Nach meiner „Wutrede“ stellt sich die Frage:
Was ist eigentlich mein Beitrag?
Für mich ist die Philosophie so etwas wie die Lehre vom Leben. Seneca hat schon vor langer Zeit zu seinen Schülern gesprochen:
Die Philosophie lehrt handeln, nicht reden.
So sollte auch der Wutredner prüfen, ob er nur redet oder schon handelt. Und ich gestehe, ich bin nicht zufrieden mit mir.
Zwar versuche ich die von mir kritisierten gesellschaftlichen Normen und eingefahrenen Muster zu verlassen. Und wenn möglich aktiv Veränderung anzustoßen. Aber reicht das aus?
Merke ich doch nur zu oft, wie ich in meiner Bürgerlichkeit gefangen bin. Meine Dompteure waren unter anderem meine Eltern und Lehrer. Diverse Systemagenten wollten mich nach ihren Vorstellungen ausrichten und mir sagen, wo es lang geht. Moralismen und eine extrem kapitalistische Konsumgesellschaft wirken sowieso täglich massiv auf mich ein.
Trotzdem hoffe ich, zu denen zu gehören, die unser „dressiertes Leben“ eben nicht für unabwendbar halten. Zumindest habe ich in meinem Leben immer wieder versucht, den Zügeln besagter Dompteure zu entkommen. Und fühle mich schon ein wenig besser. Aber ich mache zu wenig. Gut, ich fahre nicht mehr Auto. Aber das ist eigentlich schon fast egoistisch zu nennen. Bin ich doch plötzlich viel mobiler und freier als je zuvor. Und mein Leben ist durch diese Veränderung und (vermeintlichen) Verzicht schöner geworden. Das hilft schon beim Umdenken.
Wenn ich meine Generation so sehe, dann bin ich entsetzt, wie viele meiner Weggefährten ihr Leben lang in nicht nur emotionalen Gefängnissen eingesperrt waren. Ich kenne Menschen, die in ihrem Leben jeden Quatsch, den man ihnen verzählt hat, brav geglaubt haben. Die aus Bequemlichkeit scheibchenweise ihre Autonomie aufgegeben haben.
Andere sind kein einziges Mal in ihrem Leben an Biforkationspunkten einem Motto wie „love it, change it or leave it“ gefolgt. Sie sind dann folgerichtig immer kleiner gemacht geworden. Trotzdem nehmen sie sich heute wichtig bis zum geht nicht mehr, leben von ihrem Status und ersticken in ihrer Angst. Das Bangen um ihren Besitzstand bestimmt ihr Leben und lässt sie inhuman werden. Dass auch sie nur sterbliche Wesen scheinen sie vergessen zu haben.
Ich habe keine Lust mehr, dem Schwachsinn dieser Gesellschaft zu folgen. Und will die nächsten Jahre mehr handeln. Dabei habe ich mich auf die Suche nach Vorbildern begeben. Eines habe ich gefunden, es ist Carl Amery. Sein Leben und Werk beeindrucken mich. Ich glaube, er war so eine Art Held.
🙂 Leider bin ich noch kein Held. Aber es kann ja noch werden …
RMD
P.S.
Das von mir verwendete Bild ist aus Wikipedia. Mit ihm ist der Artikel zu Carl Amery (bürgerlich Christian Anton Mayer) illustriert. Es ist das Werk von Richard Huber.