Interview für die DOAG

„Da findet eine Evolution statt, die kaum vorhersehbar ist …“

Die Informationstechnologie entwickelt sich schneller als je zuvor. Dr. Dietmar Neugebauer, Vorstandsvorsitzender der DOAG, und Wolfgang Taschner, Chefredakteur der DOAG News, sprachen darüber mit Roland M. Dürre, Vorsitzendem des Vorstands der Interface AG, also mit mir :-). Das ganze anlässlich der großen DOAG-Konferenz 2013 in Nürnberg.

Sie haben die Interface AG gegründet. Was ist deren Geschäftsmodell?
Gestartet im Jahr 1984 als Produkt-Unternehmen sind wir mit der professionellen Textverarbeitungs-Software HIT/CLOU innerhalb weniger Jahre zum europäischen Markführer auf UNIX-Systemen aller Hersteller geworden. Um die Jahrtausend-Wende haben wir uns zum IT-basierten und Branchen-neutralen Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen gewandelt. HIT war das UNIX-Textsystem, CLOU die ergänzende 4GL-Maschine für Textgenerierung. Schon in den ersten CLOU-Versionen gab es die Möglichkeit, SQL-Scripten einzubetten, so dass der Textautomat aus der zugewiesenen Datenbank qualifiziert lesen und bei Bedarf auch in sie schreiben konnte. In vielen Einsätzen war dies die Oracle-Datenbank.

Neben der Interface AG gibt es unter dem Dach der IF-Group noch weitere Unternehmen. Was machen diese?
Unsere Tochter-Unternehmen sind spezialisiert auf Dienstleistung im Umfeld besonderer Hersteller-Technologien wie Microsoft oder allgemeiner IT-Technologien wie Virtualisierung. Ein Unternehmen fällt aus der Rolle, es ist die IF-Localization, die Übersetzungen in alle Sprachen organisiert und interkulturelle Anpassungen durchführt.

In welchem Rahmen setzen Sie bei Ihren Kunden Produkte der Firma Oracle ein?
Fast alle unsere Kunden setzen in den geschäftskritischen Prozessen die Oracle-Datenbanken ein. Diese Datenbanken sind die Basis für IT-Anwendungen aller Art.

In welchem Bereich sehen Sie die Stärken der Oracle-Produkte, wo die Schwächen?
Mein Eindruck ist, dass die Oracle-Produkte in der Regel immer sehr gut im Wettbewerb abschneiden. Bedauerlich ist aus meiner Sicht eher, dass es gerade im Middleware-Bereich keine Übersicht über die Vielfalt der Produkte gibt. Da ist noch viel Platz für Oracle nach oben.

Wie beurteilen Sie generell die Produkt-Strategie von Oracle?
Es steht mir nicht an, die Produkt-Strategie von Oracle zu bewerten. Zumal ich gar nicht in der Lage bin, die Vielfalt ganz zu überschauen. Vielleicht wäre da eine Produkt-Landkarte sinnvoll, die alle Produkte und ihre Möglichkeiten beschreibt.

Würden Sie Ihren Kunden empfehlen, ein Komplettsystem von der Hardware bis zu den Applikationen von einem einzigen Hersteller wie Oracle einzusetzen?
Warum sollte ich nicht? Ich bin schließlich ein alter Fan von Sun-Systemen. Aber im Ernst, eine integrierte und abgestimmte Architektur hat viele Vorteile, die sich wahrscheinlich auch rechnen. Eine Abhängigkeit vom Hersteller besteht ja immer, ganz gleich ob der Anbieter Microsoft, IBM, SAP oder Oracle oder anders heißt.

Was hat Sie damals an Sun so beeindruckt?
Wir waren ja eine UNIX-Firma und ich war mir damals (fälschlicherweise) ziemlich sicher, dass Windows keine Chance im professionellen Einsatz hat. Da habe ich mich freilich gründlich geirrt. Sun war damals neu  und modern – in der grafischen Oberfläche der Sun-Workstations sah ich eine große Zukunft. Zudem waren mir die damaligen Sun-Mitarbeiter auf ihren Veranstaltungen sehr sympathisch.

Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Oracle Sun übernommen hat?
Einerseits war ich entsetzt, andererseits hatte ich die Hoffnung, dass diese Akquisition eine große Chance ist. Die große Performance der Oracle Engineered Systems sind ein gutes Beispiel dafür.

Die Interface AG setzt stark auf soziale Medien. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Persönlich nur die besten. Allerdings ist es nicht immer einfach, die Menschen und auch zentrale Abteilungen zum Mitmachen zu bewegen. Witzigerweise erfahre ich oft aus Facebook, Google+ oder Twitter, was unsere Mitarbeiter gerade so machen, auch dienstlich.

Welche Vorteile sehen Sie im Einsatz der sozialen Medien im Unternehmen?
Ich betrachte das heute als ein unbedingtes Muss. Das Management hat sich über die Jahre verändert, an die Stelle des hierarchisch aufgebauten Systems gibt es heute eine vernetzte Struktur. Bei größeren zusammenarbeitenden Gruppen sind deshalb moderne Hilfsmittel erforderlich, um beispielsweise die zahllosen Besprechungen zu vermeiden. Entscheidend ist jedoch, alle Team-Mitglieder von den Vorteilen der sozialen Medien zu überzeugen.

In welche Richtung wird sich die IT in den kommenden Jahren entwickeln?
🙂 Wenn ich das wüsste, würde ich nicht hier sitzen, sondern auf einer schönen Yacht in der Karibik und einem Glas Champagner in der Hand. Seriös: ich gehe davon aus, dass die IT ihren Weg und dies sehr schnell gehen wird. Da findet eine Evolution statt, die kaum vorhersehbar oder gar bestimmbar ist. Ich gehe aber davon aus, dass die großen Impulse nicht mehr aus Europa und auch nicht mehr so stark wie bisher aus den USA kommen werden, sondern aus Asien. In der Pionierzeit von Unix war der große Nachteil für uns deutsche Anbieter, dass der deutsche Markt so viel kleiner als der Englisch-sprechende war. Heute bestimmen China und auch immer mehr Indien, wo es lang geht.

Was erwarten Sie dabei von einem IT-Unternehmen wie Oracle?
Die Kunst wäre, die richtige Mischung und/oder Gewichtung zwischen „open“ und „proprietär“ zu schaffen. Die Märkte in der IT wandeln sich schnell und sind nicht mehr von einem Unternehmen alleine beherrschbar. So sind technologische Offenheit und strategische Transparenz wünschenswert und bestimmt langfristig auch nützlich für IT-Unternehmen.

Wie sehen Sie den Stellenwert einer Anwendergruppe wie der DOAG?
Ich habe ja eigene Siemens-Erfahrungen, als Mitarbeiter wie als Lieferant. Bei Siemens gab es die Siemens Anwender-Vereinigung. Ich war immer beeindruckt, wie dadurch sehr konstruktive Beziehungen gerade mit Großkunden und Lieferant möglich waren und welcher Nutzen für beide Seiten entstanden ist.

Welche Erfahrungen aus Ihrem langen Berufsleben können Sie an andere Unternehmer weitergeben?
Vielleicht die wichtigste: Immer fähig sein, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Und agil bleiben und dogmatische Entscheidungen und Handlungen um alles in der Welt verhindern. Ansonsten versuche ich die Regeln für modernes Management von Hans Ulrich, dem Erfinder des St. Gallener Management Modells zu beherzigen. Diese sind: Die Unvorsehbarkeit von Zukunft als Normalzustand zu akzeptieren, die Grenzen des Denkens weiter stecken, sich besser vom „sowohl als auch” als vom „entweder oder” leiten zu lassen, mehrdimensional zu denken, Selbstorganisation und Selbstlenkung als Gestaltungsmodell zu begreifen, Managen als sinngebende und sinnvermittelnde Funkton aufzufassen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Gruppendynamik auszunutzen. Beachtenswert, dass diese Regeln aus den 1980ger Jahren stammen.

Das Interview ist mittlerweile bei DOAG veröffentlicht – so poste ich es auch mal hier.

RMD

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