Vor kurzem schleppte Roland Dürre einen Stapel Bücher an – lauter gut erhaltene Exemplare eines Werkes von Gerhards Saeltzers mit dem Titel „erstaunliche Computerwelt“.
Rolands Kommentar dazu war: „Ich kaufe jetzt den Markt leer, dann können wir mit diesem Buch auch die ganz jungen Talente für die Informatik gewinnen“.
Ich gebe zu, als ich das etwas vergilbte Umschlagbild sah, erschien mir der Gedanke etwas verwegen. Aber als wir dann zu zweit mit kräftigem Schmunzeln Seite um Seite umblätterten, stellten sich doch ein paar wunderliche Gedanken ein, in etwa dieser Reihenfolge:
1. Soviel hat sich gar nicht verändert
Selbst Stift-Eingabe und Spracherkennung kommen in diesem Buch von immerhin 1988 schon vor.
Auch wenn die Abbildungen einen gewissen nostalgischen Charme haben und noch in der DDR gedruckt wurden, vermitteln sie einem das Gefühl, wie man es manchmal vielleicht bei altem Blechspielzeug empfindet: nicht modern, aber liebenswert. Und in unserem Falle mit einem echten Nutzwert versehen, denn der nächste Gedanke war:
2. Man kann Computer durchaus noch von Grund auf verstehen
Die moderne Klage, dass man früher noch vom Microchip bis zum Anwendungsprogramm alles verstehen konnte, ist verständlich. Und natürlich gibt es heute mannigfache, komplexe Feinheiten, die nur noch Speziallisten vertraut sind. Aber die grundlegenden Zusammenhänge der verschiedenen Schichten eines IT-Systems lassen sich durchaus noch durchdringen, und zwar „für Leser von 12 Jahren an“, wie der Klappentext geradezu rührend und ermutigend beschreibt. Daraus folgt:
3. Erfahrung macht klug, manchmal aber auch blind
Auch denen unter uns, die sich in die Feinheiten von JEE und .Net vertieft haben, bietet eine kurze Pause und Besinnung auf die Wurzeln wahrscheinlich Entspannung. Man sieht die einfachen Grundlagen und ihre Wirkung im praktischen Leben vor sich: Letztendlich sind es alles nur Nullen und Einsen, aber sie können vieles bewirken.
Ich brachte letztendlich ein Exemplar mit nach Hause, für einen simplen Praxistest. Der Kommentar der dortigen Nachwuchskräfte lautete sinngemäß in etwa so: „Das Titelbild sieht ja richtig alt aus“ – Pause, blättern, Stirnrunzeln, grinsen, weiterschmökern – „ … aber innen ist es cool“.
Was will man mehr!
CST
Anmerkung von Roland Dürre:
Das Buch haben wir im September 1990 bei einer InterFace-Veranstaltung (gleich nach der Wende) in Dresden gefunden. Der Autor hat gemeinsam mit InterFace die „Erste deutsch-deutsche Fachtagung für moderne Software und Computer Systeme SoftSys“ organisiert. Was InterFace dort gemacht und was wir alles erlebt haben, davon berichte ich in einem eigenen Beitrag.
Mir hat das Buch so gefallen, weil es auf anschauliche Art und Weise Informatik beschreibt. Man versteht auch die Basis von Informatik sehr gut, und geht dabei in eine Tiefe, die ich heute bei manchem Absolventen eines Informatik-Studiums vermisse.
7 Antworten
Herzlichen Dank, Herr Stierlein, für diese freundliche Rezension, in die ich zufällig am 15.2.2014 entdeckte.
Das Buch erschien in 2. verbesserter Auflage 1992 bei Kreativdidakt. – wieder mit dem Demonstrationscomputer FIX, einem Ausschneidebogen, mit dem man – hört, hört – programmieren und Programme testen kann. Wahrscheinlich der billigste bekannte Übungs-Computer zum Programmieren (Preis ca. 10 Ct). Erstaunlich: In keiner Rezeption taucht Fix auf…
Bleiben Sie schön gesund und munter!
Viele Grüße
Dr. Gerhard Saeltzer aus Dresden
Den Fix Übungscomputer habe ich nie so richtig verstanden. Es waren im Text keine Informationen enthalten wie er funktioniert. So entsteht Frust.
Ich wollte in meinem privaten Blog auch einen kurzen Beitrag über das Buch bringen als nostalgischer Rückblick in meine Kindheit. Dabei wollte ich auch einige Fotos vom Buch zeigen. Dafür bräuchte ich aber die Erlaubnis des Autors. Ich habe aber bis jetzt keine Möglichkeit zum Kontakt mit Dr. Saeltzer gefunden.
Ich greife deswegen nach diesem Strohhalm und Frage in diesem Blog nach. Vielleicht liest ja Dr. Saeltzer noch mit.
Lieber Herr Hedler, Dr. Gerhard Saeltzer lebt in Dresden, ich habe ihn aber schon seit längerem nicht mehr kontaktet. So wie ich ihn kenne, freut er sich, wenn Sie sein Buch reszensieren.
Haben Sie eigentlich die neue (zweite) Ausgabe? Laut Dr. Saeltzer wurde sie nach dem Druck zur Wende kompelett vernichtet. Aber vielleicht wurde doch etwas gerettet? Ich habe nur die erste Auflage.
Vielleicht gelingt es über
https://www.huffingtonpost.de/author/gerhard-saeltzer/
mit Gerhard Saeltzer Kontakt aufzunehmen. Ich probiere es mal.
Vielen Dank für Ihre Mühe. Ich habe, nach Ihrem Hinweis, ebenfalls bei der Huffington Post nachgefragt.
Ich habe die erste Auflage von 1988. Bei meiner Ausgabe sind außerdem die Seiten 17 bis 32 doppelt. Dafür fehlen die Seiten 33 bis 48 🙂
Ich habe noch recherchiert und nichts mehr zum Gerhard S. gefunden. Leider.