Der Feurich-Bau, das war ein besonders altes und unscheinbares Gebäude im Norden des Siemens-Stamm-Geländes in München an der Hofmann-Straße. Im Souterrain war das „Versuchsfeld“. Hier standen unsere „Erlkönige“, die ganz neuen und hochmodernen Prototypen der diversen Transdata-Rechner (1978). Lange habe ich gerätselt, warum der Feurich-Bau so hieß, bis mich ein älterer Kollege aufklärte, dass der Feurich-Bau ursprünglich nicht Teil des Siemensgeländes war, sondern eine benachbarte Keksfabrik, die dann aufgekauft und dem Siemens-Gelände zugeschlagen wurde.
Im Feurich-Bau standen immer die neuesten Vorrechner, Netzknoten- und Datenstationsrechner der Serie 96xx (Transdata war das Gegenstück von Siemens zu SNA – System Network Architecture von IBM). Getestet wurde direkt an den Maschinen. Am Rechner gab es ein Bedienfeld, da konnte man den Befehlszähler eingeben, an dem das Programm anhalten sollte und dann die Inhalte der Register bzw. des Speichers anschauen. Und natürlich gab es auch die Möglichkeit eines WIM (write in memory) in Form von Eintippen hexadezimaler Werte (Zahlen mit den „Ziffern“ 0 – F). Das Testen war mühsam, hat aber richtig Spaß gemacht. Später hatten wir auch den „kleinen“ DUP-MP“, das war das interne Kürzel für die neuen DatenUebertragungsRechner basierend auf MicroProzessoren. Da wurde der 96xx-Assembler in einer Mikroprozessor-Sprache „software-mäßig“ emuliert. Zur Verwunderung mancher Fachleute war das MP-System trotz der Emulation schneller als die Transdata-Systeme.
Schon als Werkstudent viele Jahre vorher war ich regelmäßig im Feurichbau (ab 1972). Da standen in der ersten Hälfte der 70iger Jahre die schnellen Prozeßrechner der 300-Serie. Die 306 war mein persönlicher Liebling, leider aber nur selten für mich verfügbar. Die 300er hatten einen sehr schönen 6-Bit-Assembler mit zwei Akkumulatoren, einem „linken“ und einem „rechten“. Die hießen aber nur so, weil es im Assemblersheet zwei Spalten mit jeweils einem Zeichen gab. Wenn man in der linken Spalte ein Hochkomma setzte, dann wurde der linke adressiert und entsprechend wurde der „rechte“ Akkumulator durch ein Hochkomma in der rechten Spalte angesprochen. Natürlich durfte man nicht beide Spalten gleichzeitig markieren. Und da das Byte nur 6 Bit hatte, mussten wir natürlich oktal rechnen (0-7). Der Assembler hatte übrigens den wunderschönen Namen PROSA.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich am Flohmarkt zur Jahrtausendwende ein Originalmanual PROSA der Siemens AG fand und den schon längst vergessenen Assembler wieder entdeckte. Negativ an dieser Zeit im Feurich-Bau habe ich eigentlich nur in Erinnerung, dass ich immer wieder – meistens spät in der Nacht – mit einem Lochstreifenstanzern kämpfte, mit dem die getesteten Programme gesichert wurden. Da gab es so einen Codeschalter, und irgend jemand hat den immer verstellt, dummerweise habe ich das öfters erst nach der Erstellung des Lochstreifens gemerkt. Und ich kann mich noch gut an meine Verzweiflung erinnern, als wir einmal bei starken Regenfällen einen Wassereinbruch hatten, und das kalte Wasser einen termin-kritischen Test unmöglich machte. Später hatte ich dann mal einen Fall, dass aus einem wassergekühlten Mainframe das Wasser auslief und so den Test abrupt stoppte. Das war allerdings in einem anderen Rechenzentrum, das bestens gegen Wassereinbruch von außen geschützt war.
À propos kaltes Wasser: In den 70iger Jahren wäre es unvorstellbar gewesen, dass auf einem WC bei Siemens ein Waschbecken fließend warmes Wasser gehabt hätte. Alle Waschbecken, die ich im Gelände Hofmannstraße kannte, hatten damals nur kaltes Wasser. Und vielleicht war es auch besser, habe ich doch gelesen, dass man am wenigsten Erkältungen hat, wenn man sich die Hände häufig mit kaltem Wasser und ohne (!) Seife wäscht (und zweimal am Tag 20 Minuten an der frischen Luft ist). Ja, die Seife auf den WC’s war oft aus und die frische Luft hatten wir auf dem Weg von der Koppstraße oder Ortenburgstraße zum Feurichbau auch! Vielleicht waren wir auch deshalb damals eigentlich nie krank.
In der nächsten Folge berichte ich über den Einsatz von Knoblauch bei der SW-Entwicklung und wie man damit auch Ärger bekommen kann.
RMD