Wenn Du nach Curaçao kommst, dann heißt es
Welcome to Kura Hulanda Museum.
Dieses Museum befasst sich mit der Geschichte der Sklaverei in Westindien. Der Reisende darf es auf keinem Fall auslassen.
Wir sind dem Rat unseres Schiffslektors gefolgt und gingen am Morgen gleich nach der Ankunft in Curaçao zum Kura Hulanda Museum. Es hat sich gelohnt.
Das Museum
In Willemstads Ortsteil Otrabanda findet sich das größte anthropologische Museum der Karibik, das „Kura Hulanda Museum“. Auf einer Grundfläche von mehr als 16.000 Quadratmetern und in 15 verschiedenen Gebäuden wird die Geschichte der Menschen beleuchtet, die vom 17. bis ins 19. Jahrhundert aus ihrer afrikanischen Heimat verschleppt wurden und nach dem Transport über den Atlantik als Sklaven auf Curaçao landeten. Die „West Indian Company“ spielte dabei eine zentrale Rolle und Curaçao entwickelte sich rasch zur größten Drehscheibe im Sklavenhandel auf dem amerikanischen Kontinent.
Zum Formalen:
Der Eintritt ins Museum kostet aktuell 10 US-Dollar und für Menschen, die älter als Sechzig sind, nur 7 US-Dollar. Die drei gesparten Dollar haben wir in einen Führer investiert (Kosten bei einer Gruppe pro Person 3 $). Das lohnt sich auf jeden Fall.
Im Museum:
Wir sind in die düstere Vergangenheit der Insel aber auch der Menschheit eingetaucht und haben das Museum mit großer Betroffenheit verlassen.
Ich hatte noch nie so drastisch erlebt, wie Sklaverei funktioniert hat. Im Museum geht es um die Sklaven, die in Afrika eingefangen und dann auf Schiffen in die neue Welt transportiert wurden. Aufgrund ihrer geographischen Lage war die Karibik wohl eine wichtige Drehscheibe des Sklavenhandels.
Auf den karibischen Inseln wie Curaçao wurde nicht nur mit Sklaven gehandelt. Die Eroberer aus Europa hatten ja die orignäre Bevölkerung mehr oder weniger ausgerottet. So wurden für die Herstellung begehrter Produkte wie Zuckerrohr, Bananen, Gewürze, Salz (vor allem auf Bonaire) dringend Arbeitskräfte gebraucht. Und die einfachste Quelle für diese waren die lokalen Sklavenmärkte.
Das Museum zeigt, wie grausam die Sklaven behandelt und gehandelt worden sind. In welcher unvorstellbarer Enge sie in niedrigen Zwischendecks von Afrika über den Atlantik gebracht worden sind. Wie sie gejagt und gefesselt wurden und welche Methoden (und Werkzeuge) zur Disziplinierung eingesetzt worden sind. Auch wie der Eigentümer sein Brandzeichen gesetzt hat. Und viele weitere oft grausame Details.
Auch die Abschaffung der Sklaverei wird gezeigt. Im französichen Bereich wurde sie sogar zwei Mal abgeschafft, weil Napoleon sie zwischendurch wieder eingeführt hatte. Die Kolonialherren, die die Sklaverei als letzte abgeschafft haben, waren übrigens die Holländer
Wir haben im Museum auch Urkunden aus Deutsch-Ostafrika gefunden. Das waren so typisch deutsche Dokumente, mit denen noch im Jahr 1913 den Inhabern (ehemaligen Sklaven) bestätigt wurde, dass sie ab dem Ausstellungsdatum den Status der „Eigengehörigkeit“ hatten, also über sich selber verfügen durften. 1913 ist für mich nicht so ganz weit weg, das war kurz vor der Geburt meines Vaters in 1919.
Auch nach der Abschaffung der Sklaverei wurden natürlich weiter Arbeitskräfte in der Karibik benötigt. Die benötigten Arbeiter wurden dann in Indien angeworden. Und schnell haben die Eigentümer der Zuckerrohr-, Bananen- und weiterer Plantagen und Zucker- und Rum-Fabriken gemerkt, dass die neuen Arbeiter billiger waren als die Sklaven davor. Weil diese jetzt für sich selber sorgen mussten. Jetzt könnte der Bösewicht unter uns unken, dass auch die Abschaffung der Sklaverei nicht nur aus „edlen“ Motiven sondern durchaus auch aus „kaufmännischen“ Gründen erfolgt ist. Sie hat sich einfach nicht mehr gerechnet.
Da macht es bei mir „Klick“ – und ich erinnere mich an Erlebnisse in Kenia in den 80iger Jahren. Da habe ich gesehen, wie massenhaft Hafenarbeiter stundenlang vor dem Hafen in Mombasa Schlange standen für einen „1-Tages-Job“, der mit 1 US-Dollar entlohnt wurde. Und nur wenige wurden zum Arbeiten reingelassen. Ähnliches habe ich auf einer Radtour durch Tunesien auch vor einer Kali-Fabrik erlebt. Auch da waren nur wenige in der Masse der Wartenden, die rein durften, die anderen haben dann gegen Mittag unverrichteter Dinge wieder aufgegeben.
Das klingt natürlich billiger, als das Investment in einen Sklaven, für den man dann auch noch sorgen muss und z.B. Wasser herbeischaffen (lassen) muss. Die indischen Arbeiter waren natürlich für ihr überleben selber verantwortlich und mussten es selbst organisieren.
