HILFE – bin ich etwa depressiv!?

MANIFEST DES FRUSTS

Wenn ich gefragt werde, wie es mir geht, sage ich „volatil“. Weil es geht immer auf und ab geht. Wie auf einer Achterbahn. Denn oft kommt der Frust und zieht mich runter.

Jetzt schreibe ich mir mal ganz explizit meinen tiefen Frust vom Herzen, so eine Art „Manifest des Frust“. Weil ich mir täglich und mindestens einmal wöchentlich die Fragen stelle:

Bin ich hochgradig depressiv und sollte ich mich schleunigst in eine psychotherapeutische Behandlung begeben?

oder

Ist die Lage in der Tat so schlimm, wie ich sie sehe und bin ich gar nicht depressiv?

VORGESCHICHTE

Am 1. September hatte ich im Urlaub in Griechenland einen totalen Zusammenbruch. Den Zusammenbruch hatte ich gar nicht richtig mitbekommen. Folge ich den Erzählungen der Augenzeugen und dem Arztbericht, dann hatte ich bei meiner Einlieferung ins Krankenhaus in Kalamata (Griechenland) eine schlimme Kombination von Gehirnschlag, Kreislaufversagen und allgemeinen Schwächeanfall. Die Erinnerung an meinen komplett misslungenen Versuch gut zwei Wochen später im Krankenhaus in Pasing, das Bett aus eigener Kraft zu verlassen, bestätigt meinen Totalzusammenbruch.

Ein erster Verdacht der Ärzte, die mich nach meiner Einlieferung ins Krankenhaus in Kalamata notbehandelten, war, dass ich – auch dies weiß ich nur aus den Berichten der Augenzeugen – eine schwere Depression hatte. Diese Diagnose hat man aufgrund meiner verzweifelten aber letzten Endes erfolglosen körperlichen Gegenwehr beim Transport ins und bei der Aufnahme im Krankenhaus erstellt.

Aus meiner InterFace-Zeit und den gewünschten Jahresplanungen weiß ich, dass die ersten Annahmen oft am Besten zu treffen. Deshalb nehme ich diese erste Diagnose sehr ernst.

Der Depressions-These wurde aber von den mich begleitenden Begleitpersonen – Barbara und drei meiner Kinder – heftig widersprochen und die kam dann auch wieder runter von der Agenda.

Allerdings habe ich schon länger das Problem, dass vieles von dem was ich täglich erlebe, lese und mich in den täglichen Nachrichten erreicht, immer mehr deprimiert. Oft möchte ich nur noch weinen.

In diesem Artikel werde ich versuchen, meine Depressionen aufzuschreiben – um hoffentlich so besser mit diesen umgehen zu können. Ich will mich „durch schreiben heilen“.

Aber – liebe Leser – Vorsicht beim Lesen! Denn es könnte sein, dass meine negative Sicht der Dinge ansteckend wirkt! Dies Warnung richte ich an alle Leser – jünger und älter! Denn dass Ihr auch depressiv werdet, das will ich wirklich nicht.

Zuerst formuliere ich die verschiedenen Gründe, Annahmen oder Ursachen, die mich so schlimm deprimieren.

PERSÖNLICHES

Zuerst beschreibe ich ein paar persönliche Gedanken:

  • Körper
    Schon der Wiener Psychologe Siegmund Freud hat in einem schönen Aufsatz den eigenen Körper, neben der „Welt“ und den anderen Menschen, als einen der drei
    Stifter von Unbill beim Menschen identifiziert. So habe ich schon als Kind schwer unter Lappalien wie z.B. Zahnschmerzen und Schnee und Eis gelitten. Heute leide ich immer noch unter dem Winter als dunkle und kalte Jahreszeit und körperlichen Schmerzen aller Art.
  • Alter
    Wie ich älter wurde, habe ich bemerkt, dass es plötzlich nicht mehr nur noch aufwärts sondern gelegentlich und immer öfters auch abwärts geht und meinen langsamen aber stetigen Verfall gespürt. Vielleicht kann ich im Alter besser mit der in der Jugend mich so quälenden Frage nach dem „Sinn des Lebens“ umgehen. Dafür werden jetzt die Gedanken um das sich ankündigende Ende und die damit zu erwartenden Bedrohungen immer realer.
  • Krankheiten
    Und dann kommen Krankheiten zum Alter dazu. Oft weiß man nicht, ob es sich bei den Beschwerden um die Symptome und Folgen einer Krankheit handelt. Oder ob es schlicht nur Folgen des allgemeinen Alterungsprozesses sind.
  • Tod
    Auch das Erleben, diesmal „dem Tod von der Schippe gesprungen“ zu sein, freut nicht nur. Denn ich weiß: Irgendwann kommt er dann doch. So dass ich gelegentlich dazu neige, mir zu wünschen, ich hätte das Sterben schon hinter mich gebracht.

