„Komplexität L(i)eben“ – Session auf #PMCampBER

Hier der Bericht von der gemeinsamen Session von Maik (Maik Pfingsten) und mir am Samstag, dem zweiten Tag und quasi zum Ende des PM-Camp Berlin #PPMCampBER 2015 (11. – 12. September an der Humboldt-Universität).

Unser Anliegen war, ein paar Gedanken zu berichten und diskutieren, wie man auch in einer komplexen Umgebung ein zufriedenes und erfolgreiches Leben privat wie beruflich (geschäftlich) erreicht.

Dazu haben wir einige Thesen entwickelt:

Wahrheit

Nach unserer Bewertung gibt es keine absolute Wahrheit. Sicher gibt es Gedanken, die eher „richtig“ oder „falsch“ sind. Richtig und falsch hier aber nicht als harte Begriffe verwendet sondern als Metapher für „zielführend“, „nützlich“ und ähnliches. Ansonsten diskutieren wir aber meistens nur über unsere Gewissheiten und schlagen uns für diese gerne die Köpfe ein.

Wir vergessen dabei, dass vieles, an das wir glauben, und manches mehr nur ein Konstrukt unseres Gehirns ist. Und nicht vergessen: Wenn es keine Wahrheit gibt, dann kann auch der kluge Satz, dass es keine Wahrheit gibt auch nicht stimmen. Vielleicht gibt es sie ja – irgendwo, wo wir nicht hinschauen können.

Kompliziert versus komplex

Früher habe ich geglaubt, dass das, was sehr schwierig aber noch determiniert ist, kompliziert ist. Und dass das Komplexe da beginnt wo die „Determiniertheit“ aufhört. Wenn der Ausgang nicht vorhersagbar oder durch einen Algorithmus beschreibbar ist, habe ich von Komplexität gesprochen. Andere haben fürs „Komplizierte“ die Metapher des „Toten“ und fürs „Komplexe“ die des „Lebendigen“ gewählt. So ist denkbar, dass die anorganische Chemie immer nur kompliziert ist, die anorganische aber durch aus komplex werden kann.

Maik hat – aus der Sicht des System-Ingenieurs – eine schöne Beschreibung von „komplex geliefert“. Er malt eine Achsenkreuz. Die  X-Achse beschreibt das Maß der Kompliziertheit, die Y-Achse das Maß der Veränderung und Dynamik. Und in dem Maße wie Kompliziertheit und Dynamik ansteigen, wird das System von kompliziert immer komplexer.

Mit dieser pragmatischen Definition kann ich gut leben. Auch hier liegt die Entscheidung ob komplex oder kompliziert in der Verantwortung des Beobachters. Dazu gab es auf #MCampBER übrigens eine sehr schöne Session von Nico Banz – gleich vor uns und im selben Raum. Mit dieser pragmatischen Definition kann ich gut leben. Auch hier liegt die Entscheidung ob komplex oder kompliziert in der Verantwortung des Beobachters. Ein Freund von mir – Nico Banz – hat mal an einem Beispiel belegt, dass die Bewertung ob komplex oder kompliziert auch in der Physik sehr subjektiv sein kann..

Mittlerweile meine ich, dass die akademische Diskussion über komplex und und kompliziert keinen großen Nutzen bringt. Vielmehr geht es um richtige Entscheidungen und zielführende Projekte.

Entscheidung

Die Definition des Begriffes „Entscheidung“ basiert auf zwei Voraussetzungen: Sie muss unter Unsicherheit erfolgen und relevante Folgen haben. Sonst ist es keine Entscheidung.

Spannend im Kontext von Entscheidungen ist auch, dass die Gehirnforschung immer mehr belegt, dass Entscheidungen nur scheinbar von der Ratio (Großhirnrinde) sondern in Wirklichkeit vom Unterbewusstsein und dann eben unbewusst getroffen werden.

🙂 In St. Gallen an der Hochschule wurde übrigens erforscht, dass die große Mehrheit von Management Entscheidungen falsch ist.

