Warum sind Sie als Teilnehmer dabei, was ist Ihr Ziel?
Das ist die Frage, die fast immer kommt, wenn man das erste Mal auf ein „die Persönlichkeit förderndes Seminar“ geht.
Und einmal habe ich als Antwort gehört
„Macht, Kohle und Frauen“.
Die erschien mir als ehrlich. Das scheint mir zumindest bei Männern im Normalfall zu zu treffen. Wen wundert es – auf solchen Seminaren habe ich fast immer nur Männer angetroffen. Das passt ja auch in unsere #metoo-Welt. Letzten Ende läuft es halt so wie es läuft.
Viele andere Antworten habe ich gehört. Die klangen auch schön. Meistens erschienen sie mir aber erstunken und erlogen. Dazu erzähle ich folgende Geschichte aus meinem Leben.
Man muss wissen, dass ich wie viele Manager und Berater im Laufe meines Lebens des öfteren auf Seminaren und Trainings war zur „Förderung/Bildung der Persönlichkeit für Führungskräfte und Manager“. Zu Beginn meines Berufsleben bei Siemens habe ich als ingenieurs-mäßiger Typ so etwas völlig abgelehnt und mich davor gedrückt.
Wie ich dann zur Softlab GmbH gewechselt bin hat sich das geändert. So kam ich so mit 30 zu einem Seminar bei TPM (Training Psychologische Management. Das Seminar war Pflicht. Wenn man „etwas werden“ wollte, musste man dran teilnehmen.
Ich ging sehr skeptisch hin – und kam begeistert zurück. Ab da habe ich mich vorgedrängt, wenn es die Chance gab einen Kurs „jenseits der Fachlichkeit“ zu bekommen. So kam ich auch zu Rupert Lay, der für mich sehr wichtig werden sollte. Wie auch zu weiteren Mentoren in meinem Leben.
Nicht nur als „newbie“ habe ich immer wieder erlebt, wie die „Trainer“ in der ersten Runde die Teilnehmer nach ihrer Erwartungshaltung gefragt haben. „Warum sind Sie denn hier bei mir“, so oder ähnlich war die typische Frage zum Einstieg ins Seminar.
Heute wende ich diese Frage selber an, weil ich meine, dass sie Sinn macht. Man lernt so die Teilnehmer ein wenig kennen und kann ihre Interessen und Bedürfnisse erfahren. Dem „Trainer“ ermöglicht sie, eine zu hohe Erwartungshaltung zu korrigieren. Zumindest regt die Frage zum Nachdenken an und kann gut als Übergang zu den wesentlichen Themen genutzt werden, die uns bewegen und in die sich die Teilnehmer einbringen sollen.
In einem meiner ersten Seminare bei einem prominenten Trainer habe ich folgende Antworten auf diese zentrale Frage gehört:
… ich habe Fehler und möchte einige davon abstellen …
… ich habe eine Reihe von Talenten, die ich ausbauen will …
… ich möchte endlich einen entscheidenden Karriere-Schritt machen, den ich schon lange anstrebe …
… ich möchte Klarheit über mein Leben gewinnen und Struktur in dasselbige bringen …
… ich strebe eine selbstständige und eigenverantwortliche Aufgabe an, weil mich mein aktuelles abhängiges Dienstverhältnis in dem systemischen Konzern, dem ich angehöre unglücklich macht …
Manche der Teilnehmer haben dann auf Nachfrage durch den Trainer länglich beschrieben, wie toll ihre Person und Position sei, und dass sie weiter „nach oben“ wollten. Und dass sie jetzt eben lernen möchten, wie sie noch besser und noch wichtiger werden können.
Das hat mich da schon ein wenig geärgert. Es war alles so unwirklich, künstlich, synthetisch. Vor mir war ein Mann (natürlich männlich) an der Reihe, der schon äußerlich den Erfolg zu verkörpern schien und der auch mir durchaus als „charismatisch“ vorkam. Er hat es ganz kurz gemacht:
Ich möchte mehr Erfolg haben!
Auf die Frage des Trainers, was er denn unter Erfolg verstehen würde, kam seine Antwort, wie aus der Pistole geschossen:
Erfolg? Das wäre für ihn mehr Macht, mehr Kohle (Geld), mehr Frauen – wobei ihm die Reihenfolge gleich wäre.
Wow! Das war es. Ich empfand diese Aussage irgendwie ehrlich als die der Vorredner, die mir jetzt als Heuchler erschienen. Vielleicht hat ihn diese Heuchelei genauso genervt wie mich.
Als letzter in der Runde ich dran. Weise entschloss ich mich zu sagen, dass
… ich mir da keine Gedanken gemacht hätte und das Seminar erst mal einfach so auf mich zukommen lassen möchte …
Diese auch nicht ganz ehrliche sondern sorgfältig abgewogene Aussage hat mir eine ganze Reihe von ziemlich auf mich herab schauende Blicke eingebracht. Ich konnte Unverständnis herauslesen. Wie kann man nur auf so ein teueres Seminar gehen, ohne jedes Ziel!?
Besonders von den „Heuchlern“ kamen diese Blicke. War auch kein Wunder, ich war damals der mit Abstand jüngste Teilnehmer und der Einzige in Jeans und Rolli. Ohne den feinen Zwirn, den die edle Runde trug. Aber ich hatte gelernt: Es geht um Macht, Geld, Sex. Das ist mir damals bewusst geworden. Und darüber lohnt es sich schon, ein wenig nachzudenken. Nicht nur wegen #MeToo.
