Hier ein paar rein fiktive Gedanken. Durch Judy’s Seele (eine fiktive Politikerin).
Stellen Sie sich Judy vor. Als Fiktion. Sie ist ein junges Mädchen. Sagen wir mal, sie ist vier Jahre alt. Sie lebt im letzten Jahrhundert, in den goldenen Sechzigern geboren, wohlbehütet in einer gut bürgerlichen Familie aufgewachsen, dies nicht auf dem Land sondern in einer Großstadt. Die Mutter ist Erzieherin, der Vater ist Beamter. Sie ist blond, hat blaue Augen und ist ein richtig süßes Ding.Ihr Markenzeichen sind zwei immer perfekt geflochtene Zöpfe.
Angezogen ist sie wie eine Puppe. Adrett, sauber und ordentlich. Hunger kennt sie nicht, denn sie ist im Wohlstand des späten Wirtschaftswunderlandes aufgewachsen. Alle sagen, dass sie sehr klug ist und für ihr Alter überdurchschnittlich gut sprechen kann. Und – sie hat sich noch die wunderbare kindliche Weisheit bewahrt, die ihr später von Erwachsenen wie den Eltern und der Schule ausgetrieben werden wird.
Das Mädchen hat einen Großvater. Diesen mag sie sehr. Vielleicht weil er der einzige erwachsene Mensch ist, der ihr keine Vorschriften macht, ihr immer geduldig zu hört, nie an ihr rum mäkelt, sie auch nicht erziehen will und sie nie maßregelt. Er hat sie auch noch nie geschimpft oder auch angeschrien. Und auch nie geschlagen, wie das in in den 60iger Jahren Erwachsene mit Kindern gemacht haben (und es vielleicht heute noch tun). All das kennt sie von den meisten Erwachsenen, ja sogar von den geliebten Eltern. Deswegen ist sie ab und zu traurig. Doch wenn sie beim Großvater ist, dann ist sie glücklich:
„Großvater, ich habe ein großes Geheimnis?“
„Das ist schön, Judy, behalte es gut für Dich!“ antwortet der Großvater.
„Aber Großvater, Dir würde ich es gerne erzählen.“
„Gerne, Judy. Laß hören!“
„Aber Großvater, Du darfst es nicht weiterzählen.“
„Das werde ich auf keinen Fall machen!“
„In meiner Tasche habe ich drei Bonbons! Das darf aber niemand wissen!“
Das ist ein Geheimnis, das ich für absolut schützenswert halte. Und das man nicht verraten darf.
Judy kommt in die Schule. Sie bleibt das brave Mädchen und wird eine Musterschülerin, die von den Lehrern geliebt wird und immer gute Zeugnisse nach Hause bringt. Der Stolz ihrer Eltern.
Ein Dutzend Jahre später: Judy und ihr Großvater treffen sich. Und Judy hat wieder ein Geheimnis:
„Großvater, ich muss Dir was erzählen, ich habe ein Geheimnis!“
„Das ist schön, Judy, behalte es gut für Dich!“
antwortet der Großvater.
„Großvater, Dir würde ich es gerne erzählen.“
„Gerne, Judy. Laß hören!“
„Großvater, Du darfst es nicht weiterzählen.“
„Das werde ich auf keinen Fall machen!“
„Ja! Es gibt einen Jungen, in den bin ich so verliebt.“
Und wieder weiß der Großvater, das ist ein echtes Geheimnis. Das darf man nicht verraten.
Aber gibt es außer solchen wichtigen Dingen noch mehr, das wirklich keiner wissen darf? Ich glaube nicht.
Trotzdem scheint in unserer Gesellschaft das Eigentum an den eigenen Daten und der Geheimschutz zum höchsten Gut geworden zu sein. Und die Gesetzgeber der EU und BRD haben sich überschlagen, die DSGVO zu erschaffen und den Weg für den Geheimschutz frei gemacht.
DSGVO wird auch DS-GVO; französisch Règlement général sur la protection des données RGPD, englisch General Data Protection Regulation GDPR) ist eine Verordnung der Europäischen Union, mit der die Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch die meisten Datenverarbeiter, sowohl private wie öffentliche, EU-weit vereinheitlicht werden.
Mit dem Begriff Geheimschutz bezeichnet man ein staatliches Instrumentarium (Verwaltung und Geheimdienste, Militär (Exekutive), Parlament (Legislative)) zur Anwendung im staatlichen Bereich und in der privaten Wirtschaft, das darauf abzielt, Geheimnisse vor allgemeiner Kenntnisnahme zu sichern (Zitat aus Wikipedia).
40 Jahre sind ins Land gegangen. Judy hat geheiratet, sie ist Mutter einer Klein-Judy geworden. Judy ist einer Partei beigetreten, in den Bundestag gewählt worden und sogar ein Ministeramt übernommen. Ihr Ministerium ist zuständig für Klimaschutz, Frieden und die Entwicklung einer sozialen, gerechten und humanen Gesellschaft. Ein sehr wichtiges Ministerium.
