Große Redner und ihre Geschichten – #6 Rupert Lay

RupertLayRupert Lay hat mich über viele Jahre meines Lebens begleitet. In meiner Wahrnehmung war er der wichtigste aller meiner Lehrer. Im Frühling 1983, so um die gleiche Zeit wie jetzt, hatte ich mein erstes Seminar bei ihm. Es war für mich eine ganz neue Lebenserfahrung, die Begegnung mit ihm sollte mein Leben ziemlich verändern.

In meinen jungen Jahren war ich skeptisch gegenüber Seminaren zur Persönlichkeitsbildung, wie sie damals noch hießen. 1980 durfte ich als Mitarbeiter von Softlab ein gutes Seminar bei Herrn Uhlenbrock von TPM (Training Psychologisches Management) erleben. Das hat mir meine Skepis genommen

1983 hatte ich ein Seminar bei Rupert Lay, der ein Jesuitenpater war und damals als der Nestor für „Ethik im Management“ galt. Er wurde für uns von Peter Schnupp entdeckt, einem der Gründer von Softlab. Durch Zufall wurde für mich ein Seminarplatz bei Rupert Lay frei. Rupert war damals eine Berühmtheit. Seine Seminare waren sündhaft teuer und dennoch immer ausgebucht.

Das dreitägige Seminar fand in einem eher unfreundlichen Hotel nahe des Frankfurter Flughafens statt. Der Beginn war auf den frühen Nachmittag festgelegt. Da ich früh da war, setzte mich ein wenig vor das Hotel, genoss die warme Frühlingssonne, sah den Menschen beim Kommen und Gehen zu und war gespannt, was mich jetzt erwarten würde.

Vor dem Hotel fuhren ein paar auffällige Fahrzeuge der Luxusklasse vor. Alle mit Fahrern, die wichtig aussehenden Menschen die Tür öffneten und das Gepäck für ihren Fahrgast aus luden.

Dann war es soweit. Pünktlich um kurz vor zwei ging ich in den mit „Professor Lay“ ausgeschilderten Konferenzraum. Wir waren sieben Teilnehmer. Die sechs Seminarkollegen, mit denen ich die nächsten zwei Tage verbringen sollte, waren die Herren aus den großen Limousinen. Sie hatten feinen Zwirn an, ich war eher so im IT-Freizeitlook der Software-Entwickler der damaligen Zeit.

Die Sache wurde mir jetzt doch ein wenig unheimlich. Und dann kam Rupert Lay. Zuerst erklärte er uns die Regeln des Seminars bei ihm. Er hatte eine enorme Autorität. Keines der gesprochenen Dinge dürfe den Raum verlassen. Telefonate waren während des dreitägigen Seminars unerwünscht, das Rauchen nur eingeschränkt erlaubt, der Genuss von Alkohol auch an den Abenden verboten. Absolute Pünktlichkeit war angesagt. Ein Verstoß gegen die Regeln würde zum sofortigen Rauswurf aus dem Seminar führen. Ich fühlte mich wie ein kleiner Schuljunge.

Rupert eröffnete das Seminar mit einer dialektischen Übung. Das Thema war Freiheit. Meine sechs Seminarkollegen waren schnell einer Meinung: Freiheit ist der größte Wert überhaupt. Nach einer kurzen Diskussion übertrafen sie sich gegenseitig in der Bereitschaft, ihr Leben sofort und ohne Widerspruch für die Freiheit hinzugeben.

Ich hatte keine Lust für die Freiheit und auch für sonst nichts zu sterben. Außerdem hatte ich in meiner Jugend zu viel Camus gelesen und war irgendwie der Meinung, dass man wahrscheinlich auch in Unfreiheit bei der richtigen inneren Größe noch personales Glück erleben könne. Mir wurde immer unwohler.

Dann kam die Wende. Rupert bat uns, das Wort Freiheit zu definieren. Und in der Tat kam nur Blödsinn aus den Mündern meiner Seminarkollegen (Dies zu erkennen, war ich schon damals in der Lage). Ich selbst wußte auch keine vernünftige Definition von Freiheit, hatte aber zu diesem Zeitpunkt es schon lange vorgezogen, zu schweigen. Irgendwie war mir das alles unheimlich.

Bis Rupert ziemlich drastisch formulierte, dass es äußerst dumm wäre, für etwas sterben zu wollen, von dem man gar nicht weiß, was es ist und das man auch nicht definieren kann. Und dass es schlimm wäre, wenn solche Menschen auch noch Verantwortung für andere Menschen hätten. Meine Seminarkollegen – wie sich später herausstellte,  alle Vorstände von wichtigen Unternehmen und Verbänden – waren am Boden zerstört.

Und mir ging es wieder besser. Rupert sagte viele Dinge, die mir aus dem Herzen gesprochen waren. Endlich hatte ich jemand getroffen – und dazu auch noch einen so bedeutenden Menschen – der plötzlich meine ketzerhaften Gedanken einleuchtend formulierte.

Es war sensationell. Ich atmete auf  – ich war doch auf der richtigen Veranstaltung.

Vor wenigen Wochen –  nach 27 Jahren – war Rupert wieder bei uns. Jetzt schon über 80 Jahre alt. Und wie früher hat er wieder einen kurzen Vortrag gehalten. Und es war auch wie früher. Rupert gelang es, in schlichten Worten die Dinge auf den Punkt zu bringen.

Rupert hatte in seinem Wirken ein großes Ziel, dass ich ganz hoch schätze. Er wollte nie jemanden bekehren oder gar zum Guru werden. Vielmehr war es ihm sehr wichtig, dass jeder Mensch autonom sein eigenes verantwortetes Wertesystem findet und sich autonom auf seinen Lebensweg begibt.

Für mich war er nicht nur ein großer Lehrer und Redner, sondern auch mein wichtigster Mentor. Ich habe ihm viel zu verdanken, er hat viel zum (hoffentlichen) Gelingen meines Lebens beigetragen.

Danke, Rupert!

RMD

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