Denn was ist Macht? Ich meine, Macht entsteht, wenn man besondere Persönliche Eigenschaften hat oder aufgrund von Position und von Besitz. Am besten ist es in unserer Gesellschaft, man verfügt über alles:
- Persönliche Eigenschaften
Positiv könnten dazugehören gutes Aussehen, eine angenehme Stimme, eine gewisse Körpergröße, elegante aber passende Kleidung, eine Anmutung von Authentizität, gute Bildung und Ausbildung, eine angenehmen Persönlichkeit, gute Manieren und natürlicher Autorität. Solche Menschen kommen schon sicher mal eher in gute Positionen als andere. - Position
Wichtige Positionen im Staat oder in wichtigen Institutionen „verleihen“ Macht. Die Macht des Amtes überträgt sich auf die Person. Systemagenten tun so, als ob die Macht des Systems, das sie vertreten zu ihrer eigenen geworden ist. - Besitz
Besitz macht mächtig. Andere wollen am Besitz teilhaben und unterwerfen sich deshalb dem Besitzenden. Ich habe übrigens mit Absicht Besitz und nicht Eigentum geschrieben. Denn es interessiert niemanden, ob das Imperium wackelt, wichtig ist, dass es leuchtet.
Unser Protagonist wollte also mehr Macht (also Persönlichkeit, Position und Besitz). Aber er wollte auch Kohle. Kohle als kumpelhaft genutztes Synonym für Geld. Wobei wir wieder bei der Macht sind.
Unserer Gesellschaft ist nur ein Grundrecht wichtig, das die Wahrung von Besitzstand. Wir haben auch einen Glaubenssatz: „Mit Geld kann man sich alles kaufen“. Auch die Macht. Man braucht nur genug davon. So werden Geld und Macht zum Synonym.
Unser Protagonist wollte aber auch noch Sex. Einfach weil er in seiner (oder in allgemeiner) Denke davon ausgeht, das man mit genug Macht und Geld alles bekommt. Auch alle Frauen.
Vielleicht wollte unser Erfolgs-Protagonist nur einen Witz machen. So wie bei Immobilien. Da gibt es drei zentrale Kriterien: Lage, Lage und Lage. Und vielleicht wollte er nur sagen, dass Macht, Geld und Sex in unserer #MeToo-Welt eh nur drei Synonyme sind (das selbe bedeuten) ? Oder vereinfacht Geld, Geld, Geld.
Ich fürchte, das kennzeichnet unsere Gesellschaft. Sie polarisiert. Geld macht Macht – und – Macht macht Geld. Und wer beides hat, hat alles. So läuft unsere Gesellschaft und der Planet gegen die Wand.
Und was machen wir? Wir regen uns über Sexismus auf. Dies wahrscheinlich sogar zu recht. Aber wir sollten wegen dem bisschen Sexismus die restliche Katastrophe nicht vergessen, die unsere Welt ruiniert (das mit dem Geld und der Macht …).
Als Mentor ist die genannte Frage übrigens auch gut zum Einstieg geeignet. So frage ich neue Mentées gerne, was sie von unser Mentoring als Ergebnis für die Zukunft sein soll. Da höre ich oft schönere Aussagen.
Auf die zentrale Frage hat mir ein junger Mann mal geanwortet, dass es sein Ziel ist, im Leben etwas gegen Verschwendung zu tun. Weil er „waste“ verabscheuen würde. Und dass man mich deswegen als Mentor für ihn ausgesucht hätte! Weil bekannt sie, dass ich auch keinen „waste“ mag!
Das stimmt und hat mich begeistert. Wir haben uns an die Arbeit gemacht. Und es wurde gut!
RMD
5 Antworten
Lieber Roland, ich erlaube mir einen kleinen Hinweis, der aus eigener Trainererfahrung seit 1996 herrührt: die Frage nach dem „Warum“ zwingt viele Teilnehmer in eine negativ konnotierte Weg-von-etwas-Antwort (und genau in diesen Kontext werte ich auch die Kohle-Weiber-Antwort). Frage ich hingegen „Wofür sind Sie hier?“, kriege ich eher selbststeuerungsaktivierende und selbst erreichbare Punkte (die nicht immer mit den Punkten, die der externe Sinnstifter des Trainings (also die Person, die mehr Sterne auf der Schulter hat), als bei der Frage nach dem „Warum“.
Danke!
Hallo,
ist Chris Wood im Urlaub?
Ich vermisse nämlich dessen Zwischenfrage,
„Haben die sich im Seminar geirrt?
Es hieß doch nicht: ‚Mehr Erfolg — Voraussetzungen und Techniken‘.
Persönlichkeitsentwicklung — ist das nicht letztlich eine Strategie, mit dem, was man hat, zufrieden zu sein?“
Ich persönlich bin ja eher der Meinung, daß man den Weg zur eigenen Persönlichkeit schon selber gehen muß.
Sonst ist man hinterher eine Blaupause von Heiko Maas.
Danke für den Kommentar!
Das war damals so:
Es gab ein Management-Institut Hohenstein, das war für die „Oberklassen“-Seminare berühmt. Und die Rubrik für die Top-Manager der Deutschland AG hieß Persönlichkeits-Entwicklung. 🙂 Und die Teilnehmer, von denen ich berichtet habe, waren auch lauter „Spitzenleute“.
Mehr „Erfolg – Voraussetzungen und Techniken“ gab es so oder so ähnlich auch, das war damals aber für das untere bis mittlere Management.
Persönlichkeitsentwicklung ist für mich der Versuch reifer, gelassener, weiser … zu werden, auch um zufriedener Sterben zu können …
Dear Hans,
How nice of you to think of me.
I am not really on holiday.
In 2018, I have had three heart operations, two minor, one major.
5 weeks later, I am recovering well.
If you want details, let me know