Digitalisierung auf Deutsch: Der BON.

Zum Jahreswechsel hat die neue „Bon-Pflicht“ im Einzelhandel ein wenig Furore gemacht. Denn ein vor drei Jahren (noch von der letzten Bundesregierung) beschlossenes und ziemlich veraltetes Gesetz dazu wurde am 1. Januar 2020 wirksam.

Deshalb ist der agile Altmeier am Jahresende erschrocken. Und wollte da noch schnell etwas ändern. Das Gesetz aussetzen oder zumindest verschieben. Aber die SPD hat ihn abblitzen lassen, indem sie auf den Koalitionsvertrag verwiesen hat.

Wahrscheinlich war das Ganze nur ein kluges Manöver vom schlitz-ohrigen Altmeier, um die SPD jetzt endlich unter die 5 % – Grenze zu bringen. Und bei aller Liebe, eine Partei die Papier-Bons vorschreibt, kann man wirklich nicht mehr wählen. Es sei denn, sie wäre eine Satire-Partei.

Mit dem Gesetz hofft man, einen Steuerbetrug von 50 Milliarden EURO im Jahr einzudämmen. Vorgestern war das Bon-Gesetz Thema des Tagesgesprächs im Bayerischen Rundfunk, das ich immer gerne höre. Die Reaktionen der Anrufer in der Sendung  waren überwiegend nicht begeistert.

Irgendwie ist es ja auch geisteskrank, wenn wir jetzt meinen, mit dem Drucken und Vernichten von kleinen Papier-Bons eine größere Steuergerechigkeit zu erzielen. Besonders, wenn der Käufer den Beleg gar nicht an und mit nehmen muß, um dann bei einer Brezel-Kontrolle durch die Finanz-Polizei belegen zu können, dass er seine Brezel eben nicht schwarz gekauft hat. So wie bei das in den Vorbild-Ländern Italien und Griechenland ist bzw. war.

Wenn man das Gesetz wohlwollend interpretiert, ist es ein gut gemeinter aber schlecht gemachter Versuch, Steuergerechtigkeit auch bei kleinen Unternehmen wie Bäckereien, Metzgereien oder Gaststätten durchzusetzen. Denn der Schaden durch Steuervermeidung bei kleinen Mittelständler soll sich in ähnlicher Höhe bewegen wie bei den Gross-Betrügereien wie Cum-Ex, nämlich jeweils im zweistelligen Milliardenbereich pro Jahr.

😉 Und der Staat darf ja nicht nur die Großen fangen wollen. Das ist schwierig und klappt vielleicht nicht. Vielleicht kriegt man die Kleinen leichter? Und immer nur die Großen verfolgen und die Kleinen laufen lassen, ist ja auch nicht richtig.

Denn wenn wir dann in der Summe aufgrund von mehr Steuergerechtigkeit bei den kleinen – die eben auch Mist machen – und den großen Systembetrügern (cum ex etc.) und dann auch noch den internationalen Konzernen, die ihre Gewinne ja auch ziemlich steuerunschädlich verschieben plötzlich dreistufige Milliarden-Mehreinnahmen hätten, dann wär ja genug Kohle für die Transformation da, die die Klima-Veränderung und der strukturelle Wandel erfordern. Das wäre doch toll. Wir könnten uns volle Kraft voraus auf die Rettung der Umwelt stürzen!

Wobei ich einschieben möchte, dass man vielleicht einen Handwerksbetrieb, der im Rahmen seiner Wertschöpfung ein paar Brezen nicht versteuert, „moralisch“ anders bewerten kann als Unternehmen, die als Geschäftsmodell systematisch kreative Betrugsinnovation entwickelt und im großen Stil betreibt. Und auf irgendeine Art von Wertschöpfung dabei völlig verzichtet.