🙂 Das alles wirklich ganz fiktiv. Sie hat große politische Ziele:
Judy will den Planeten retten. Dies aber ohne jeden Verzicht und ohne Verbote. Ausschließlich durch moderne Technologie. Wir wissen nicht, ob sie verstanden hat, wie groß die Herausforderung ist und ob ihr Vorhaben realistisch ist. Aber man kann es ja mal so versuchen.
Technologischer Fortschritt braucht vernetzte Offenheit, die Wissen und Kreativität ermöglicht. Wissen ist ein ganz besonderes Gut. Es ist der einzige Rohstoff, der durch Teilen mehr wird. Kreativität braucht Vielfalt. Die Ergebnisse nicht nur der von Steuergeld finanzierten Forschung müssen geteilt werden, am besten global. Es ist ein Wettrennen mit der Zeit.
Judy weiß, dass das Urheberrecht auch Mickey Mouse – Gesetz genannt wird (weil Walt Disney es immer geschafft hat, die gesetzlichen zeitlichen Beschränkungen zu verlängern, wenn das Urheberrecht für die Mickey Mouse abzulaufen drohte).
Sie weiß sogar, dass die Dauer beim Urheberrecht nicht auf eine generelle Jahreszahl festgelegt ist. Vielmehr ist sie abhängig vom Alter des Urhebers bei der Entstehung und seiner Lebenserwartung. Das Urheberrecht wird vererbt. Die Dauer berechnet sich also aus der Differenz des Alters zum Zeitpunkt des Todes minus des Alters zum Zeitpunkt der Vollendung des Werkes plus SIEBZIG Jahre. Schreibt ein 20 jähriger Autor also einen Roman und erreicht er das stolze Alter von 90 Jahren, wird dieses Werk insgesamt 140 Jahre durch das Urheberrecht geschützt sein. Seine Erben in mehreren Generationen können noch 70 Jahre die Nutzungsrechte ausschlachten und verkaufen.
Judy weiß, dass die Forschung in der Pharmazie darunter leidet, dass hier der Schutzzeitraum sehr kurz ist (10 -20 Jahre). Der Zeitbedarf für Entwicklung, klinische Test und Zulassung wächst permanent und deshalb der Zeitraum des Vermarktens zu kurz wird. Und das Produkt schon zum Generika wird, lange bevor es die Investition wieder erwirtschaftet hat.
Sie weiß, dass Patente den technischen Fortschritt nicht mehr fördern sondern einschränken und verlangsamen. Das beste Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist die Technologie des 3D-Drucks. Bei dem nichts vorwärts ging – bis die Patentrechte ausgelaufen waren. Erst dann ging es so richtig ab, in der „open source“ wie in kommerziellen Bereichen.
Das weiß sie alles. Trotzdem stimmt sie im Bundestag für einen starken Urheberschutz. Und lehnt eine ziehlführende, allerdings auch einschneidende Reform des Urheberschutz ab.
Judy wünscht sich eine gerechte und soziale Gesellschaft. Sie weiß, dass das nur mit einem transparenten Gemeinwesen ist.
Bei den Abstimmungen im Bundestag stimmt sie jedoch für die DSVGO und all die Gesetze für Geheimschutz. Was will sie auch machen – es gibt ja einen Koalitionszwang. So lohnt sich ja schon das Nachdenken nicht, ob man nicht eigentlich anders stimmen möchte oder müsse.
Sicher, ist ihr klar, dass Geheimschutz eigentlich immer dazu dient, schlechtes (kriminelles) Handeln und Ungerechtigkeit zu verbergen. Ihr tun die Bürger leid, weil für sie de facto der Geheimschutz nicht gilt. Spätestens beim Vermögen und der Steuer. Und Verfassungsschutz und Konsorten eh alles dürfen!
Aber was kann sie gegen die mächtigen Geheimdienste ausrichten? Und ist es nicht besser, wenn der einfache Bürger von den vielen Schurkereien und Missständen der staatlichen Organe und herrschenden Konzerne erst gar nichts erfährt? Das würde ihn ja nur verunsichern. Und dann käme er vielleicht bei der nächsten Wahl auf dumme Gedanken. Oder er könnte depressiv werden. Und all das mögen wir doch nicht.
Sie will Frieden schaffen. Und ihr ist auch klar, dass die Rüstungsindustrie die Kriege brauchen und machen. Sie weiß auch, dass die USA weltweit die Produktion und Exporte von Rüstungsgütern mit großem Abstand anführen. Wenn der Chef-Lobbyist der USA, ein Mister T., verlangt, dass die Staaten der NATO 2 % ihrs Bruttosozialproduktes für Rüstung ausgeben soll, dann ist sie dafür. Obwohl das alles ihr gegen den Strich geht.
Judy würde gerne das Eigentum reformieren. Besonders das Privateigentum. Aber was ist eigentlich der Unterschied zwischen Privateigentum und Eigentum? Zeit für eine Reform wäre es ja wirklich. Aber sie traut sich da wirklich nicht ran. Die Herausforderung ist zu groß. Ist doch Besitzstandwahrung zum neuen Grundrecht geworden.
