Fußball, Zukunft und Philosophie

Eine wahre Geschichte Ende der 60iger Jahre des letzten Jahrhunderts:

Me and Werner R.

Ich war Schüler in der Oberstufe des Jakob-Fugger-Gymnasium und war froh, dass ich viele Freunde hatte. Die meisten davon waren ein wenig älter als ich. Einige meiner Freunde hießen Werner. Das war überraschend. Allerdings kenne ich heute sehr viele Floriane.

🙂 So ändern sich die Zeiten. Aus Werner wird Florian. Der „Werner“, um den es in dieser Geschichte geht, war ungefähr 10 Jahre älter als ich. Er war ein sehr intelligenter Mensch, der über eine kräftige Portion Charisma verfügte. Sein Mathematik-Studium hatte er abgeschlossen und er arbeitete seit ein paar Monaten frisch beim Daimler (damals noch Mercedes Benz) in Stuttgart.

Wir hatten uns im Schachverein kennen gelernt. Unser Verein hieß „Schachjugend Augsburg“, was sicher ein unüblicher Name für einen Schachverein war. Wir waren gerade in die Bayernliga aufgestiegen. Das war damals die höchste Liga in Deutschland. Schach-Bundesliga gab es noch nicht. Werner war einer unser Spitzenspieler, er war immer an den Spitzenbrettern tätig, sein Platz war Brett 1 oder 2 in unser ersten Mannschaft. Ich hatte meinen Stammplatz in der Schwabenliga (unserer 2. Mannschaft) und durfte gelegentlich in der 1. Mannschaft als Ersatz aushelfen.

Zwei Freunde

Wir waren Freunde. Ich wollte nach meinem Abi auch Mathe studieren. Wir waren beide Schachspieler, lasen Science Fictions (wir fraßen die Taschenbücher SF mit dem schwarzen Rücken von Heyne nur so in uns rein), mochten beide Fußball und träumten beide von Computern …

Zum Wochenende kam er von der Arbeit in Stuttgart meistens zurück nach Augsburg. Und wenn einer der beiden Augsburger Fußball Oberliga-Vereine ein Heimspiel hatte, gingen wir gerne zu zweit ins Rosenau-Stadion. Daß Werner eher Fan vom TSV Schwaben Augsburg (den „Rittern“) war und ich mehr der Fan vom BCA (der BallspielClub aus Oberhausen – einem Stadtteil von Augsburg) störte uns nicht. Beide Vereine (genauer der BCA und die Lizenzspielerabteilung von Schwaben Augsburg) fusionierten ja dann 1969 zum FCA (unserem „Retorten-Verein“). Anschließend gab es nur einen – gescheiterten – Versuch, den BCA zu beleben. Die Schwaben verzichteten zunächst auf eine Wiedergründung einer Fußballabteilung. Die Fusion aber brach manchem Fan (wie dem Werner und mir) das Herz.

Ein normales Heimspiel im Rosenaustadion.

Einmal, an einem Schlechtwetter-Sonntag, standen Werner und ich in der Rosenau auf einem Stehplatz der großen Tribüne gegenüber der überdachten Haupttribüne. Ich weiß nicht mehr, ob es ein Heimspiel von Schwaben Augsburg oder dem BCA war. Es war aber eines der Fußballspiele von der langweiligen Sorte, das der düstere wolkenverhangene Himmel auch nicht besser machte.

Das Gedankenexperiment

Die erste Halbzeit startete zäh. Keine Torszenen, mehr Krampf als Kampf. Eigentlich ein Jammerspiel. Aber glücklicher Weise war ich mit Werner dort. Werner startete ein Gedankenexperiment, dass ihn wohl schon ein paar Tage beschäftigte:


Was würde passieren, wenn die Menschheit die berechtigte Annahme hätte, das mit dem Planet Erde zu einem bestimmten und bekannten Termin Schluß wäre? Weil sich z.b. im Universum ein schwarzes Loch auf tun, ein großer Komet sie determiniert und unwiderruflich zerstören oder sie durch eine innere Explosion wie einen gigantischen Vulkan-Ausbruch in viele neue Kometen zersplittern würde?

Dann wäre doch Schluß mit dem Leben auf der Erde, es sei denn, die Menschheit wäre in der Lage, sich selbst und alles irdische Leben in eine neue Heimat zu überführen.

Das könnte bedeuten, dass alles menschliche Ansinnen und alle Anstrengungen sich sich diesem Ziel unterordnen müssten, um zu überleben.

Das würde bedeuten, dass man sich einigen und fokussieren müsste. Mann dürfte auch z.B. keine Kriege mehr führen und müsste sich 100 % darauf konzentrieren, den neuen Lebens-Ort zu finden und alle Kräfte und Ressourcen für den Aufbau und Ausbau der für die Evakuierung notwendigen Werkzeuge und Technologien einzusetzen.

Wären die Menschen bereit sich darauf einzulassen???

Oder würden Sie das Fakt als Fake ignorieren?


Und dann kam die Halbzeit. In der Pause haben wir uns jeder ein Bier gekauft und ich mir dazu einen Villiger Kiel (eine Art lange und dünne Billigzigarre mit einem Mundstück aus gelben Plastik) geleistet. Und dann ging es weiter.

