Gestern wollte wieder eine der Herrschaften über 80 den Radfahrer (mich) mit einer großen Limousine erlegen. Ja, ganz gegen die Regel war es diesmal eine „Sie“!
Ich bin froh, dass sie es nicht geschafft hat. Aber verärgert war ich schon (und bin ich immer wieder), wenn ich sehe, wer da alles meint, noch in der Lage zu sein eine kraftvolle und gefährliche Maschine wie ein Auto zu bedienen. Daher als stiller Protest dieser Spontan-Post.
Viele ältere Menschen definieren sich nach meiner Wahrnehmung sogar am Ende ihres Lebens über Besitz und Äußerlichkeiten. Und jagen so – nur zu oft vergebens – dem Glück und ihrem Seelenfrieden nach. Rastloses Tun vermeidet kluges und kritisches Nachdenken. Das Auto ist zum Lebens-Fetisch geworden.
So bleibt das Phänomen, dass in Deutschland als wohl weltweit einziges Land „Freie Fahrt für freie Bürger“ als selbstverständliches Grundrecht gilt. Und auf den Straßen immer noch mehr als 5.000 Menschen den mobilen Heldentod sterben. Die alten Menschen sind da immer öfters – auch als Verursacher – dabei.
Denn selbst wenn der Greis vor seniler Demenz vieles vergessen hat, so kennt er noch seine Rechte im Straßenverkehr. Am Steuer ist er der Gigant, den er in seinem Leben immer gerne gewesen wäre. Und selbstredend ist er der einzige Deutsche, der wirklich Autofahren kann. Wenn er dann auch noch keine Kinder und so auch keine Enkel (und auch keinen Schäferhund hat), dann ist ihm neben einer ab und zu eigenartigen politischen Gesinnung nur noch das Auto geblieben. Das Autofahren ist so sein letzter Stolz. Bis zum letzten Atemzug.
Mit dem er auch im hohen Rentenalter noch fleißig durch die Gegen kurvt. Um das Auto zu bewegen geht es nach Garmisch, morgens schnell zum Bäcker und am Nachmittag zum Friedhof am anderen Ende der Stadt. Und das so schnell wie es ihm beliebt. Denn er hat ja keine Zeit. Ginge auch öffentlich, aber das ist ja viel zu kompliziert und braucht ja viel zu lange …
„Freie Fahrt für freie Rentner“ ist das Motto. Bis er es dann wieder krachen lässt. Auf dem Parkplatz, im Schaufenster des Spielzeuggeschäfts oder als Geisterfahrer auf der Autobahn. Das „Recht auf freie Fahrt“ gehört den alten Herren Rentnern. Ein Leben ohne Auto ist ihnen unvorstellbar. Dafür kämpfen sie und so wählen sie. Ihr verchromtes Blech ist ihr höchst zu schützendes Gut. Ein Leben lang haben sie für ihre Autos gearbeitet.
Jedes Tempolimit ist ein Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte. Dabei ist die schrankenlose individuelle Mobilität (besonders wenn sie dann auch noch auf Verbrennungsmotoren basiert) zu einer Parabel für Egoismus und Rücksichtslosigkeit geworden. Täglich erlebe ich, die Aggression der „Kraftfahrer“in ihren Blechkästen in Staus oder an Ampeln. Glücklicherweise meistens nur beobachtend vom Fahrradweg aus.
Das Recht auf ungebremste Mobilität basiert wie vieles andere, das in unserer Gesellschaft zu kritisieren wäre, auf unserem oft eigenartigen Verständnis von Freiheit. Viele Menschen scheinen zu glauben, dass frei sein meint, all das Tun und Lassen zu dürfen, was einem halt so in den Sinn kommt. Gemeinsam mit einem radikalen und extremen Begriff von Eigentum in unserer AEC (American European Culture) macht dies aus einem sozialen Miteinander ein Gegeneinander, dies für manche auf recht unangenehme Art und Weise
Ich erkläre es mir ganz einfach so. Wir Menschen neigen dazu, uns aus unserem Besitz, unserem Konsum und uns aus meist eingeredeten Götzen zu definieren. Und der Götze Nummer 1 im letzten Jahrhundert war bei uns halt das Auto. So erscheint es nur logisch, dass gerade ältere Menschen ihren Götzen in der Garage stehen haben.
Und ich hatte immer gehofft, dass man im Alter ein wenig weiser wird.
RMD
Eine Antwort
Diese Diskussion halte ich immer für verwerflich. Natürlich gibt es die senilen 80-jährigen wie geschildert, aber es gibt auch gute Autofahrer über 80. So wie es genau so schlecht fahrende, jüngere Autofahrer gibt, denen einfach Fahrpraxis fehlt, oder sie fahren unter Drogeneinfluß, oder, oder, oder…
In regelmäßigen Intervallen wird von der Politik (zumeist in pressemeldungsarmen Zeiten) eine Überprüfung der Fahrtauglichkeit älterer Autofahrer gefordert und jedes Mal ärgere ich mich als jüngerer Mensch darüber, weil ich der Meinung bin, dass man diese Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen kann. Warum wird nicht einfach ab dem Erhalt des Führerscheins alle 4-5 Jahre für alle, egal welchen Alters eine Fahrtüchtigkeitsüberprüfung eingeführt?
Im Übrigen muss ich auch sagen, dass Du von Glück sagen kannst, dass diese Autofahrerin ein Auto hatte, wäre Sie mit dem Fahrrad unterwegs gewesen hätte Sie vielleicht nicht mehr so schnell Anhalten können und Dich mitgenommen. Denn der Gleichgewichtssinn und die Feinmotorik sind beim Radfahren wesentlich mehr gefordert.
Wenn man mal Ältere beim Fahrradfahren beobachtet ist der Platzbedarf durchaus öfters mit dem von betrunkenen Radfahrern vergleichbar. Hier also zu fordern, sie mögen doch kein Auto, sondern das Fahrrad benutzen wäre ebenfalls gefährlich. Den Gebrauch von öffentlichen Verkehrsmitteln zu fordern fällt auch einem Großraum München Bewohner wesentlich leichter, als einem, der auf dem Land in einem nicht so stark durch das bayerische Land geförderten Landesteil wohnt. Wenn ich mir unseren Landkreis ansehe und sehe , dass es Gemeinden gibt, da fahren die Bahnbusse morgens zwischen 6 und 8, dann nochmal Mittags so um 12-14 und Abends von 17-19 Uhr, dazwischen geht dann gar nichts. Sollen dann also die Älteren zu Hause bleiben und vor oder in ihrem Haus sitzen?