Wobei die Unterscheidung zwischen „richtig und falsch“ gar nicht so einfach ist. Es wird noch schwieriger: Wenn man ein Unternehmen oder ein Projekt in der Retrospektive betrachtet, stellt man oft fest, dass die Retrospektive oft zum „Story Telling“ wird. Die gefundenen Stories können zweifelsfrei nützlich sein, allerdings ist bei exakter Forschung (Studium der Protokolle etc.) es gar nicht so einfach, „à posterio“ zu bewerten, welche Entscheidung was bewirkt hat.

Ich wollte immer ein „guter“ Manager und Unternehmer sein. Und richtige Entscheidungen fällen. Und frage mich heute, wie es möglich ist, als Manager „à priori“ richtig zu entscheiden, wenn objektiv sogar im nach hinein nicht definitiv bewertet werden kann, wie die Kausalität war.

Projekte

Hier meine ich, dass es für uns nicht förderlich ist, wenn wir zwischen geschäftlich und privat unterschieden. Die Führung eines Lebens macht mehr Freude, wenn sie ganzheitlich erfolgt. Das heißt, ich muss im Privatleben genauso Handeln wie ich es im Geschäft oder in der Arbeit machen würde. Da gibt es keinen Unterschied.

Gerne stelle ich Dritten die Frage, was sie für mein wichtigstes Projekt halten. Die Antwort überrascht sie oft – aber für mich ist es klar – es ist mein Leben.

Mein Leben ist zweifelsfrei ein Projekt. Es hat einen Anfang und ein Ende. Ich verfüge über ein mehrdimensionales Budget – bestehend aus Zeit, Talent, Wissen, Erfahrung und manchem mehr. Das Ziel meines Lebens ist mein Lebensweg. Ein Teil davon ist mein Tod. Ich möchte gerne versöhnt sterben.

Mein Leben besteht aus vielen Projekten. Manche sind überwiegend privat, andere überwiegend geschäftlich. Es geht also um das richtige Handeln.

Richtiges Handeln

Das ist die wesentliche Frage: Wie soll ich in der Lage sein, richtig zu handeln? Weiß ich doch, dass es keine Wahrheit gibt. Weiß ich doch, das Zukunft nicht vorhersagbar ist. Weiß ich doch, dass ich mich die Konstrukte meines Unterbewusstseins lebe und die Fähigkeit, meiner Vernunft und Rationalität folgend zu Handeln eine Chimäre ist!

Ich meine, es hilft nur handlungsleitende Werte zu finden und diese zu Leben.

Empfehlungen

Ich glaube nicht mehr an Best Practice, Methoden und komplexe Werkzeuge. Ich mag keine Ratschläge (Ratschläge sind auch Schläge). Ich glaube nur noch an Einfachheit und Reduktion auf das Wesentliche. Und ich glaube ans Handwerk, Üben. Auf dem Wege zur Meisterschaft benötige ich Unterstützung von Meister.  So haben mir Mentoren und weise Menschen interaktiv wie als Vorbild in meinem Leben sehr geholfen.

In unserer Session in Berlin habe ich so kurz die Ratschläge von Hans Ulrich und John Izzo berichtet.

Hans Ulrich ist schon seit ein paar Jahren verstorben. Er war der Vater des St. Gallener Management Modells und hat 1982 einen wunderbaren und kurzen Aufsatz geschrieben zum Wandel im Management. Diesen Aufsatz habe ich  am 8. Dezember 2011 im Zug bei der Anreise als Vorbereitung für einen Workshop in St. Gallen gelesen und ich war richtig elektrisiert. Und habe bedauert ihn nicht früher gelesen zu haben.

