Meine Lieblingsgeschichte: Vom Professor, der die Weltformel erfand!

Hier meine Lieblingsgeschichte:

Es lebte einmal an einer kleinen aber renommierten Universität ein ganz besonders kluger und sehr penibler Professor. Eines Tages fand dieser Professor die Weltformel schlechthin, die alle Fragen der Menschheit beantwortete. Der Professor entwickelte daraus mit der ihm eigenen Präzision einen einzigartigen Vortrag. Er lud alle Professoren und Studenten seiner Universität ein und hielt diesen Vortrag im großen Hörsaal für sie – mit unvorstellbarem Erfolg. Auch ein zweiter Auftritt verlief grandios. Die Rückmeldungen waren so herausragend, dass der Professor beschloss, die Universität zu verlassen und ab sofort Geld zu verdienen.

Bald zog der Professor von Ort zu Ort, von Saal zu Saal und hielt seinen mittlerweile präzise ausgearbeiteten Vortrag. Trotz astronomisch hoher Eintrittspreise waren seine Vorträge immer ausverkauft. Sein Vortrag wurde zur weltweiten Sensation. Nach jedem Vortrag wurde er tosend gefeiert.

So kam unser Professor zu großem Wohlstand. Für seine Reisen leistete er sich eine Luxuslimousine. Da der Professor nicht gerne selbst Auto fuhr, gönnte er sich seinen eigenen Chauffeur. Geld hatte er ja jetzt genug.

Unser Professor war zweifelsfrei ein Genie. Körperlich war er klein und untersetzt. Zudem hatte er eine Glatze! Dennoch war er sehr eitel. Sein Chauffeur sollte nicht besser aussehen als er.

Deswegen suchte er für diese Position einen kleinen, untersetzten Herrn mit Glatze aus, der ihm erstaunlich ähnlich sah und zahlte diesem ein für einen Chauffeur beachtliches Gehalt.

Die beiden zogen durch die Welt, schliefen in den besten Hotels, speisten in den besten Restaurants – und füllten weltweit die größten Säle der Megacities. Der Professor wurde zum Star und unermesslich reich. Er kaufte sich eine noch größere Limousine und trug nur noch teuerste Anzüge gemacht aus feinstem Zwirn.

Sein Chauffeur bekam eine adrette Chauffeurs-Uniform mit goldenen Epauletten. Und jeden Abend, wenn der Professor seinen Vortrag hielt, saß der Chauffeur in der letzten Reihe und lauschte andächtig den Worten seines Chefs. Der Professor scheute die Kameras, so hielt er seinen Vortrag nur leibhaftig.

Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn wurde unser Professor von einer „Midlife Crisis“ erfasst. Er hatte keine Lust mehr, seinen Vortrag zu halten. Just an diesem Tag war für den Abend ein ganz besonderer Auftritt vor den renommiertesten Experten der Welt geplant. Auf dem Weg zum Veranstaltungsort wurde der Professor von Trotz übermannt. Er wollte den Vortrag nicht halten. Aus Verzweiflung befahl er seinem Fahrer, den nächsten Autobahnparkplatz anzufahren. Dort erklärte er dem Chauffeur, dass heute Abend nicht er – der Professor – sondern der Chauffeur den Vortrag, den dieser ja jetzt schon Hunderte Male gehört hätte – halten würde.

Der Chauffeur wehrte sich nach Kräften gegen dieses Anliegen. Dem Argument des Professors aber, dass er schließlich des Chauffeurs Gehalt zahlen würde und deshalb das Sagen hätte, konnte er sich nicht verschließen. So musste er einwilligen. Designer Anzug und Fahreruniform wurden getauscht, der Professor setzte sich ans Steuer, die neue Rolle gefiel ihm und sogar das Autofahren machte ihm plötzlich wieder Spaß.

Angekommen im Vortragssaal ging der Chauffeur ans Rednerpult, der Professor setzte sich auf den Platz des Chauffeurs in der letzten Reihe und genoss seinen eigenen Vortrag. Und der Chauffeur war so richtig gut. Er hatte den Vortrag schon oft gehört und imitierte den Professor glänzend.

Wie so oft im  Leben war an diesem historischen Abend die Kopie besser als das Original. Am Ende des Vortrages toste der Beifall lauter als je zuvor, fast ärgerte sich der Professor, dass der Chauffeur es genauso gut wenn nicht sogar noch besser konnte.

Doch dann passierte es: Ein ernst blickender Mensch aus der zweiten Reihe meldete sich zu Wort:

„Verehrter Herr Professor, ich habe Ihren Vortrag schon mehrfach gehört. Heute war er besonders gut! Mir ist aber auch aufgefallen, dass Sie genau zwei Minuten kürzer gesprochen haben, als Sie das üblicherweise tun. Erlauben Sie mir, die gewonnen zwei Minuten mit dem Stellen einer Frage zu nutzen?“

Der vermeintliche Professor auf dem Podium ließ die Frage jovial zu. Der vermeintliche Chauffeur in der letzten Reihe wurde leichenblass.

Und dann kam sie – die Frage aller Fragen. Die Frage – die alles in Frage stellte! Die Frage, die der Professor schon lange erwartet hatte! Und natürlich hatte er die Antwort schon entwickelt und parat. Wußte er doch, dass diese Frage eines Tages kommen würde. Und die Beantwortung dieser Frage hätte sein zweiter großer Triumph in seiner werden sollen!? Und jetzt stand der dusselige Chauffeur draußen – und ließ die Frage sogar noch zu.

Und die Frage wurde gestellt. Der Professor war verzweifelt. Wie er die letzten Worte des Fragenden hörte, war er in absoluter Weltuntergangsstimmung und der Ohnmacht nahe. Die Katastrophe war passiert. Und dann fing der Chauffeur auch noch an zu antworten:

„Lieber Fragesteller, ohne Sie zu kränken möchte ich Ihnen sagen, dass die Beantwortung Ihrer Frage so einfach ist, dass ich dies doch lieber meinem Chauffeur überlassen möchte!“

Und er winkte den Chauffeur aus der letzten Reihe nach vorne.

Danke fürs Lesen!

RMD

P.S.

Mir wurde Geschichte vor bestimmt mehr als 15 Jahren bei einer Management Veranstaltung erzählt. Seitdem ist sie meine Lieblingsgeschichte. Ich weiss nicht, von wem sie ist, konnte dies auch nie recherchieren. Vom Erfinder dieser Geschichte verneige ich mich, ich würde mich freuen, ihn kennen zu lernen!

P.P.S.

Die Geschichte habe ich erzählt, weil ich Mut machen möchte. Sie zeigt, dass es auch in misslichen Situationen immer einen Ausweg gibt!

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Eine Antwort

  1. Lieber Schachfreund Dürre,
    eine wirklich gutes Märchen. Es reut mich, dass ich diese Seite nicht schon früher, sondern heute zum ersten Mal besucht habe. Aber das hängt wohl damit zusammen, dass ich immer noch Angst vor englichen Ausdrücken habe. In meinem Wörterbuch steht „blog“ nicht drin. Nachdem auch Michael Reiß jetzt diesen Ausdruck verwendet, muss ich mal bei Google nachschauen.
    Freundliche Grüße, Ludwig Karl

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