelernt und früher Türsteher gewesen, ist das anfangs nicht gerade der Traumjob, doch „wie schwierig kann’s schon sein, vor einem Bild rumzustehen“. Motzende Priester und betende Spinner lassen ihn aber auf unkonventionelle Ideen und eigene Gedanken kommen, und schon ist er selbst Teil der Installation …
NippleJesus ist eine schräge Kunstbetrachtung des britischen Kult-Autors Nick Hornby, die uns in ihren Bann zieht. – Eine humorvolle Auseinandersetzung mit der Frage „Was ist Kunst“? Die ehrliche Antwort darauf hat nicht ein Experte, sondern der Banause, der sonst mit Kunst nichts am Hut hat!
Meine Anmerkung:
Ein Stück, dass nicht nur Scheinheiligkeit entlarvt. Sondern mit einfachen Gedanken aufzeigt, dass Kunst nicht etwas Intellektuelles sein sondern aus dem Herzen kommen sollte.
Die inversen Textteile in den Stückbeschreibungen waren die Originaltexte des Torturmtheaters.
„Und zwei dieser drei Stücke gibt es im November und Dezember nochmal zum Anschauen!
Hier die Termine des Jahresendes
„Die meisten Afrikaner können nicht schwimmen“
bekommen noch drei Kurzspielzeiten:
3. – 14. November,
24. – 28. November und
8. – 19. Dezember.
„Die schönste Frau der Welt“
bekommt noch zwei Kurzspielzeiten:
17. – 21. November und
1. – 5. Dezember.
Ich empfehle, macht Euch schon ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk und bestellt ganz schnell eine Karte für Euch und Euren Liebsten oder Eure Liebste! Am besten mit Übernachtung in Sommerhausen.
Warnung!
Leider fallen alle Novembertermine aus.
Ursache ist die Weisheit unserer Herrschenden, die lustvoll uns lustfeindlich entmündigen (meine private Meinung).
RMD