ALLGEMEINES

Hier fasse ich Erkenntnisse und Entwicklungen zusammen, die mich frustrieren, die ich abernicht widerlegen kann.

  • Der Mensch ist das grausamste biologische Wesen in der Schöpfung.
    Mein Freund Rudi hat in seinem Buch „Damit kein Gras darüber wächst“ von seinen Kriegserinnerungen als 12-Jähriger berichtet (ich habe im Artikel Buchtipp darüber berichtet) und da auch eine Studie zitiert, die genau das untermauert. Was Menschen alles so anstellen können, finde ich unfassbar.
  • Unser Planet wird gerade irreversibel zerstört.
    Das ist eine seit Jahrzehnten bekannte Erkenntnis (Klimakatastrophe, Plastikvermüllung, Zerstörung der Meere und Böden, Vernichtung der Artenvielfalt, …). Wenn ich das länger ausführe, würde ich mich wiederholen. Dass man das triviale Wissen nicht Ernst nimmt, sondern ignoriert und nicht handelt, macht es noch schlimmer.
  • Die Demokratie ist weltweit gescheitert!
    Schon lange habe ich die Annahme, dass es zwei Feinde der Demokratie gibt:
    den Menschen an sich und die Quantität von Menschen. Menschen sind seltsame Archetypen und komplexe Gemeinwesen, die Demokratie nicht können. Je größer die Gemeinschaft wird, desto schwieriger wird es.
    Jetzt belegt die geschichtliche Entwicklung das Versagen der Demokratie. In vielen Ländern Südamerikas genauso wie in den USA und in Asien. Und besonders in den Ländern Europas. Vor kurzem habe ich gemeint, Bilder aus Georgien im Fernsehen zu sehen. Und dann gelernt, dass es ein Bericht aus Südkorea war. Die Szenen werden immer ähnlicher.
  • Hier ein Konvolut von banalen Entwicklungen, die mir weh tun:

    • die politische Wiedergeburt des Faschismus in Europa
      Hier bringe ich nur die starke AfD als deutsches Beispiel.
    • der drohende Kollaps der Welt-Währungen
      Währungen sind Glaubenssache? Kann ein klarer Kopf wirklich noch an den an den überschuldeten Dollar oder Euro glauben?
    • das Auseinanderbrechen der EU und das Zerbrechen von Staaten,

      Es war ziemlich klar, daß eine weitere Meta-Ebene im komplexen Europa nur Probleme machen würde. Und der Traum von einem Europa der Nationen scheitern würde. Trotzdem wurde die EU (mit Ostblock- und Balkanstaaten) auf Teufel komm heraus erweitert und soll weiter (Türkei, Ukraine, Georgien, …) erweitert werden. Dafür ist Großbritannien (ein Nettozahler) schon ausgetreten. Wann folgt Frankreich? Auch die einzelnen Staaten werden instabiler und polarisieren sich immer mehr im Inneren.
    • dem Zunehmen und der Ausweitung lokaler Kriege,
      die Liste der Kriege wird immer länger (Ukraine, Israel, Syrien, Afrika …). Wann geht es in Taiwan los?
    • dem Verlust der wirtschaftlichen Perspektive
      es gibt eine allgemeine Verarmung, Verelendung droht. Auch im Mittelstand. Heute kann es jeden treffen.
    • dem Zusammenbruch des Wirtschaftwunderlandes DEUTSCHLAND,
      siehe die Pleiten in der Automobil-Branche, aber auch bei Unternehmen wie Baywa und den ehemaligen „hidden champions“.
    • dem kaum mehr vermeidbaren Zerreissen der sozialen Netze,
      Was passiert mit den Sozialversicherungen, was bei der medizinischen Versorgung?
    • dem unaufhaltsam erscheinenden Niedergang von Kultur und Bildung
      Meine Annahme und Vorhersagen sind schrecklich aber kaum zu widerlegen.
    • die permanent beschworene Überlegenheit unseres Lebensstil „western style of life“ überzeugt mich nicht.