Die zweite Halbzeit.

Die zweite Halbzeit wurde nicht besser, das Spiel wurde noch schlechter. Aber unser Gedankenexperiment war uns eh schon wichtiger als das banale Fußballspiel.

In der zweiten Halbzeit bearbeiteten wir die Frage, wie die Reaktion der Menschen natürlich auch von der Länge des Zeitraums bis zum Ende der Welt abhängen würde. Die Menschen würden sicher sehr unterschiedlich reagieren, wenn das Ende schon in 10 Jahren wäre. Dann könnte Resignation angesagt sein. Bei 100 Jahren würde man wahrscheinlich mal einen Versuch starten? Und bei 1.000 Jahren? Ich nehme an, dass man dann die Rettung groß besprechen aber das Handeln späteren Generationen überlassen würde.

Parallel wurde das Spiel immer schlechter. Und unsere Gedanken finster (oder dunkel, wenn das die Steigerung von finster ist).

Denn wir wußten damals schon lange, das der Planet den Menschen nicht mehr lange aushalten dürfte. Ich meine Ende der 80iger Jahre veröffentlichte der Spiegel als zentrale Titelgeschichte im November (?) einen gut recherchierten Titelartikel zur Klimakatastrophe. Da stand schon alles drin. Es gibt ein Gerücht, dass die Politik den Spiegel dazu bringen wollte, diesen Artikel nicht zu veröffentlichen. Da wurde vor mehr als 30 Jahren schon alles berichtet, was wir heute wissen. Und Politik hat nichts gemacht, außer ein paar Ausschüsse gegründet. Nur, wenn wir die z.B. die Mobilität verändern wollen, also weniger Auto fahren und weniger Fliegen wollen, dann geht das nicht so einfach. Da brauchen wir auch einen politischen Willen!

Ich bin entsetzt, dass die Menschheit diese Katastrophe, die ja schon damals offensichtlich war, heute genauso offensichtlich  ignoriert. Obwohl wir sicher keine 1.000 Jahre mehr an verbleibender Zeit haben.

Ich bin so betroffen, weil sich eigentlich bis heute nicht geändert hat und wir im Gegenteil völlig gedankenlos und ignorant Krieg führen und Deutschland zu betonieren und mit Kupfer weiter verkabeln. Jetzt auch für Millionen von Autos. Und unser Kanzler zitiert aus dem „Ewigen Krieg“ von Kant, unterschlägt dabei aber dass das wichtige und zentrale Zitat dieses Werkes. Es heißt:

„Waffen schaffen keinen Frieden!“

Vor kurzem habe ich in einem Film einen Menschen sagen hören:


Soviel fressen kann ich gar nicht, wie ich kotzen möchte!


Ich möchte mich für diesen Satz entschuldigen, aber wenn ich  täglich Nachrichten höre, dann geht es mir tatsächlich sehr schlecht. Genau so!

Ende meiner kleinen Geschichte

Werner hat sein ganzes Leben beim Daimler gearbeitet. Er hatte dort die Aufgabe des CIOs schon in einer Zeit, in der man diesen Titel noch gar nicht kannte. Er ist vor einigen Jahren gestorben. Hinterlassen hat er uns einen schönen Nachruf in der Augsburger Allgemeinen Zeitung und eine Schachpartie, in der er auf sensationelle Weise einen berühmten Großmeister geschlagen hat. So richtig „Bobby-Fisher like“.

Ich (Roland) habe später auch Mathematik studiert und dann mit Wolf Geldmacher die InterFace Connection GmbH (später InterFace AG) gegründet, bei der ich auch mein ganzes Leben geblieben bin und die am 7. Juli 2024 ihr 4o-jähriges Jubiläum feiert. Jetzt bin ich Rentner und wundere mich über uns.

Der FCA spielt heute in der Bundesliga eine vernünftige Rolle. Schwaben Augsburg hat nach der Fusion dann wieder eine eigene Fußballabteilung gegründet und ist heute Tabellenführer in der Bayernliga Süd. Wenn sie die Position halten, sind die Schwaben auch bald wieder 4.-klassig und spielen dann in der nächsten Saison in der Regionalliga Bayern, was auch sensationell ist.

Und ich versuche meinen Ruhestand zu genießen und erzähle gerne Geschichten von früher, so auch auf der Jubiläumsfeier „40 Jahre InterFace AG“, für die mein Unternehmer-Herz immer noch schlägt. Mein Fußballer-Herz allerdings schlägt für die Spielvereinigung Unterhaching, die nächstes Jahr 100 Jahre alt wird.

Philosophie, bzw. das Leben, liebe ich. Aber genau genommen sind die SF-Bücher philosophische Werke, die uns an das Leben in der Zukunft erinnern. Und uns klar machen, dass wir die Zukunft sehr Ernst nehmen sollten.

RMD

3 Antworten

  1. Und darum hat man früher auf die „Weisen“ gehört. Wer Vernunft nicht will, bekämpft nicht die Argumente, sondern den „weis(s)en alten“…
    Bitte weiterhin Erfahrungen teilen.

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