Zur Corona-Zeit habe ich ein wenig mehr Zeit als sonst. Die nehme ich mir zum Bücherlesen und Radfahren.
Zurzeit lese ich ein besonderes Buch. Es wird am 05. Mai 2020 in Deutschland und Österreich im Oekom-Verlag erscheinen. Ich darf es schon jetzt auf Deutsch lesen, weil ich eine Rezension schreibe.
Im Jahre 2018 ist das Buch in englischer Sprache erschienen mit dem Titel:
Anthropocene:
A Very Short Introduction
Der Autor ist Erle C. Ellis. Übersetzt wurde es aus dem Englischen von Gabriele Gockel.
Eigentlich wollte ich die Rezension gemütlich bis Ende April (zum Erscheinungstermin des Buchs im Mai) fertig stellen. Das Buch ist aber zu spannend und hat mir schon kräftige Impulse beschert. Die gut zu den aktuellen Ereignissen passen.
Die deutsche Version habe ich seit gestern in der Mangel. Jetzt habe ich schon das Kapitel „Die große Beschleunigung“ erreicht und bin so auf Seite 80 (von 256) angekommen – inhaltlich im Zeitalter der Siedler und Bauer.
So kann ich es nicht lassen und muss einfach eine Art „Zwischenrezension“ schreiben. Obwohl ich ja erst ein Drittel des Buchs gelesen habe.
I
In diesem erstem Drittel macht der Autor knapp und bündig klar, was für ein wundervolles Ding dieser unser Planet ist. Wie er wissenschaftlich erforscht wurde, und wie schwer es Wissenschaftler wie Darwin, Kopernikus und andere hatten, sich gegen die Theorie des Kreativismus des James Ussher durchzusetzen.
Nach dieser wird ja bekannter weise der Schöpfungszeitpunkt auf Sonntag, den 23. Oktober 4004 v. Chr. (Julianischer Kalender) datiert; dies entspricht dem 21. September im heute gültigen Gregorianischen Kalender, etwa der Herbst – Tagundnachtgleiche (laut Wikipedia).
D.h. dass die Erde dann im September dieses Jahres 6024 Jahre nach Bischof Ussher alt wird. Laut Statistiken ist das auch heute noch der Glaube der Hälfte aller US-Amerikaner. Irgendwie ist das unvorstellbar. Wobei es in USA ja auch noch Schulen geben soll, in denen die Lehre der Evolutionstheorie verboten sein soll.
Das an sich finde ich schon schlimm genug. Noch schlimmer aber ist, dass ich einen bemerkenswerten Aspekt unseres Planeten erst durch dieses Buch entdeckt habe. Diesen will ich als einzigen anläßlich dieser Vor-Rezension beschreiben und ein wenig kommentieren; den Rest behalte ich mir für die abschließende Reszension vor.
Was ist mir klar geworden?
Eines der vielen genialen Konstrukte unseres Planetens ist:
Die Besonderheit der Atmosphäre!
Mein ganz einfaches Bild geht so:
Der Planet versorgt uns und das meiste Leben auf ihm mit Sauerstoff. Alles was kreucht und fleucht braucht Energie. Die Energie erzeugen wir Lebewesen vereinfacht aus zwei Komponenten. Wir verbrennen Kohlenstoff/Wasserstoff mit Hilfe von Sauerstoff.
Für die erste Komponente sorgen wir durch den komplizierten Prozess der Ernährung. Diesen Stoff (Kohlen- und Wasserstoff) tragen wir in uns, um ihn bei Bedarf zu verbrennen. Den zweiten in großer Menge benötigten Stoff holen wir Menschen dann bei Bedarf – wie viele Landlebewesen – aus der Atmosphäre. Ein Teil unserer Mitlebewesen, die im Wasser wohnen (die Fische), holen den Sauerstoff auf genauso geniale Art- und Weise aus dem Wasser. Das machen wir über genial einfache aber sehr effiziente Prozesse mit unseren empfindliche Organen, Lungen oder Kiemen.
Jetzt betrachte ich nur mal die Luft. Ist das nicht genial, dass wir einen wesentlichen Teil unserer Energie – den Sauerstoff – mit ein bisschen Atmen direkt aus der Luft kriegen, dies überall, ganz gleich wo wir sind? Wir müssen so den Sauerstoff nicht mit uns rumschleppen. Was für eine geniale Voraussetzung für Mobilität!
Das bedeutet aber auch, dass ohne Luft der Tod sehr schnell eintritt.
Und was macht der Mensch. Er nutzt dieses Prinzip brutal für seine Technik. Und baut seit Jahrhunderten Wärme- und Kraftmaschinen, die das genauso machen, nur in ganz anderen und immer größeren Dimensionen, als Lebewesen dazu in der Lage wären.
Und er nutzt das Prinzip nicht nur für mobile Maschinen (da könnte man es ja noch teilweise rechtfertigen), sondern auch für zum Beispiel stationäre Großkraftwerke. Und baut da immer noch neue, die z.B. Kohle verbrennen! Die benötigten fossilen Brennstoffe transportiert er dazu auch noch über die halbe Welt z.B. vom Inneren Australiens ins Innere von Europa. Unfaßbar und unvorstellbar.
Was für ein Schwachsinn. Da kommt ja auch der Gedanke auf, dass die „fossilen Energien“ ja durch das Erzeugen der Atmosphäre (auch wieder vereinfacht) entstanden sind. Was passiert dann wohl, wenn wir sie jetzt alle wieder verbrennen?
Ein zweiter häßlicher Nebeneffekt ist, dass unsere Sauerstoff benötigenden Maschinen bei ihren Aktivitäten zusätzlich noch die Atmosphäre im großen Stil verschmutzen. Das tut unseren Lungen gar nicht tut. Und den Kiemen der Fische im Wasser gehts ähnlich.
