Anlässlich des Einzugs der Piraten ins Berliner Abgeordnetenhaus habe ich sie wieder gehört:
Die Forderung nach einem kostenlosen öffentlichen Nahverkehr.
Da erinnere ich mich an das Jahr 1972. In München fanden die Spiele der XX. Olympiade statt. Die S-Bahn war ganz frisch, München bekam das schöne Olympiastadion und auch sonst viel Schönes. Mein Vater hat damals bei der Deutschen Bundesbahn in der Revision gearbeitet, ich in den Ferien im Service der DB für die Gäste aus dem Ausland im Auskunftsbüro an Gleis 26.
Die Revision überprüfte verschiedenen Instanzen der Eisenbahn auf kostengerechte Strukturen. Mein Vater hatte die Aufgabe, die Münchner S-Bahn zu analysieren.
Da entdeckte er Erstaunliches. Die reinen Betriebskosten betrugen nur knapp die Hälfte der Gesamtkosten. Der notwendige Zuschuss aus öffentlichen Mitteln betrug aber mehr als die Hälfte der Gesamtkosten des Systems S-Bahn in München.
Das bedeutet, dass der Zuschuss der öffentlichen Hände höher war, als die Betriebskosten der S-Bahn. Und die Fahrgäste haben ausschließlich dafür bezahlt, dass sie zahlen dürfen.
Die Zahlen konnte ich gut nachzuvollziehen. Ich selbst habe noch Jahre später auf der Hannover Messe gestaunt, wie teuer so ein Fahrkartenautomat war (obwohl sie da schon billiger als in 1972 waren). Dazu kommen die Anschluss- und Baukosten und natürlich die Wartung und Versorgung der Systeme. Die Investitionen in die „Bezahl-Struktur“ waren damals ähnlich hoch wie in das rollende Material, die neuen weiß-blauen S-Bahn-Züge.
Bei naiver Betrachtung hätte man damals bei einer „freien Fahrt“ Geld gespart, weil die Kosten für den Betrieb in 1972 niedriger waren als der Zuschuss der öffentlichen Hand.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Zahlen bei der S-Bahn auch heute noch genauso sind. Aber auch wenn der Zuschuss geringer wäre als die Betriebskosten, könnte sich ein Null-Tarif aufgrund anderer Vorteile (weniger Individualverkehr …) rechnen.
Kaufmännisch gesehen ist das natürlich naiv. Denn die gigantischen Investitionen in die ganze Tarif-Infrastruktur sind ja nicht abgeschrieben und würden bei einem Verzicht auf das Fahrentgelt auf einmal fällig werden. Denn man dürfte kaum Automaten Käufer, vielleicht in unterentwickelten Ländern, finden? Und die Versorgungsinfrastruktur für die Automaten kann man sicher nicht durch die Aufstellung von Getränkeautomaten herein bekommen. Sicher wäre auch die Lobby der Automatenbauer dagegen. Arbeitsplätze würden in dieser Branche verloren gehen. Weniger Leute würden mit dem Auto in die Stadt fahren. Schlecht für die Tankstellen und Parkhäuser. Und wahrscheinlich müsste man das Angebot an öffentlichen Verkehr erhöhen. Das müsste ja auch bezahlt werden. Die Kontrolleure und das Marketing des MVV würden arbeitslos werden.
Das sind halt so Sachzwänge, die einen Nulltarif verhindern. Eigentlich schade für einen so revolutionären Gedanken, der auf Anhieb viele Vorteile bringen würde.
Einen anderen Vorschlag der Piraten finde ich auch interessant. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist zum Beispiel „Falsch parken“ nur eine Ordnungswidrigkeit. Man zahlt das Bußgeld und alles ist paletti.
Schwarz fahren dagegen ist spätestens im Wiederholungsfalle eine Straftat. Obwohl man sich ja auch nur öffentlichen Raum widerrechtlich nutzt.
Das finde ich auch nicht richtig.
RMD
P.S.
Diese Datei und die Informationen unter dem roten Trennstrich werden aus dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons eingebunden. Der Urheber ist FloSch. Vielen Dank!
3 Antworten
Sehr guter Ansatz und interessante Ideen deinerseits dazu. Schade eigentlich, dass man so ein eingefahrenes System so schwer ändern kann – wenn überhaupt.
Really good information about human stupidity! In contrast, Babage, (the father of the stored-program computer), got it right when he decided that postage cost in Britain should be independent of distance.
Everybody over 30 has difficulty with the new touch-screen ticket machines! They are a horror particularly for foreigners.