ERLEBNISSE

Tägliche Erlebnisse bestätigen meinen Pessimismus. So wie mein aktuelles Wohnproblem, das ich im letzten Artikel berichtet habe. Noch ein paar Beispiele:

  • (ver-)hungernde Kinder.
  • Kriegswaisen.
  • Hundertschaften von Hungernden in Warteschlangen vor Almosenküchen und Massen von  Obdachlosen, beides in wohlhabenden Gesellschaften.
  • Die überall wachsende Kluft zwischen arm und reich macht schwindelig.
  • Der Umgang mit Flüchtlingen in Europa (ETREX) lässt erschrecken.
  • Ein Freund von mir war auch Unternehmer. Immer erfolgreich und gut darauf. Aber außer einem abgezahltem Eigenheim konnte er bei seinem beruflichen Ausstieg im Alter von 75 Jahren keine Altersversorgung vorweisen. Er hatte Glück und konnte sein altes Heim zu einem unglaublichen Preis an ein junges Paar verkaufen. Die können sich die hohen Darlehenskosten nur leisten, weil sie beide bei der EU angestellt sind  und so ein mehrfaches von dem verdienen als normal Beschäftgte. Die neu geschaffene Meta-Schicht EU versorgt ihre Politiker und Administration-Mitarbeiter überdurchschnittlich.
  • Statistiken in der EU
    Es gibt Staaten, die sind Gewinner und Verlierer, Netto-Zahler und -Empfänger. Die meisten sind Empfänger. Deutschland als vormals größter Gewinner zahlt am meisten, einer schwieriger Staat (Polen) bekommt überdurchschnittlich viel. Das kann und wird so auf Dauer nicht gut funktionieren.
  • Statistiken Waffenhandel
    Ein Staat (die USA) stellt weltweit 50 % der Waffen her. Dieser Staat ist unser bevorzugter Partner in der NATO. Auch das macht mich nervös.

So könnte noch länger weiterschreiben. Und ich bin mir sicher, mir würden noch viel mehr Dinge einfallen, die mich  frustrieren.

Die Frage bleibt:

Sehe ich nur schwarz?
Oder:
Ist es wirklich so schlimm?

Noch wichtiger ist mir aber immer eine weitere Frage:

„Was kann ich machen, dass es wieder besser werden könnte?“

Und da fällt mir manches ein. Und schon geht es mir wieder besser. Den der Gedanke, Gutes zu tun, muntert auf.

RMD

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2 Antworten

  1. Es ist genau so schlimm.

    Bei mir schlug, als Heranwachsendem, „Die Blechtrommel“ von Günter Grass ein wie eine Bombe, mit der gleichen verheerenden Wirkung.

    Mich trieb seinerzeit die Frage nach der „Schuld“ für die Greueltaten an. Erinnerte mich an Gedanken aus Bölls „Ansichten eines Clowns“: „Den großen, globalen Irrtum von wegen ‚minderwertiger Rasse, die zum Wohle der Menschheit ausgerottet werden muß wie Unkraut‘, den kann man leicht verzeihen, ABER WER VERZEIHT DIE DETAILS ?
    Wenn ein Familienvater ein fünfjähriges Mädchen vergewaltigt und den kleineren Bruder mit einem Messer ersticht ?
    In der „Blechtrommel“ hat Günter Grass, als junger Mann wohlgemerkt, den universalen Schuldigen entdeckt:

    DEN KLEINBÜRGER.
    In seiner Gier.
    In seinem Neid.
    In seiner Mißgunst.
    In seiner Einfältigkeit.
    In seiner Feigheit.
    In seinem Herdentrieb.
    In seiner Unfähigkeit, Schönes zu empfinden.

    Graß beschließt das „zweite Buch“ seiner Blechtrommel mit einer drastischen Szene, wo ein jüdischer Spielzeughändler von braven Bürgern mit Freuden totgetreten wird, mit den Worten,

    „Es war einmal ein Spielzeughändler, der hieß Markus. Und der nahm mit sich alles Spielzeug dieser Welt“.

    Die „Blechtrommel“ habe ich mehrere Male gelesen, und jedesmal habe ich bei diesem Satz heulen müssen.
    Jetzt auch wieder.

  2. Ich bin zu tiefst betroffen, lieber Roland, wünsche Dir weiter gute Besserung und alles erdenklich Gute für die Zukunft…!

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