Aber diese Hoffnung (Klima- und Umweltschutz finanzierbar durchs Bongesetz) wird sich nicht erfüllen, denn moderne Gesetze haben keine Kraft mehr. Zuerst Mal machen sie alles immer kompizierter. So entstehen traumhafte neue Umgehungsmöglichkeiten. Durch eine Unmenge von Ausnahmeregelungen werden die Gesetze schon zum Start bis zur Wirkungslosigkeit abgeschwächt. Beispiele finden sich da beliebig weitere: Werbeeinschränkung für Tabak-Produkte, Lebensmittelgesetz, das Bon-Gesetz, Spekulationssteuer, die Gesetze zum Klima-Schutz usw. Und letztendlich werden die Gesetze nicht ausreichend kontrolliert; zum Teil können sie das auch nicht weil die Kontrolle unrealistisch oder zu teuer ist.

So erfüllen die meisten Gesetze ihren eigentlichen Zweck in der Regel überhaupt nicht. Man muss froh sein, wenn sie den Schaden nicht vergrößern, den sie vermeiden sollen.

Und wenn ein Gesetz einfach wäre, garantiert einen Erfolg hätte und auch noch leicht einzuführen wäre, dann wird es erst gar nicht gemacht. Das beste Beispiel ist das Tempolimit auf Autobahnen, Landstraßen und in Kommunen, mit dem man so einfach Leben. retten, Kohlendioxid einsparen und die Lebensqualität erhöhen könnte.

Aber gehen wir mal davon aus, Gerechtigkeit an sich ist wünschenswert und dies auch bei der Steuer. Betrachten wir das „Bon-Gesetz“ mal positiv. Das Ziel des Gesetzes war ja nicht, dass wir jetzt völlig sinnlos Papier drucken und dann auch gleich zu vernichten. Das ist zweifelsfrei sinnfrei, dürfte aber der einzige Effekt sein.

Das Ziel war, dass „elektronische Kassensysteme“ transaktionssicher werden. Wenn eine Transaktion rechtsmäßig abgeschlossen ist, dann muss ein deutliches Zeichen gesetzt werden. Soweit die Theorie.

Und deshalb wird, wenn die Breze verkauft und bezahlt ist, ein Papier gedruckt. Das ist der Bon, auf dem die eindeutige Idendität der Transktion (Transaktionsnummer), gerne als QR-Code gedruckt wird. Der Ausdruck ist das Zeichen, dass die Transaktion, der Eigentums- und Besitzübergang und auch die Bezahlung abgeschlossen sind.

Dass eine Transakation für alle Vertragspartner wahrnehmbar abgeschlossen und rückverfolgbar gespeichert wird, ist sicher nichts Unsinniges. Beim Bon-Gesetz verlangt der Gesetzgeber auch nur eine geeignete Maßnahme, zum Beispiel den Ausdruck eines Papiers, um den Abschluß der Transaktion zu offizialisieren.

Was wären die Alternativen?

Hätten wir eine vernünftige bargeldlose Bezahlkultur wäre das Einfachste. Dann würde ich beim Bäcker mein Mobiltelefon hinhalten, quittieren und hätte dann einen Beleg auf dem Handy. Und könnte in Ruhe nachschauen, wann ich mir wieviel Brezeln gekauft habe und was ich bezahlt habe.

Bei Verwendung von Bargeld ist das nicht ganz so einfach. Wenn ich die Bons mitnehme, was mache ich damit. Hefte ich sie ab? Wie könnte man das Ausdrucken des Bons ersetzen? Wahrscheinlich geht es nur mit Papier.

Ich könnte mir beim Bäcker einen Bildschirm vorstellen, auf dem ich den Einkauf sehe. Und wenn ich bezahlt habe, erklingt ein Jingle, und dokumentiert, dass die Transaktion im System des Bäckers abgeschlossen wurde und das Geld in dessen Kasse ist. Aber das würde dann vielleicht mit dem Datenschutz kollidieren.

Mich hat das Bon-Gesetz an von mir erlebte Computer-Kriminalität Ende der 70iger Jahre erinnert hat. Da ging es um den Druck von Fahrkahrten als Ergebnis und Beleg einer Transaktion vom Typ „Fahrkartenkauf“ am Reisebüroschalter. Es wurde kriminell, weil kluge Mitarbeiter einen Trick gefunden hatten, wie das System dazu gebracht wurde, die Fahrkarte zweimal zu drucken und der doppelte Ausdruck schwarz verkauft wurde. Da ging es nicht um Steuervermeidung sondern um private Bereicherung.

