Offenheit und Transparenz – Utopie und Realität

Dieser Artikel ist schon mal vor zwei Wochen erschienen. Habe ihn erweitert, um die Utopie abzurunden.

Warum wir unsere Projekte und Unternehmen transparent machen und Offenheit der zentrale Wert nicht nur verantworteter Führungsarbeit sein sollte.

Oder:

Jetzt provoziere ich mal wieder!

Ich wünsche mir eine Gesellschaft der Offenheit. Alle Sitzungen, Ergebnisse und Protokolle sollen für alle zugänglich sein.

Denn wir müssen vor Konkurrenten oder Nachahmern keine Angst haben. Wir sind gut und voller Selbstvertrauen. Geheimhaltung hilft uns eh nicht. Im Gegenteil: Transparenz ist die Chance, die Güte der eigenen Arbeit zu demonstrieren (und dafür auch wertgeschätzt zu werden). Und nur so erhalten wir die wertvolle Spiegelung und nützlichen Rückmeldungen, die wir für unsere Entwicklung brauchen.

Ich wünsche mir eine totale Transparenz!

Eine Gesellschaft, in der es selbstverständlich ist, dass  wir frei und offen über unsere Arbeit berichten. So dass wir in  Blogs und/oder anderen Veröffentlichungen unsere Gedanken offen freigeben. Und wir alle unser gesamtes Wissen teilen, damit wir rascher die Probleme finden, die uns schaden und bedrohen. Und schneller notwendige Lösungen für die Zukunft entwickeln können. Die Kreativität und wahre Innovation schafft.

Die Transparenz soll bis zur „Kasse“ gehen. Welchen Grund gibt es eigentlich, dass man nicht wissen darf, was ein jeder so verdient oder besitzt?

Wenn wir mal Fehler oder Quatsch machen sollten, dann müssen wir dazu stehen können, ohne dass wir uns groß rechtfertigen müssen. Und müssen selber auch bereit sein anderen, dies auch zu akzeptieren und ihnen das nach zu sehen.

Und wenn unser Verhalten transparent und offen wird, werden wir schnell auch eine verbale Hygiene erlernen. Und Hygiene hält bekanntlich gesund.

🙂 Jetzt frage ich mich nur, was an dieser Utopie eigentlich provokativ ist?

Aber jetzt mal weg von der Utopie und in die Realität:

Mir ist klar, dass die meisten Menschen diesen Wunsch nach Transparenz heute noch als völlig unrealistisch verwerfen werden. Denn die Welt ist halt nicht so wie wir sie uns vielleicht wünschen würden. Andererseits sind manche Utopien, die vor gar nicht langer Zeit unvorstellbar waren, Realität geworden (Gewaltmonopol für den Staat, Abschaffen von Leibeigentum und Sklaverei, Rolle der Frau, Aufklärung …).

Der gesellschaftliche Wandel ist Teil der Evolution. Und wie das Wort Wandel sagt, unterliegt die Sozialisierung der Menschen individuell wie in den sozialen Kollektiven einer permanente Veränderung. Diese scheint sich durch den technologischen Fortschritt des letzten Jahrhunderts mit der vorläufigen Krönung des selbigen mit Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), also durch Informatik und Internet, drastisch beschleunigt zu haben (und weiter zu beschleunigen).

Uns so könnte meine Utopie schon ein wenig näher gerutscht sein, als sie es zum Beispiel vor 100 Jahren war. Zur Erinnerung, 1912 war kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges, seither ist vieles passiert und hat sich noch mehr verändert.

Deshalb könnte es gut sein, dass Unternehmen und Organisationen schon heute einen großen Wettbewerbsvorteil erreichen, wenn sie nach innen wie nach außen transparent sind. Auch wenn das mit einem Blick aus Vergangenheit und Skepsis als unmöglich und völlig gesponnen erscheint.

Das gilt auch für Menschen. Ich gehe davon aus, dass in der aktuellen Lebensrealität die Menschen, die ihr Leben offen und transparent für andere öffnen, überdurchschnittlich erfolgreicher werden. Und dass das auch für Organisationen aller Art gilt.

Vertrauen wird aber immer vor Offenheit und Transparenz gehen. D.h. Offenheit und Transparenz sind freiwillig. Sie betreffen zuerst mal das eigene Leben oder die eigene Organisation und nicht das der „Anderen“. So geht es nicht darum, andere transparent zu machen, sondern zuerst mal sich selber und das eigene Handeln.

Ausnahmen sind nur erlaubt, wenn Gefahr im Anzug ist. Aber das ist ein ganz anderes und nicht triviales Problem. Wir geraten dann in den Bereich der Ethik, und da wird es immer schwierig.

🙂 Also – froh sein, wenn man selber offen ist und der andere nicht – das ist letztendlich nur ein Wettbewerbsvorteil …

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RMD

3 Antworten

  1. Zu diesem Thema habe ich erst vor kurzem eine schöne Geschichte gesehen. Im ZDF lief ein Krimi-5-Teiler mit einem Doppelermittlerpärchen. Ein dänischer Kommissar und eine schwedische Kommissarin. Die Kommissarin hatte ganz offensichtlich ein Asperger-Syndrom (milde Form des Autismus), das heißt, sie hat allen in schöner Offenheit ungeschminckt ins Gesicht gesagt, was los ist. Mit dem Ergebnis, dass in diesem Fall völlige Transparenz herrschte. Auf beiden Seiten, die man so in einem Krimi kennt.

    Jetzt kannst Du sagen, das Leben ist kein Krimi. Oh doch, das Leben ist ein Krimi und zwei Seiten mit divergierenden Interessen gibt es bei jedem Konkurrenzverhältnis. Ja, selbst der Arzt, der nun keinerlei Konkurrenzverhältnis zur Familie des Todkranken hat, muss sich von Fall zu Fall überlegen, was er sagt – und das ist die Krux mit den allgmeinen Regeln gegenüber der Einzelfallbehandlung. Feste gesellschaftliche Regeln ersparen einem das Denken, führen aber oft zu schwerwiegenden Folgen. Die Behandlung jeden Einzelfalls kostet immer Denkarbeit, kann aber die größten Katastrophen wahrscheinlicher verhindern.

    Offenheit und Transparenz sind geradezu Feste der hohen Moral, aber in den Händen der falschen Leute sind sie so gefährlich wie Mord und Totschlag.

  2. Lieber Detlev – wie Du ja weißt, bin ich da ganz anderer Meinung: 🙂

    Offenheit und Transparenz sind einfach nützlich, um effizienter zu arbeiten und schneller Ziele zu erreichen. Natürlich kann es in Umstellungsphasen Opfer geben aber unter dem Strich lohnt es sich.

    Besuch mit halt mal bald wieder, dann diskutieren wir das wie wir es vor bald 50 Jahren beim Rotwein gemacht haben 🙂

  3. Okay, machen wir. Das wird möglicherweise aber ein langer Abend. Du solltest reichlich Rotwein im Vorrat haben.

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