Hans Ulrich

Hier stichwortartig die „8 Thesen zum Wandel im Management“ von Hans Ulrich mit ebensolchen Anmerkungen:

  1. Ungewissheit und Unvorsehbarkeit der Zukunft als Normalzustand akzeptieren!
    Zukunft ist halt nicht vorsehbar …
  2. Die Grenzen des Denkens weiter stecken!
    Gegen „Das geht doch nicht“ oder “Das haben wir immer schon so gemacht” sein. Die Freiheit der Gedanken nicht unterdrücken. Wissen teilen.
  3. Sich in den Kategorien “Sowohl-Als-auch” an Stelle von “Entweder-Oder” bewegen!
    Schwarz-weiß ist out, Bunt ist in.
  4. Mehrdimensional denken!
    Sittlich verantwortete Güterabwägung, Menschen können eigentlich immer nur drei Gedanken parallel behandeln.
  5. Selbstorganisation und Selbstlenkung als Gestaltungsmodell für die Unternehmung verwenden!
    Verantwortung, Subsidiarität
  6. Managen als Sinn gebende und Sinn vermittelnde Funktion auffassen!
    Neues Managementbild.
  7. Sich auf das Wesentliche konzentrieren!
    Arbeitsökonomie.
  8. Gruppendynamik ausnutzen!
    Kulturen, Symbole, Riten, Rituale …

Diese Thesen hat Hans Ulrich natürlich in erster Linie für das moderne Management formuliert. Sie sind aber für das private Leben genauso nützlich. Müssen sie ja auch – wir wollen ja nicht mehr zwischen Arbeit / Geschäft und privat unterscheiden.

Mehr zum Thema Führung und Hans Ulrich gibt es in IF-Blog gibt es zum Wandel im Management und einen weiteren Sessionbericht wie natürlich auch in meinem „Unternehmertagebuch

John Izzo

Der zweite kluge Ratgeber, den ich erwähnt habe, ist John Izzo. Er hat die gemeinsamen Werte von SeniorInnen erforscht, die von der Allgemeinheit als erfolgreich, glücklich und weise wahrgenommen werden. Und bei solchen Menschen etwas Gemeinsames entdeckt, das er „die fünf Geheimnisse“ genannt hat. Es sind Geheimnisse, die man vor seinem Tode kennen lernen sollte.

1. Geheimnis
Sei Dir treu!
Hier geht es um das „Destina“, einen Begriff der aus Südamerika kommt. Dies jedoch nicht im Sinne von Schicksal oder gar Kismet sondern als persönliche Bestimmung und Berufung im Leben.

2. Geheimnis
Lebe so, dass Du später nichts zu bereuen hast!
Probiere auch mal etwas aus! Habe Mut, etwas zu machen, was auf dem ersten Blick als sehr ungewöhnlich erscheint. Diese kann auch eine konkrete Entscheidungshilfe sein.

3. Geheimnis
Lassen die Liebe in Dir lebendig werden!
Zuerst musst Du lernen, dich selbst zu lieben! Denn nur wer sich selber liebt, kann andere lieben. Nimm die Feindseligkeit aus deinem Leben. Mache die Menschenfreundlichkeit zu Deinem Lebensprinzip und die Menschen um Dich größer und nicht kleiner.

4. Geheimnis.
Lebe den Augenblick!
G
enieße und denke nicht zu viel. Streich das „ja aber“ aus Deinem Wortschatz und ersetze es durch  „ja und“. Kapituliere nicht von dem „Man tut das nicht!“.

5. Geheimnis
Gib mehr als Du nimmst!
Man gibt und bekommt viel mehr zurück. Schenke Vertrauen. Öffne Dich und gib etwas von Dir Preis.

Das Buch von John Izzo habe ich in einem eigenen Artikel in IF-Blog ausführlich besprochen. Ich meine, dass es lohnt, es zu lesen und diese Lebensempfehlungen für sich zu prüfen und vielleicht zu übernehmen.

🙂 Wem dies noch nicht genügt, der sollte sich (wieder) mal das Agile Manifest durchlesen. Da steht alles drin. Und sich Schritt für Schritt zum ALO-Mann entwickeln (siehe meinen Artikel Führung-Werte-Prinzipien) und dann agil, lean und open handeln und leben. Und beim „lean“ vielleicht noch daran denken, wie wichtig im Kanban die „Warum-Frage“ ist.

Dann kommst Du noch besser durch die Welt, ganz gleich ob diese kompliziert oder komplex ist, und ganz gleich ob privat oder geschäftlich.

Aber der wichtigste Gedanke: Nehmt Euch selbst nicht ganz so ernst und seht auch den Rest mehr spielerisch.

RMD

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