Wie wir das dann letztendlich mit einfacher Technologie unterbunden haben, habe ich am 17. August 2008 berichtet:
Computer Vintage #3 – Wie die Fahrkarten sich verdoppelten (1979/80)
🙂 Das ganze ist echtes Computer Vintage.

Zum Bon-Gesetz meine ich:
Das ganze ist wieder mal (k)ein Glanzstück unserer Regierung.  Es wird nichts bringen, außer Bürokratie und Müll. Den öffentlichen Raum in der Nähe von Bäckereien wird man daran erkennen, dass auf den Gehwegen neben dem üblichen Müll viele kleine Bons herumliegen.

Es zeigt aber wieder, dass die Damen und Herren in unserer Regierung nicht begriffen haben, was „Digitalisierung“ ist. Denn wenn es um Steuervermeidung geht, dann sollte man zuerst mal den digitalen Zahlungsverkehr ermöglichen. Und vielleicht daran denken, dass Steuerkontrolle und Datenschutz einfach ein Widerspruch sind.

Bei uns entstehen immer mehr Gesetze, die den Aufwand und die Bürokratie erhöhen und alles komplizierter machen. In Extremfällen sind die Anforderungen in Gesetzen unerfüllbar, weil sie sich elementar versprechen. Dem „edlen Ziel“, für das sie gemacht worden sind,  dienen sie aber nicht sondern bewirken oft das Gegenteil.

Die Bürger verstehen die Flut der Gesetze nicht mehr. Sie befolgen die Gesetze nicht, weil sie diese für sinnvoll halten. Nein, Gesetze werden nur noch eingehalten, wenn der Schaden durch die Strafe deutlich höher als der Nutzen der Gesetzesübertretung ist. So verkommt anständiges Verhalten zu einer schlichten Güterabwägung, man optimiert danach ob Nutzen oder Schaden des Gesetzesbruch überwiegen.  Soziale Kultur wird zerstört und auch der so wertvolle Rechtsstaat wird dadurch beschädigt.

RMD

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2 Antworten

  1. Ergänzung:
    Eine Idee könnte es natürlich sein, dass die Bons in ein Logbuch / Journal (realisiert in einer Blockchain ?) geschrieben werden. Das würde aber bedeuten, dass alle Kunden dieses Händlers Teil eines gemeinsamen Öko-Systems sein müssen.
    Ansonsten fällt mir wirklich nur der Übertrag in das private System des Kunden – über eine geeignete Schnittstelle – ein.

  2. Hallo Roland,

    so ähnlich wird es ja gemacht. Mit einer ‚Blockchain‘ würde es freilich nicht funktionieren (200 Transaktionen / s sind jetzt nicht der Bringer).

    Der Sinn des Bondrucks ist, daß bspw. der Friseur auch wirklich genötigt wird, einen Umsatz auch wirklich einzugeben.
    Mit einem Testkauf kann der Feind zudem überprüfen („unangekündigte Kassennachschau“, ob ein Umsatz auch wirklich in die Buchhaltung Eingang gefunden hat.

    Ausnahmsweise kommt die Idee übrigens nicht aus Deutschland, sondern aus Italien.

    Insofern: Die Bonpflicht wird massive Steuermehreinnahmen nach sich ziehen.

    Ihre Forderung nach Geschwindigkeitsbeschränkung:
    Die haben wir doch faktisch. Und der Bundestag hat sich gerade mit großer Mehrheit dagegen ausgesprochen.

    Wesentlich effektiver fände ich eine Zulassungsbeschränkung:
    Parkflächenbedarf, Luftwiderstandsindex (cw x projizierte Stirnfläche), Gewicht (max. 900Kg für Personenwagen), Verbrauch (max. 5l/100 km).
    Dann natürlich: Der Gesamtwirkungsgrad muß mindestens 25% betragen.

    Damit wäre die Umweltsau Nummer 1, daß Elektroauto, schonmal neutralisiert.
    Und „SUV“s gäbe es nur noch bei der Bundeswehr. Und davon wären 98% nicht fahrbereit, die tun also nicht weh.

    Dann hätte die Autoindustrie einmal eine Chance, mit Kreativität neue Fahrzeuge zu entwickeln. Ohne Klimaanlage und Lenkradheizung.

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