Aus der Rede unserer Kanzlerin zu Afghanistan ist mir neben der Wiederholung des Satzes eines ehemaligen SPD-Granden „Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“ besonders der Satz „Wir müssen den Mut haben, uns zu einer getroffenen Entscheidung zu bekennen“ haften geblieben.
Wie kann man einen solchen Satz in einem wichtigen Gremium wie dem Bundestag zu einem so ernstem Thema wie Afghanistan aussprechen?
Wieso ist es tugendhaft, sich zu einer gefällten Entscheidung zu bekennen? Was ist bekennen überhaupt wert? Ist es eine moralische Qualität, wenn man sich zu einer Entscheidung bekennt, nur weil man sie gefällt hat?
Ist dies – wenn man schon in solchen moralischen Kategorien denken will – nicht eher Feigheit? Sicher ist es der leichte Weg, sich zu einer „gefällten Entscheidung“ einfach mal zu bekennen. Mut ist, wenn man die Zivilcourage oder gar den zivilen Ungehorsam aufbringt, einen Irrtum einzugestehen und sich gegen eine falsche Entscheidung wehrt und sie zurück nimmt.
Aber so ist das in unserer Zeit. Man stellt völlig unreflektiert eine moralische Forderung, die aufs erste gut klingt und bringt sie im Brustton der Überzeugung hinüber. Und wenn man nicht genau zuhört, merkt man gar nicht, welche unbedachte und falsche Implikationen Teil der rhetorisch selbstbewusst aufgestellten Entscheidung sind.
Der Satz mit der „am Hindukusch zu verteidigenden Freiheit ist“ übrigens noch dümmer. Gerne würde ich unserer Kanzlerin da mal die klassische Frage stellen, was sie unter dem Begriff der Freiheit überhaupt versteht. Und ich befürchte schlimmes.
Glücklicherweise merkt man beim „Hindukusch“ sofort, dass es Blödsinn ist, obwohl die Kanzlerin sinngemäß hinzugefügt hat, dass „man den Sachverhalt nicht besser auf den Punkt bringen könne“. Übrigens auch dies wieder rhetorisch so falsch wie es eigentlich gar nicht geht.
Und das schlimme ist, dass ich solche Katastrophensätze laufend aus den Mündern vieler unserer Politiker höre. Und dann frage ich mich schon:
Deutschland, wo sind Deine Eliten?
RMD
Dieser Satz enthält genau das, was mich an unserer Zeit so stört.
2 Antworten
Ein ergänzendes und harmloses Beispiel (angeregt durch einen Bericht in der SZ von heute):
Beim Kauf der Hypo Alpe-Adria-Bank haben die Verantwortlichen, unter anderem auch Herr Stoiber, viele fundierte Warnungen und Hinweise erreicht, dass da einiges faul wäre.
Herr Stoiber und alle anderen Beteiligten hatten aber den Mut, sich zur getroffenen Entscheidung zu bekennen.
Es gibt da beliebig viel noch ärgere Beispiele.
RMD
It is a well known advertising trick, to praise a product for just those „qualities“ that are its weaknesses. This is what Frau Merkel is doing when she praises the courage of sticking to a decision.
I do not really object to the idea of „defending our freedom in Afghanistan“. If we could establish a liberal democracy there, it would increase our freedom. Anyway, there is the wishy-washy philosophical principle that our freedom depends on the freedom of every other human (or even mammal). It is rather the practicalities that cause trouble.