Das Museum hat mich so beeindruckt, dass ich vergessen habe, Fotos zu machen, obwohl das dort ausdrücklich erlaubt ist. Ich musste noch lange darüber intensiv nachdenken und habe einiges recherchiert.
Sklaverei und Leibeigenschaft
Und mir ist eingefallen, dass Sklaverei und Leibeigenschaft wohl zusammen hängen. Und die Sklaverei gar nicht so viel anders ist als das in Europa weit über ein halbes Jahrtausend gelebte und ganz selbstverständliche Prinzip der Leibeigenschaft. Auch hier lohnt sich wieder die Lektüre des entsprechenden Artikels in Wikipedia.
Man entdeckt dann viele überraschende Details, wie z.B. die Einräumung eines gegenseitigen Jagdrechts, um entlaufende Leibeigene (Sklaven?) jenseits der Grenzen zu verfolgen.
Dort versteht man auch, dass es wohl nur einen Unterschied zwischen Leibeigenen und Sklaverei gibt. Das ist wieder ein absolut lesenswerter Artikel in Wikipedia, der mich schockiert hat.
Nach dessen Lektüre empfinde ich den Verweis von Politikern auf unsere „abendländische Wurzeln und christliche Tradition“ nur noch als dümmsten Sarkasmus. Denn das „C“ stand vor gar nicht langer Zeit auch absolut für Sklaverei und Leibeigenschaft. Das war eine sehr trostlose Zeit.
Vielleicht sollten sich die Politiker mal so ein klein wenig mehr geschichtlich informieren, auch wenn in der Schule im Fach Geschichte die Leibeigenschaft in all seinen Varianten kein Thema war – wie auch bei mir.
Es gibt nur einen Unterschied zwischen der Leibeigenschaft in den deutschsprachigen und weiteren europäischen Ländern und der transatlantischen Sklaverei:
Die versklavten Schwarzen waren schwarz und stammten überwiegend aus Afrika. Früher hat man sie Neger genannt. Nach dem Urteil von Kirche und sogar der zeitgenössischen Philosophie (Kant) waren sie keine Menschen sondern Tiere. Zu Zeiten Darwins war es für eine feine „englische Dame“ unvorstellbar, dass sie im Sinne der Evolutionstheorie von einem Affen abstammen könnte. Tiere waren so weit weg vom dem überhöhten Ideal des „Menschen“, dass man mit ihnen alles machen durfte. Deshalb mochte man am viktorianischen Hof den Ketzer Darwin mit seinen „neuen Ideen“ gar nicht. Und die Schwarzen galten halt als Tiere.
Die „Leibeigenen“ oder „Grundeigenen“, die den Herren gehörten, denen gerade der Grund gehörte, waren zwar eine ziemlich rechtlose Unterschicht. Aber immerhin galten sie noch als Menschen. Sie wurden von der Oberschicht (Feudalismus, und Kirche) auch durch die Religion domestiziert. Sie waren aber das Eigentum anderer Menschen, die komplett über sie verfügenkonnten. Dies direkt oder indirekt als Grundeigene über den Grund, auf dem sie lebten.
In dem Wikipedia-Artikel über Leibeigenschaft finden wir aus heutiger Sicht sehr eigenartige Gesetze und Grausamkeiten, wie Vereinbarungen zwischen Kommunen zum gegenseitige Jagdrecht auf entflohene Leibeigene. Der Satz „Stadtluft macht frei“ erhält eine klare Bedeutung. Denn der Fortschritt – nicht nur der technologische – hat in den Städten stattgefunden.
Ein Eigentumsrecht auch an Menschen war also in unserer Gesellschaft über Jahrhunderte von Jahren genauso selbstverständlich wie heute das Recht auf Eigentum, dinglichen Gegenständen wie an Grund und Boden und kreativ Erzeugtem (Urheberrecht) oder an den eigenen Daten.
Und obwohl wir kräftig dabei sind, das Eigentumsrecht immer mehr zu stärken (besonders zugunsten juristischen Personen wie Konzernen), haben wir das Eigentumsrecht an anderen Menschen abgeschafft. Das ist doch bemerkenswert.
Da könnte doch der Gedanke kommen, dass vielleicht auch andere Eigentumsrechte reduziert oder abgebaut werden müssen. Zum Beispiel, dass Güter der Allmende auch nicht indivuelles Eigentum. Und dass absurd hohes Eigentum auch nicht sein darf. Und vielleicht, dass juristische und natürliche Personen ein unterschiedliches Recht an Eigentum haben sollten.
Noch eine zynische Anmerkung:
Auf den Schiffen, die von Europa nach Afrika gesegelt sind, um dort Sklaven zu kaufen und diese als versicherte Fracht in die Karibik zu bringen, waren in den Kabinen Missionare, die die Heiden in Afrika bekehren sollten. Die auf der anderen Seite offiziell keine Menschen sondern jagdbares Wild waren. Und dann unten im Rumpf in enge Zwischendecks in eisernen Fesseln transportiert wurden. Und wenn einer davon krank wurde, ging er über Bord, um die gesunden nicht anzustecken. Und das war kein großer Schaden, weil er ja als Fracht gut versichert war.
Auch das lernt man im Museum Kura Hulanda. So hat mich der Besuch im Museum Kura Hulanda mich ziemlich nachdenklich gemacht. Auch weil dort dokumentiert wird, dass die Sklaverei in der Gegenwart wieder zunimmt.
RMD