Der Unterschied zwischen „Klassischen Konferenzen“ und „Unkonferenzen“.
Immer mehr begreife ich, dass Lernen eine soziale Tätigkeit ist. Glaubte ich früher, dass ich von einzelnen Menschen und Lehrern viel gelernt habe, stelle ich heute fest, dass dies nur teilweise richtig ist. Meistens waren meine Lehrer – obwohl ich auch von ihnen einiges mitbekommen habe – nur die Katalysatoren, die Menschen zusammen und in Kommunikation gebracht haben.
So gesehen war nein Leben und Lernen vor allem ein fortwährendes Treffen mit vielen Menschen. Die Begegnungen waren mal intensiver und mal oberflächlicher. Aber immer ging habe ich etwas an Wissen und Erfahrung ab bekommen und wahrscheinlich auch gegeben. Immer haben wir von einander gelernt und uns gegenseitig „abgefärbt“. Ab und zu haben wir uns auch an unterschiedlichen Konstrukten gerieben, auch das war hilfreich.
Erfahrung, Können, Wissen, Klugheit und Weisheit werden oft als individuelle Errungenschaft wahrgenommen. Das stimmt aber nicht, sie sind immer das Ergebnis einer Kommunikation in kollektiver Sozialisierung.
So gesehen sind Unkonferenzen nichts anderes als ein Werkzeug zur Sozialisierung, mit dem man intensive und symmetrische Kommunikation durch Partizipation fördern und den Lernprozess wesentlich dynamisieren kann. Im Gegensatz zu den klassischen Konferenzen, die mir oft soviel starrer und einseitiger vorkommen. Die die Mehrheit der Teilnehmer zur Passivität zwingen und deshalb nicht so viel Spaß machen.
Ein Barcamp oder ein Open Space darf auf keinen Fall zu einer Konferenz werden, auch nicht im Ansatz. Deshalb darf man bei einem Barcamp nicht übers Ziel hinausschießen und zu viel planen und vorbereiten.
Zwei Dinge machen die Unkonferenz aus – Die Session-Planung und die Sessions. Die Planung der Sessions erfolgt gemeinsam. Sie muss auf das Jetzt und Hier eingehen und darf nicht aus der Retorte kommen. Das gilt auch für die Sessions – sie müssen frei bleiben. Sie können aber aufgewertet werden, wenn wunderschöne Formate wie Debatte, redlicher Konsens, moderierter Konsens (Art of Hosting), Fish Bowl, Stroy Telling, Spiele, „prototyping“ und vieles mehr stärker genutzt werden.
Impulsvorträge können nützlich sein, da sie gedankliche Anstöße zum Thema / Motto liefern, so es denn eines gibt. Das ist ja nicht notwendig. Genauso kann ein gutes Intro, die Menschen öffnen und so das Bewusstsein für die für gute Kommunikation notwendigen Voraussetzungen wie Achtsamkeit, Respekt, Anerkennung, Wertschätzung erzeugen – also eine Kommunikation auf Augenhöhe ermöglicht.
Zur Gefahr des Entstehens einer Blase (Bubble).
Gelegentlich wird die Gefahr thematisiert – auch in der Retrospektive zum PM-Camp Dornbirn, dass sich auf barcamps „Blasen“ entwickeln können, die Teilnehmer von der Rest der Welt isolieren können bzw. zur Inzucht führen können.
Das erscheint mir möglich. Denn, immer wenn Menschen in intensiver Kommunikation zusammen kommen kann auch Realitätsverlust entstehen. So kann sich eine Blase (bubble) entwickeln, die aufgrund großer Gemeinsamkeiten zur Gruppenbildung (siehe Klassentreffen) oder zu fachlicher Inzucht (siehe Ausgrenzung) führt.
Das ist ganz logisch, denn natürlich neigen Gleichgesinnte eher dazu, sich in ihren Vorurteilen zu bestätigen anstatt diese sich gegenseitig auszureden. Ich sehe diese Gefahr zwar gering und keine Bedrohung für gute Ergebnisse bringen. Aber auch hier kann entgegen wirken und versuchen den wünschenswerten Pluralismus durch Neuzugänge (newbees) zu befördern. Denn wenn die Neuen genauso Denken wie der Kern der Alten, dann ist Veränderung natürlich gefährdet.
Ich glaube aber, dass es ein ganz einfaches Mittel gegen die Entwicklung von „bubbles“ in offenen Bewegungen gibt. Es ist die Offenheit an sich, die man einfordern und unterstützen muss. Und man sollte darauf versuchen, dass die Teilnehmer von Geschlecht und Alter wie sozialem und fachlichem Background sehr gemischt sind und auch sonst eine große Vielfalt bewahrt wird. Das geht auch nur mit einfacher und transparenter Ansprache aller Gruppierungen und Schichten.
RMD