Judy sagt, dass es nicht sein kann, dass wenigen Familien in der Welt die Hälfte der Welt gehört. Und ihr die Ursachen klar waren. Denn sie weiß, dass es in frühen solidarischen Gesellschaften, wo die Menschen sich in der Regel vom „Jagen und Sammeln“ ernährt haben, es den Eigentum gar nicht gab. Die Vorstellung von persönlichen Besitz hat da eine sehr untergeordnete Rolle gespielt. Alle Kraft und Zeit der Menschen musste damals fürs Überleben eingesetzt werden. Bei den ersten kulturellen Kollisionen haben sich diese Menschen sehr gewundert, dass sie dann wegen Diebstahls z.B. in Südamerika von den weißen Göttern erschossen wurden.
Das alles weiß sie, auch dass mit dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht sich das geändert hatte. Jetzt gab es sehr wohl Eigentum. Das Eigentum wurde immer weiter und wichtiger. Am Anfang waren nur Dinge Eigentum, der Rest war Allmende. Dann wurden immer zu privatem Eigentum und die Allmendewurden immer weniger. Am Schluß blieb nur noch die Luft zum Atmen, und die wurde von den Öfen und Verbrennungsmotoren vereinnahmt.
Eigentum gab es fortschreitend dann auch an Grund und Boden, wie an Tieren und Menschen. Sogar für das vom Geist geschaffene wurden Eigentumsrechte festgelegt (Urheberrechte – siehe oben das des Autoren. Und sogar die „persönlichen Daten“ wurden zum Eigentum erklärt. Ja, mir gehört mein Geburtsdatum! Wie mein Gewicht und mein Geschlecht. Und wehe, einer klaut es mir!
Auch der Begriff des „Eigentümers“ änderte sich. Konnten am Anfang nur Menschen (natürliche Personen) etwas besitzen und es als ihr Eigentum reklamieren, wurde dieses Recht schnell erweitert auf Organisationen aller Art, die man als juristische Personen bezeichnete. Ich hätte den Begriff visuell treffender gefunden, aber virtuell gabs damals noch nicht so sehr.
Natürliche und juristische Personen bekamen dieselben Rechte. Grund dafür war wohl die Annahme, dass eine juristische Person immer aus mehreren natürlichen Personen (den Gesellschaftern) bestehen würde. Das sollte sich bald ändern. Z.B wurden mächtige Investment-Konzerne, die auch wieder juristische Personen als Gesellschafter hatten zu bestimmenden Gesellschafter bei Unternehmen. Aber die Regel blieb.
Aber im Gegensatz zu natürlichen sind juristische Personen nicht sterblich. Sie leben oft mehrere 100 Jahre und können natürlich viel effizienter mit Gütern wie Grund und Boden und Rechten aller Art spekulieren. Und florierende juristische Personen (z.B Groß-Konzerne, Kirchen wie andersartige Vereinigungen) kamen so zu großem Reichtum . Und ihre Systemagenten wurden zu übermächtigen Menschen. Auch hier passt Mr. T. als Beispiel.
Die Folgen für die Gesellschaft waren schrecklich. Der Kampf um den Boden hat Kriege etabliert. Tiere wurden zur industriellen Ware, Menschen wurden im großen Stil zu Leibeigenen (Europa) oder Sklaven (weltweit), die Gesellschaft auch in Europa fiel in zwei Klassen, in viele rechtlosen und besitzlosen Menschen und wenigen Herren, denen es alles gehörte. Dann kamen Revolutionen und Kriegen. Jetzt sind wir wohl bald wieder so weit, dass wenigen das meiste von der Welt gehört.
Judy weiß das alles. Sie weiss auch, dass es Veränderungen nur gibt, wenn es den wirtschaftliches Interessen der Herren gefällt oder wenn die rechtlosen Gewalt anwenden. Die Sklaverei wurde abgeschafft, weil Arbeiter und Maschinen billiger waren als der Sklave. Der Bürgerkrieg in den USA war kein Gesinnungskrieg sondern ein Wirtschaftskrieg. Die humanitären und idealistischen Motive für die Abschaffung der Sklaverei dienten nur dazu, die wahre Motivation zu verschleiern.
Judy will die Demokratie innovieren.
Judy wird traurig.Vielleicht müsse man die Demokratie reformieren? Eigentlich sollte doch der Bürger der Souverän sein. Aber ist er das heute noch? in einem System der Demokratie wie wir es haben? Einer Oligarchie der Parteien, in der die Spitzenkandidaten nach völlig falschen Kriterien selektiert werden? Und Wahlen, bei denen natürlich die Kandidaten gewinnen, die die besten (und oft die teuersten) Berater haben. So dass letztendlich in der Regel der Kandidat mit dem größten Budget für Marketing die Wahl gewinnt? Und dann als Politiker massiv von einer Heerschar an Lobbyisten beeinflußt und bedrängt und ab und zu auch erpresst wird?
Judy tritt zurück!
Sie denkt an Ihre Kindheit. Kultur und Geisteshaltung wichtiger als Gesetze sind. Die kann man als Politikerin (und auch als Manager) nicht erschaffen. Sie hat Anstand. So gibt sie ihr Amt auf und widmet ihre Zeit den Enkeln.
Hut ab vor Judy!
RMD