Privatheit #2: Das ICH

Der Detlev hat einen Artikel geschrieben: Das Ende vom Ich.

Er hat den Punkt getroffen. Das ICH ist am verschwinden. Da die „Privatheit“ Teil des ICHs ist, kann dann auch diese verschwinden.

Privatheit findet in unserem Kopf statt. Und der Verlust von Privatheit ist eine Kopfgeschichte. Wenn wir „privat“ bleiben wollen, so müssen wir laufend vielen Versuchungen widerstehen. Unsere moderne Kunstwelt bietet so viel (scheinbar) Angenehmes. Oft verbirgt sich aber hinter den Wohltaten, die uns so schmackhaft gemacht werden, Abhängigkeit und Fremdsteuerung.

Nur zu gerne sind wir bereit, ein „Leben aus zweiter Hand zu führen“. Das ist bequem. Nicht nur im Sinne des Vermeidens von körperlicher Anstrengung, sondern auch für die Psyche. Emotionen, die uns übers Fernsehen oder Internet erreichen, erfüllen ihren Zweck und versorgen uns scheinbar mit emotionalem Reichtum. So nehmen wir es wahr. Sie sind aber synthetisch konstruiert und weniger schmerzhaft als die selbst erfahrenen.

So weinen wir im Kino in der „Love Story“. Den Abschied unseres Liebsten zu beweinen, ist uns oft nicht mehr möglich. Es ist wie beim Essen, das dekadente Nahrungsmittel schmeckt uns besser als ursprüngliche.

Unsere Umwelt suggeriert uns im Flüsterton:

•    Es gibt die große Sicherheit,
•    Es ist für alles gesorgt.
•    Es wird alles gut.
•    Reich werden ohne Mühe ist ganz einfach.
•    Mit dem richtigen Rasierwasser und Outfit findet man die Superfrau.
•    Das Glück hat vier Räder.
•    Und manches mehr dieser Art.

So gaukelt die – von uns für uns – geschaffene Kulturwelt vor, dass es ein perfektes Leben geben könne. Und bietet uns als Lösung eine sterilisierte Variante von Leben an. Und wir folgen den Verlockungen der Sirenen der Konsumgesellschaft nur zu bereitwillig, verdrängen unsere Privatheit und geben diese gemeinsam mit unserem ICH gegen Tand an der nächstbesten Garderobe ab.

Der Verlust der Privatheit hat etwas damit zu tun, dass wir die „Naturwelt“ mehr oder weniger verlassen haben und uns in eine (künstliche) „Kulturwelt“ begeben. Nicht der technische Fortschritt wie das Internet, Google-Streetview, Amazon oder der Transparenz unserer Kreditkartenabrechnung oder veröffentlichte Videos oder gesammelte Personendaten sind schuld, wenn wir unsere Privatheit verlieren. Sondern dass wir unsere Autonomie des eigenverantwortlichen Handelns aufgeben. Dies war aber in der Welt vor dem Internet schon genauso gefährlich wie im „Cyberspace“.

Ich versuche, in der realen Welt und im Internet ganz bewusst sehr offen aufzutreten. Im IF-Blog wie bei duerre.de schreibe ich, was ich denke und meine, was ist. Ich bin überzeugt, dass es immer am besten ist, den Dingen im „offenen Hemd“ zu begegnen.

Und mein Eindruck ist, dass meine Privatheit durch meine Transparenz in der Öffentlichkeit gewachsen ist.

Nein, es liegt an unserer Bequemlichkeit und unserer Angst, für uns selbst wieder die Verantwortung übernehmen zu wollen und nicht am Internet, wenn wir unsere Privatheit verlieren.

RMD

P.S.
Anlass (aber nicht Ursache) für meine Serie „Privatheit“ war der Artikel von Herrn Bolz in der SZ (Clickes Schmied).

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