Kulturtechniken – Wie sie kommen und gehen!

Heute mal wieder so ein Wort zum Sonntag. Und ich will wirklich nicht den Pfarrer oder Oberlehrer spielen.
Nur:
Wir sind geochronologisch im Anthropozän und die Welt steht am Abgrund. Ursache ist die Spezis Mensch. Und wir tun so, als ob nichts los wäre!


Was wir gestern getan haben, war schon gestern nicht „richtig“ und nicht „gut“. Heute könnte es „grottenfalsch“ sein und morgen reißt es uns vielleicht in den Abgrund. Also müssen wir die Dinge radikal ändern.

Dabei gibt es kein „richtig“ und kein „falsch“; auch kein „gut“ und kein „schlecht“. Es gibt nur einen Fakt: Zurzeit zerstören wir das Leben auf diesem Planeten in einer für die Geschichte der ERDE affenartigen Geschwindigkeit. Wir könnten auch versuchen, das Leben in all seinen Dimensionen zu mehren oder zumindest zu bewahren.
Es geht eigentlich nur um die Frage, was wir wollen.


Roland – so in dem Alter, wie es
mit dem Stress los ging.

Ein Appell für selbst bestimmtes Lernen und die Einsicht, dass uns das „Denken von gestern“ nicht so recht weiter helfen.

Das ist ein ergänzender Artikel zu meinem letzten, in dem ich behauptet habe, dass unser Schul-System den Kindern genau das verwehrt, was die Erwachsenen für sich beanspruchen. Oder andersherum dass wir von Kindern genau das verlangen, was wir Erwachsene für uns aber so auch gar nicht wünschen.

In diesem Artikel meine ich, dass Kinder vom „System“ gezwungen werden Dinge zu lernen, die sie zuerst mal gar nicht interessieren. Und die auch die Erwachsene gar nicht mehr oder nur noch rudimentär können. Meine Gedanke ist, dass wir den Kindern die Freiheit geben sollten, selbst heraus zu finden, was sie interessiert und motiviert. Auf was sie neugierig sind.

Und wir sie nicht in ein Schema von alten Vorurteilen pressen, wie das jeder Rechnen, Lesen und Schreiben können müsse. Dass auch diese vermeintlichen Wahrheiten genauso hinterfragt werden dürfen (müssen) wie viele andere selbstverständliche Gewissheiten.

Digitalisierung und Kulturtechniken?

Die Digitalisierung – wie jeder technologische Fortschritt – verändert die Art zu leben. Kulturtechniken werden immer weniger gebraucht – genauso wie früher Überlebenstechniken. Zum Teil sind sie schon aus dem täglichem Leben eines „normalen Menschen“ verschwunden.

Alles ist im Wandel und darf kritisch hinterfragt werden!

Ich meine, dass dies auch für die sogenannten „Kulturtechniken“ gelten muss (wie Lesen, Schreiben, Rechnen, Fremdsprachen beherrschen …). Deren Wert für unsere Gesellschaft wird nach meiner Meinung völlig überschätzt.

Die Technik und der gesellschaftliche Wandel haben ja auch „Überlebens-Techniken“ ersetzt. Wir quälen unsere Kinder ja auch nicht mehr mit Überlebens-Techniken. Aber von Kultur-Techniken glauben wir, dass sie unersetzlich sind.

Wie war das früher?

Früher verfügten die Menschen über Überlebenstechniken. Die waren wichtig fürs Überleben. Dazu gehörten Fähigkeiten wie Jagen und Zerlegen der Tiere, Feuer entfachen, Pflanzen sammeln und später anbauen, Schlachten und Essen zu zubereiten wie auch handwerkliche wie das Bearbeiten von Holz und Stein oder Töpfern. All das – bis aufs Töpfern vielleicht im Fach Kunst – lernt heute kein Kind mehr.

Heute werden die Kultur-Techniken gedrillt. Vielleicht waren die Überlebens-Techniken die Kultur-Techniken von früher? Fürs Überleben sorgen heute Institutionen mit ihren Spezialisten und Maschinen!