In meiner Logik:
Wir bauen Maschinen, die die Basis unseres Lebens zerstören. Und jetzt in der Korona-Krise, wo wir bemerken, dass ein Virus unsere (vom Dreck geschwächten) Lungen angreift, fallen wir in Panik. Und sollten eigentlich lernen, was wichtig ist.
Mitten in der Corona-Panik höre ich dann zwei aktuelle Nachrichten:
AKK will Eurofighter und F-18 beschaffen.
(Deutsche Welle)
In dieser Meldung geht es darum, dass „das Verteidigungs-Ministerium die veraltete Tornado-Flotte der Luftwaffe mit bis zu 93 weiteren Eurofighter-Jets sowie 45 F-18-Kampfflugzeugen ablösen will“.
So etwas wird in der Corona-Krise publiziert. Das jostet noch mal Milliarden. Das wir de fakto dank „des Kampfes gegen Korona“ insolvent sind und unser wirtschaftliches Funktionieren beschädigt ist, wird völlig vergessen.
Hallo, wir sind pleite!
Und neue Bedrohungen stehen am Horizont. Wie zum Beispiel eine Dürre. Die wahrscheinlich dann wieder durch ein paar saftige Überschwemmungen unterbrochen wird. Aber die betrifft ja nur das Getreide und die Natur. Dinge, die in unserer modernen Welt keinen so hohen Stellenwert haben.
Unser Essen kommt aus dem Supermarkt, da zahlen wir mit dem Euro. Und das Futter kommt irgendwo aus der Welt. Wir wissen zwar nicht woher, weil das nicht draufsteht. Also, keine Sorge und weiter so.
Kampfflugzeuge sind genau solche Maschinen, die den Planeten ruinieren. Ihr einziger Zweck ist es, Menschen und Infrastruktur zu vernichten. Das müssen sie üben, so vernichten sie auch im Frieden Unmengen fossiler Brennstoffe.
Aber wehe es ist Krieg! Dann produzieren sie die Hölle auf Erden. Besonders die 45 F-18 Maschinen. Die sollen nur aus einem einzigen Grund gekauft werden, weil sie zugelassen sind für den Transport von amerikanischen Atombomben in feindliche Ziele.
Nur zu Info:
Aktuell verfügen wir über 226 Kampfflugzeuge, darunter 141 Eurofighter vom europäischen Hersteller Airbus und 85 Tornado-Jets. Die 85 Tornados sollen abgelöst werden. Mit 138 neuen Maschinen. Fünfzig Prozent mehr – das nenne ich Aufrüstung.
Kann das noch sein? Selbst wenn man den Nutzen für zwingend notwendig hält, ist es absurd, Atombomben mit bemannten Werkzeugen zu transportieren. Drohnen können das viel besser, sie haben keinen Ballast „Mensch“ dabei und sind auch zuverlässiger als dieser.
Ich bin traurig, dass bei solchen Nachrichten nicht sofort ein lauter Aufschrei durch Deutschland geht. Und AKK aus dem Amt gejagt wird.
Heute höre ich immer:
„Das Leben von Menschen geht über alles“
und
„Gesundheit geht vor“.
Gilt das auch für Atombomben werfende Kampfflugzeuge? Oder geht da das „Leben“ von Rüstungskonzernen und die „Gesundheit“ derer Bilanzen vor?
Ich hatte gehofft, dass uns die Corona-Krise gelehrt hat, dass wir auch mit weniger Flügen auskommen können und müssen. Und wenn wir schon unsere A380 Flotte stilllegen (müssen), dann sollten wir auch keine Militärjets in der Atmosphäre mehr dulden. Und absurde Sachzweck-Logiken über Bord werfen.
Die zweite Meldung ist eher lustig, Sie ist aus der Automobilwoche:
Bund finanziert Mietwagen für Klinik-Mitarbeiter
Und da geht es auch nur um 10 Millionen €, also „peanuts“. Ich zitiere:
Den Funke-Zeitungen zufolge werden dafür in den kommenden beiden Monaten zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Der Leihwagen dürfe höchstens 400 Euro im Monat kosten, 125 Freikilometer pro Tag seien eingeschlossen, heißt es in dem Bericht weiter. Beginnen solle das Förderprogramm am kommenden Montag. Die Anträge auf Förderung könnten von den teilnehmenden Mietwagenfirmen bei der Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen (BAV) eingereicht werden. Der Arbeitgeber müsse einen Arbeitsnachweis beifügen.
Scheuer machte deutlich, dass das auch der Wirtschaft helfen soll: „Damit nutzen und unterstützen wir die Mietwagenunternehmen, die derzeit einen massiven Einbruch erleben. Sie können nun günstige Angebote machen.“ Er sprach von einer „Win-Win-Situation für medizinisches Personal und Wirtschaft“.
Was soll ich dazu sagen?
So geht Corona-Politik! Gerade in Corona-Zeiten sollten wir nicht vergessen, dass wir die Nutzung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren ja eigentlich nicht mehr fördern wollten.
Aber zurück zum Buch, hier schon mal die Daten:
ANTROPOZÄN
Das Zeitalter des Menschen –
eine Einführung
(Aus dem Englischen von Gabriele Gockel)
2020 oekom verlag München
Copyright der Originalausgabe Erle C. Ellis, 2018
(Erscheinungstermin 05. Mai 2020)
Erle C. Ellis:
»Anthropozän. Das Zeitalter des Menschen – eine Einführung«,
256 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-96238-177-6,
18 Euro / 18,50 Euro (A). Auch als E-Book erhältlich.
Ich empfehle die Lektüre massiv!
RMD