Mehrfach habe ich in den letzten Wochen gehört, dass die deutsche Autoindustrie an ihrer Misere selber schuld sei, sie hätte einfach früher Elektroautos entwickeln müssen. Dies ist zu kurz gesprungen und ignoriert Tatsachen und offene Fragen. Und vergisst, dass die Nutzer ihren Anspruch an das Produkt Automobil erst mal gewaltig ändern müssten, um Elektroautos überhaupt verkaufbar zu machen. Für die meisten Automobilisten wäre z.B. der abgebildete CityEL von der CITICOM AG leider ein absolutes Unauto.
Der Vorteil eines Verbrennungsmotor ist die Nutzung von frei verfügbarem Sauerstoff.
Oft wird vergessen, dass Verbrennungsmotoren bei mobiler Nutzung einen ganz entscheidenden Vorteil haben. Nur eine Komponente des für die Energieerzeugung notwendigen Substanzen wird an Bord mitgeführt, der Treibstoff. Der für die Verbrennung zusätzlich notwendige Sauerstoff wird als frei verfügbares Gut beliebig der Luft entnommen.
Das ermöglicht die enorme Kraftentwicklung aus einer relativ kleinen und wenig wiegenden Treibstoffmenge. Nur so kann der hohe Energiebedarf auf Abruf erzeugt werden, den man im Auto braucht, um die heute als selbstverständlich angesehenen Beschleunigungs- und Geschwindigkeitswerte zu erreichen. Und nur so ist mit einem kleinen Tank eine vernünftige Reichweite zu erreichen.
Wenn der Sauerstoff an Bord mitgeführt (und sogar bezahlt) werden müsste, dann würde das viel mehr Gewicht und Kosten bedeuten. Interessant wäre es übrigens, an Stelle des Ausstoßes von Kohlendioxid den Verbrauch von Sauerstoff pro 100 km anzugeben.
Nebenbei bemerkt ist durch die Verbrennung von fossilen Stoffen der prozentuale Anteil des Sauerstoff in der Luft schon deutlich gesunken, allerdings noch ein gutes Stück weg von der kritischen Grenze, die ja schon mal durch massiven Austritt von Methangasen erreicht wurde und wahrscheinlich die Ursache für das Sterben der Dinosaurier war.
Elektroautos werden in wesentlichen Stückzahlen nur verkäuflich sein, wenn das Nutzungsverhalten der Kunden rationaler wird. Dazu gehört der Verzicht auf große und schwere Fahrzeuge, extreme Beschleunigung und hohe Geschwindigkeiten und Reichweiten. Und natürlich auch auf Komfort.
Aber wo kommt der Strom für die Elektroautos her?
Fangen wir mit der Heizung an. Stellen Sie sich das Elektroauto bei Minus 20 Grad auf seinem Platz unter der Laterne vor. Und dann wollen Sie losfahren und es soll schnell warm werden. Geht eigentlich nur, wenn Sie es in der Nacht am Stromnetz hängen haben und dann rechtzeitig vorgeheizt wird. Was passiert aber, wenn Sie spontan fahren wollen. Oder halten Sie das Auto für die mögliche spontane Nutzung immer betriebsbereit?
Oder die Klimaanlage. Im Sommer steigen Sie ein – das Auto soll schnell kühlen. Kostet alles Strom.
Das bedeutet, dass wir nicht nur mehr Strom für die Mobilität bräuchten, sondern auch für das ganze darum herum: Heizung, Kühlung, Licht … Und da ergeben Rechnungen, dass der Strommehrbedarf auch bei reduzierter Mobilitä massiv wäre. Und wenn dann auch die fossilen Quellen für die Stromerzeugung weniger werden …
Sind die Elektroautos überhaupt noch Fahrzeuge für den Individualverkehr?
Bringen die Elektroautos überhaupt noch die vom Individualverkehr gewünschte Freiheit? Oder muss man da nicht schon viel mehr planen, fast wie mit bei der Fahrt mit der Eisenbahn. Oder kann man in Zukunft vielleicht bei Langstrecken auf der Autobahn die Stromleitung nutzen und seinen Stromabnehmer ausfahren und einhängen. Dann könnte es aber schnell vorbei sein mit überholen und sportlichem Fahrstil. Oder wird das ganze wie im Autoscooter gelöst?
Wie ich ein Kind war, wurden in Augsburg die Pakete und Päckchen noch mit Elektrokarren ausgefahren. Das waren ähnliche Karren wie sie auch auf den Bahnhöfen eingesetzt werden. Nur ein wenig größer. Ungefähr 2 Tonnen Nutzlast konnten sie befördern, hinten waren Sie flach und hatten einen Aufbau mit Plane, vorne eine kleine Fahrerkabine. Nachts standen die Elektrokarren in Reih und Glied bei der Hauptpost und wurden aufgeladen. Sie waren leise und ohne Abgase, aber langsam. Ihren Zweck haben sie völlig erfüllt. Abgelöst wurden sie dann durch ganz normale Lieferautos.
Was bringt die Zukunft?
Wie Dr. Wolfgang Reitzle (siehe auch meinen Artikel Vorträge zur Evolution) schon vor fast fünf Jahren an der TUM vorgetragen hat, ist ein Aufrechterhalten der heutigen Form des Individualverkehrs nur mit Wasserstofftechnologie vorstellbar. Rein rechnerisch wäre das auch möglich. In Patagonien weht genug Wind um die heute weltweit benötigte Energie zu erzeugen. Auch der Platz für die vielen benötigten Windmühlen wäre da vorhanden.
Der Haken ist nur, dass für eine solche Wasserstoff-Technologie eine komplexe und aufwändige Infrastruktur notwendig wäre, für deren Aufbau Unmengen an Ressourcen und Geld benötigt werden würden. Und jetzt haben wir ja unser ganzes Geld für die “Sanierung von Banken” ausgegeben. Wäre wahrscheinlich in der Tat besser gewesen, es in die Wasserstoff-Industrie zu investieren.
Aber selbst dann wäre es immer noch fraglich, ob der schon arg geplünderte Planet Erde noch mal soviel Rohstoffe für uns bereithält, wie wir für eine komplette Umstellung unserer Industrie auf Wasserstoff brauchen würden.
🙂 So gehe ich weiter davon aus, dass wir unser Verhalten ändern müssen und bleibe bei meinem Fahrrad.
RMD
Eine Antwort
Da steuere ich doch glatt zwei Links bei, die mir gerade gestern erst über den Weg gelaufen sind:
Shai Agassi über ein “Komplettkonept” zu Elektroautos (Vortrag, Flash-Video):
http://www.ted.com/index.php/talks/shai_agassi_on_electric_cars.html
Und die Firma von eben jenem Shai Agassi, wo man die Ideen in Ruhe nachlesen kann:
http://www.betterplace.com/
Mir persönlich gefällt das Konzept gut, auch wenn ich eher Befürworter eines verstärkten, verbesserten ÖPNVs bin und Individualverkehr eigentlich gerne weiter eingeschränkt sähe…
wolfgang