Die Spezialisierung, „Maschinisierung“ und Digitalisierung gelang nur mit Kulturtechniken,  ohne Lesen, Schreiben oder Rechnen war die kaum möglich. Und da wir keine Maschinen dafür hatten, mussten wir es selber machen.

Viele „Fächer“ werden also nicht mehr gelehrt, weil man sie nicht mehr braucht. Trotzdem verschwindet das meiste Wissen nicht. Außerhalb des Spezialistentums gibt es eine Reihe von Menschen, die sich selber  qualifizieren, als Gärtner*Innen, Heimwerker*Innen, Koch*Innen usw. Die haben das aber nicht in der Schule gelernt, sondern es sich selbst beigebracht. Vielleicht gelegentlich auch mal einen Kurs besucht. Einfach, weil es ihnen Spaß macht oder sie vielleicht aus finanziellen oder anderen Gründen dazu motiviert waren.

Wo sind Handwerken und Haushaltskunde geblieben?

In meiner Kindheit gab es in der Schule auch so einen Rest von „alten“ Überlebenstechniken“ als Schulfach. Das war natürlich geschlechts-spezifisch, für männliche Schüler war es „Handwerken“, für die Schülerinnen“Haushaltskunde“.

Denn ein Mann sollte schon ein wenig mit Holz oder anderen Werkstoffen  umgehen können, war er doch für die Reparaturen zuständig. Eine Frau war früher zuerst mal Hausfrau – für die gute Führung des Haushalts war in der damaligen Wertigkeit das Kochen, Putzen, Stricken und Flicken von Socken und Strümpfen wichtiger als das Studium der Wissenschaften.

Keine Spezialisierung ohne Kulturtechniken!

Die Gesellschaft wurde spezialisierter, so wurde in Schulen Lesen und Schreiben gelehrt, weil dies zwingend notwendig war für den zivilisatorischen Fortschritt. Denn die Wissensquellen waren nicht mehr erzählte Geschichten sondern gedruckte Produkte wie Bücher und später dank beweglicher Lettern die Zeitungen. Also musste man lesen und rechnen können.

Wer kann noch rechnen?

Auch das Rechnen im Kopf und auf Papier wurde allgemein in den neuen Pflichtschulen gelehrt. Das war ein großer Fortschritt – konnte man doch ein Jahrhundert davor z.B. das Multiplizieren in Deutschland nur an ganz wenigen auserwählten Hochschulen lernen. Und das auf eine sehr seltsame Form (nämlich mit der Logarithmen-Tafel).

Und seit ein paar Jahrzehnten haben wir wieder eine große Veränderung. Rechnen braucht keiner mehr, denn wir haben Taschenrechner, sogar auf dem Telefon, das kein Telefon mehr ist. Wer kann den heute noch lange  und mehrstellige Zahlenkolonnen mit vielen Stellen sauber auf Papier addieren – so wie wir das in der Schule im Fach „Buchführung“ stundenlang gemacht haben? Wer kann noch auf Papier multiplizieren, dividieren oder sich gar einer Wurzel annähern?

Rechnen im Kopf, das können nur noch ganz wenige. Wer ist denn noch in der Lage, schnell auszurechnen, wieviel er zahlen muss, wenn er zu den 6 Flaschen Wein zum Preis von 2,69 € noch 4 Schokoladen aus dem Sonderangebot à 69 Cent und 3 Semmeln à 37 Cent dazugelegt hat.

Ich erinnere mich, dass das früher für mich ganz normal war. Heute bedarf es für mich einer erheblichen Anstrengung, die obige Rechnung korrekt im Kopf auszuführen. So etwas können nur noch Menschen, die von dieser Magie begeistert sind und intrinsisch motiviert sich es selbst beigebracht haben und regelmäßig üben.

Gibt es das noch: „Auswendig lernen“? 

