Vor kurzem habe ich die von Napoleon Hill (1883 bis 1970) formulierten “Elf Geheimnisse des Führens” im Internet gefunden:
1. Unerschütterliches Selbstvertrauen
Es beruht auf objektiver Selbsteinschätzung und genauer Kenntnis des eigenen Berufes. Niemand lässt sich von jemandem führen, dem es an Selbstvertrauen und Mut mangelt.
2. Selbstbeherrschung
Wer nicht im Stande ist, sich selbst zu beherrschen, der kann auch nicht über andere “herrschen”. Selbstkontrolle und Selbstdisziplin flößen Vertrauen ein und fordern den klugen Untergebenen zur Nachahmung auf.
3. Gerechtigkeitssinn
Ohne ein ausgeprägtes Gefühl für Fairness und Gerechtigkeit kann sich kein Vorgesetzter die Achtung seiner Untergebenen verschaffen und bewahren.
4. Unbeirrbarkeit
Wer häufig an seinen Entscheidungen zweifelt, und immer wieder seine Meinung ändert, beweist, dass er seiner selbst nicht sicher ist und deshalb andere auch nicht zum Erfolg führen kann.
5. Überlegtes Vorgehen
Die erfolgreiche Führungskraft plant, bevor sie handelt, und handelt entsprechend ihren Plänen. Wer blindlings alles dem Zufall oder seiner ‘Intuition’ überlässt und ohne wohldurchdachte, feste Pläne handelt, ist wie ein Schiff ohne Ruder.
6. Die Gewohnheit, alle Erwartungen zu übertreffen
Die wirkliche Führungskraft fordert von sich selbst stets mehr als von anderen.
7. Zuverlässigkeit
Schlampige, nachlässige, vergessliche oder sonst wie unzuverlässige Menschen werden niemals erfolgreiche Führungskräfte sein, weil solche Eigenschaften es ihnen unmöglich machen, die Achtung derer zu erringen, denen sie Anweisungen erteilen.
8. Einfühlungsvermögen und Verständnis
Sehr wichtig ist die Fähigkeit, sich in seine Mitarbeiter hineinzuversetzen, also deren Standpunkt, deren Wünsche und deren Sorgen nachzuvollziehen. Ein guter Vorgesetzter muss immer Verständnis für seine Untergebenen und ihre Nöte zeigen.
9. Ein Auge fürs Detail
Wer als Führungskraft Erfolg haben will, muss auch die scheinbar unbedeutenden Details des Arbeitsprozesses beherrschen – und bemerken.
10. Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen
Die erfolgreiche Führungskraft akzeptiert nicht nur – selbstverständlich – die Verantwortung für ihre eigenen Entscheidungen, sondern ist auch stets bereit, für die Fehler und Versäumnisse ihrer Untergebenen einzustehen. Für die mangelhaften Leistungen der Mitarbeiter ist der Vorgesetzte verantwortlich.
11. Fähigkeit der Zusammenarbeit
Die erfolgreiche Führungskraft muss die Fähigkeit der Zusammenarbeit beherrschen und pflegen. Das heißt, sie muss ihre Untergebenen zur Mitarbeit motivieren können, denn Führung beruht auf Macht, und Macht beruht auf tatkräftiger Unterstützung vonseiten des “Volkes”.
Quelle: Napoleon Hill: Denke nach und werde reich. Die 13 Gesetze des Erfolgs. Ariston Verlag, 1966/2010.
Irgendwo scheint da auf dem ersten Blick nichts falsches drin zu stehen, eher viel Selbstverständliches. Das leuchtet ein und klingt plausibel. Persönlich finde ich auch sehr gut, dass ein Punkt wie das Auge fürs Detail (These 9) dabei ist.
Wenn ich allerdings ein klein wenig weiter denke, dann komme ich schnell und stark ins Grübeln.
Mir fällt keine einzige Führungskraft ein, die auch nur annähernd den Anforderungen von Napoleon Hill gerecht wird. Ist ja auch klar. Denn schon in Punkt 1) wird Übermenschliches gefordert. Wer kann denn ernsthaft von sich behaupten, über ein unerschütterliches Selbstvertrauen zu verfügen, das auf objektiver Selbsteinschätzung beruht? Muss man dazu nicht psychisch krank sein oder unter Wahrnehmungsstörungen leiden? Ich komme zum Entschluss, dass es von Hill skizzierten Menschen gar nicht geben kann.
Dann wird aus meinem Grübeln ernstes Bedenken. Da war doch die „Heldenliteratur“ des 20. und 19. Jahrhunderts, die wir und unsere Väter so geliebt und verschlungen haben. Ganze Generationen haben sich an Übermenschen aufgerichtet wie Winnetou und Old Shatterhand, den von Karl May erfundenen Protagonisten idealtypischen Heldentums.
Das waren Wesen ohne Furcht und Tadel, von unendlicher Treue erfüllt, mit absolutem Gerechtigkeitssinn ausgestattet, immer als menschenfreundliche Helfer unterwegs. Wenn notwendig aber auch von unerbittlicher Härte. Und natürlich von edelem Aussehen mit idealen körperlichen Eigenschaften und enormen Fähigkeiten. Sie beherrschten beliebig viele Sprachen und Dialekte, verfügten über extrem geschulte Sinne und einen scharfsinnigen Verstand.
Ihre technischer Perfektion war in allen Disziplinen des Kampfes perfekt. Sie waren in der Lage längere Zeit ohne Schlaf und Nahrungsmittel aus zu kommen und bereit, beliebig Schmerz und Folter über sich ergehen zu lassen, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Und gelegentlich verfügten sie auch über übersinnliche Fähigkeiten. Aber auch über ein weiches Herz und eine gesunde Sentimentalität. Und vor allem, im Normalfall retten sie sich auch aus den ausweglosesten Situtationen. Souverän, überlegen und edel.
In der Literatur waren Winnetou und Old Shatterhand keine Einzelfälle. Ein ganzes Genre an Kriegs-, Abenteurer- und Freiheitsliteratur hat Menschen mit solchem Unsinn verführt. Der Übermensch als tröstender Messias. Auch der Nationalsozialismus in Deutschland dürfte es aufgrund dieser Prägung so leicht gehabt haben, die Macht zu ergreifen.
Fallen wir wirklich im 21. Jahrhundert auf solche Zielbilder noch herein?
Die Antwort heißt wohl leider ja! Würden wir sonst so viele Einzel- oder Teamsportler, Autorennfahrer, Showstars, Schauspieler, Musiker aber auch Unternehmer, Vorstände und Manager hofieren und ihnen als unsere Idole nur noch im logarithmischen Maßstab erträgliche Einkommen zugestehen?
Auch wenn wir alle uns wünschen, ein bisschen zu sein wie Winnetou und Old Shatterhand oder die anderen Stars – ab in die Mottenkiste mit dem Denken von Napoleon Hill und Co. Wir sind alle nur Menschen, die entsprechend ihrer Möglichkeiten einen möglichst guten Job machen sollten.
RMD
P.S.
Es gibt tatsächlich noch heute Persönlichkeitstrainer und Managementberater, die mit Napoleon Hill auf Kundenfang gehen.
2 Antworten
Super Artikel!
Yes, I like it too. I remember a character called Wilson in an old „comic“ who could run a mile in 3 minutes. This was soon after the mile was first run in 4 minutes (unfortunately by an Oxford man).
Sometimes, these heroes were touched with a little humour, for instance a native hero in the Himalayas who defended the British Empire against terrorists, swinging an old cricket bat.