Für mich waren Gedichte ein Drama, in der „Volksschule“ wie im Gymnasium. Das „auswendig Lernen“ von diesen ist mir schwer gefallen. Ich empfand es eine grausame und fast unmögliche Hausaufgabe. Und hatte ich die fünfte Strophe darauf, dann hatte ich die ersten vier vergessen. Wenn ich dann von vorne anfangen habe war das Ende weg  … Und konnte ich das Gedicht am Abend war es schon am Morgen wieder weg. So bin ich froh, dass man heute in

„Auswendig Lernen“ war auch einmal eine wichtige Kulturtechnik. Besonders bevor es die Schrift gab. Mit „auswendig Lernen“ wurden früher die Geschichten der Menschheit transportiert. Heute benötigen das nur noch die Schauspieler. Und auch hier kenne ich Menschen, die eine unheimliche Freude haben, sich Verse zu merken.

Wie schlimm ist Analphabetismus?

Und wir haben wieder eine große Veränderung. Die Digitalisierung schafft Lesen und Schreiben ab. Die Masse braucht nicht mehr lesen zu können. Es genügt, wenn das die „Elite“ (einige wenige Prozent der Bevölkerung) kann.

Ein gutes Beispiele ist hier Martin Luther, der seine schriftlichen Pamphlete an hölzerne Türen nagelte und damit – obwohl zu seiner Zeit nur ganz wenig Menschen lesen konnten – die Welt aus den Angeln hob.

Ich vermute mal, dass das mit dem Schreiben und Lesen ähnlich werden wird? Wer will noch lange Texte lesen, wenn er in Whatsapp genauso gut Sprachbotschaften senden kann? Und er seine Emotion ohne schreckliche Emojis viel besser über seine Stimme (und beim Video über seine Mimik und Gestik) rüberbringen kann?

Wer will noch zum Buch oder „E-Reader greifen“, wenn er Hörbücher hat. Warum soll man Texte noch lesen, wenn man sie jederzeit in hoher Qualität vorgelesen bekommt?

IF-Blog als Podcast?

„Voice“ stört moderne Menschen nicht, sie laufen ja eh dauernd mit einem Kopfhörer herum! Weil sie die Hände und Augen zum Autofahren oder Computerspielen brauchen. So verwundern mich auch die sich häufenden Anfragen nicht, ob ich nicht meinen IF-Blog auch als Podcast-Blog anbieten könnte.

Auch beim Lesen und Schreiben gehe ich davon aus, dass nur noch ein Teil der Menschen dies in Zukunft beherrschen wird. Manche werden rudimentär dazu in der Lage sein. Andere werden es intrinsisch lernen, weil sie Spaß daran haben oder weil sie es für spezielle Aufgaben halt doch noch brauchen, wie vielleicht fürs Programmieren 🙂

Obwohl Programmieren kein gutes Beispiel ist, erfolgt es doch auch immer mehr im „Clicky-Clicky-Modus“ mit graphischen Elementen? Und vielleicht macht das eh bald die künstliche Intelligenz?

Ich selbst musste als Kind „Stenografie“ und „Schreibmaschine schreiben“ (Zehnfinger-System) lernen. Mein Vater hat das für  eine notwendige  Voraussetzung  für meinen späteren beruflichen Erfolg als „Weißer-Kragen-Arbeiter“ gehalten. Wir Kinder dieser Generation sollten es ja mal besser als unsere Eltern haben.

Im Leben hat mir das nicht so richtig genutzt. Aber als Jugendlicher hatte ich mit Steno (nicht mit Maschinenschreiben) viel Spaß – es war viel angenehmer als Handschrift. Sogar heute habe ich eine wahnsinnige Freude, „Steno“ zu schreiben. Ist für mich so eine Art von Kaligraphie, die ich immer wieder ganz alleine für mich male. Was habe ich aber noch in der Schule gelernt? Englisch und Französisch!

Warum soll ich noch Fremdsprachen lernen?

Warum soll ich heute noch Französisch lernen. Ich möchte gerne die Berichte meiner chinesischen, griechischen, holländischen, polnischen oder russischen „Freunde“ in Facebook verstehen will. Französische Freunde habe ich eigentlich gar nicht mehr.

Gibt es doch immer besser werdende Übersetzungsprogramme, die nach meiner Erfahrung heute schon ganz gut funktionieren aber durch den Fortschritt bei den selbstlernenden Systemen noch deutlich besser werden können.

Die übrigens als „Künstliche Intelligenz“ (KI) bezeichnet werden – was inkorrekt ist, denn die aktuelle Implementierung von KI ist eher „mit Technik generierte Erfahrung“. Ich meine, dass es besser wäre, wenn nur die Menschen Fremdsprachen lernen dürfen (müssen), die ihre Freude daran haben. Und dass es auch so kommen wird.

Denn wenn ich beim Bäcker im fremden Land etwas kaufen will, dann sage ich es einfach durch mein Mobil-Telefon in der lokalen Sprache.

Die humanistische Ausbildung gibt es ja auch noch?

Altgriechisch und Latein sind „tote“ Sprachen. Aktuell werden sie noch an den „Humanistischen Gymnasien“ zwangsgelehrt – wenn man als Kind das Pech hat, von seinen „humanistischen“ Eltern auf ein solches geschickt zu werden.

Wenn wir diese beiden Vintage-Sprachen abschaffen, werden sie übrigens nicht aussterben, weil es bestimmt ein paar Liebhaber geben wird, die sie weiter pflegen werden. Und wenn einer Medizin studieren will, dann kann er ja in kurzer Zeit das kleine Latinum nach machen! Apropos „Humanismus“ – mein „Lieblingsfach“ ist ja der Religionsunterricht.

Was hat der Religionsunterricht an den Schulen verloren?

Der ist auch immer noch Schulfach und wird ganz normal im Zeugnis benotet! Man kann sich zwar davon „befreien“ lassen (man beachte den treffenden Begriff), bekommt dann allerdings „Freistunden“ am Vormittag und muss zur Strafe am Nachmittag in den Ethik-Unterricht. So habe ich es bei unseren Kindern erlebt und zumindest war das so, bevor die für mich unsägliche Ganztages-Schule kam. Wie sehr habe ich in der Schule die freien Nachmittage genossen und genutzt. Aber zurück zum Religions-Unterricht.

Viele Menschen trauen sich ja generell nicht, sich zu befreien. Wenn ich aufgrund von vermeintlicher oder echter sozialer Zwänge ein Kind in einen Unterricht zwinge, dann ist das Zwangsunterricht. Und so werden die Kinder mit Gedankengut unterrichtet (sprich indoktriniert), das psychische Schäden hinterlassen kann.

Zum Beispiel, weil der eine oder andere „Religions-Lehrer“ immer noch gerne die Angst vor dem alles kontrollierenden und bestrafenden Gott als pädagogischen Hilfsmittel nutzt. „Das Paradies im Jenseits“ und „Die Jungfrauen im Himmel“ will ich hier gar nicht bemühen.

Perverse Kulturtechniken!

Gerade Religion sollte nur gelehrt werden, wenn der Betroffene dies sich ganz aktiv und von Herzen wünscht. Und freiwillig dorthin geht.

Das gilt übrigens auch für die Beschneidung, ganz gleich ob von Männern oder Frauen. Beschneidung ist wohl die schlimmste „Kulturtechnik“, die mir einfällt. Vor solchen Beschädigungen müssen wir Kinder zumindest in unserem Lande schützen. Dass die Beschneidung von Generation zu Generation als „Heilige religiöse Tradition“ weiter gegeben wird, darf kein Grund sein, sie zu legalisieren. Das ist dann wieder so eine grausame Form von falsch verstandenem Humanismus.

Beschneidung gehört wirklich abgeschafft. Bei Frauen wie bei Männern. Für mich ist es eine Schande, dass es in Deutschland möglich ist, aus religiösen Gründen Frischgeborenen so etwas an zu tun.

RMD

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