Referat 6: Unternehmenserfolg zwischen Aufrichtigkeit und Bluff (Referent: Roland Dürre)

Hier mein Referat vom 22. November beim philosophischen Kolleg im Grashof zu Kalbach. Das Skript ist immer noch nicht komplett ausgearbeitet. Ich veröffentliche es jetzt doch mal und hoffe, dass meine Leser nachsichtig, aber trotzdem kritisch sind. Und nehme mir ausnahmsweise das Recht raus, im Lauf der Zeit da noch ein wenig dran zu feilen.


Ein langer Artikel für das Wochenende. Viel Spaß beim Lesen oder darin herumstöbern.

Unternehmenserfolg zwischen Aufrichtigkeit und Bluff

Mit diesem Vortrag will ich provozieren.

Einführung:

Der Vortrag ist von mir selbst entwickelt worden. Wäre ich ein Politiker oder ein Vorstand eines Dax-Unternehmens, wäre das in der Regel anderes. Dann hätte einer meiner beiden Assistenten nach kurzem Briefing einen Aufsatz geschrieben, mein Back-Office die Folien gemacht und ich dann nach geringfügigen Änderungen diesen Aufsatz hier als meinen Beitrag vorgelesen.

Frage: Beginnt dort schon die Lüge? Ist es eine Lüge, wenn man gar nicht weiß, von was man spricht?

Hinführung:

Ich spreche von Unternehmen. Also zuerst eine Definition. Was ist ein Unternehmen?

Unter einem Unternehmen verstehe ich ein öko-soziales System, also ein soziales System, das ökonomische Ziele hat. Ein „Unternehmen“ hat in der Regel wirtschaftliche Ziele, produziert Waren oder Dienstleistungen und hat sich dafür einen eigenen Kosmos aufgebaut.

Es ist aber auch Teil eines größeren Kosmos, der (Um)-Welt. In der „Umwelt“ gibt es oft konkurrierende öko-soziale Systeme, die dann gerne als „Marktteilnehmer“ bezeichnet werden. Früher hießen diese „Mitwettbewerber“, ganz früher „Konkurrenten“.

Es gibt viele Stakeholder, also Anteilnehmer oder Teilhaber des Unternehmens, die in einer besonderen Beziehung zum Unternehmen stehen. Dies sind mit Sicherheit die Mitarbeiter und auch die Aktionäre. Alle Stakeholder nehmen auf verschiedene Art und Weise an der Entwicklung und des Lebens des Unternehmens teil. Stakeholder sind überwiegend natürliche Personen, können aber auch andere Systeme sein. Eine besondere Spezis von Stakeholder sind die Shareholder.

Ich versuche eventuelle Ansätze zur Lüge und zum Bluff in zwei Dimensionen zu beschreiben:

  • In den Beziehungen zu den Stakeholdern des Unternehmens und
  • in seinen „Practices“, also der Art und Weise, wie es sich verhält.

Außerdem möchte ich einige „Weltlügen“ der Betriebswirtschaftslehre und -volkswirtschaft erwähnen und kritisieren, die mich schon in meiner Jugend ereilt haben. Auf der Zielgeraden des Vortrages möchte ich zeigen, dass für ein Unternehmen „Geschichten“ vielleicht relevanter sind als „Entscheidungen“. Geschichten machen Zukunft und können so nie wahr sein.

Entscheidungen erfolgen immer unter Unsicherheit und Unwissenheit, bei komplexen Entscheidungen könnte eine Wert basierte ihre Berechtigung haben. Sachlich-fachliche Begründungen für Entscheidungen werden aber meistens unwahr oder nur zufällig richtig sein.

Aber jetzt erst mal zu den Teilhabern eines Unternehmens.

Stakeholder:

Ein Unternehmen ist ein soziales System.

Das Unternehmen „gehört“ zwar den Anteilseignern (den Shareholdern). Das heißt, dass das Kapital, über das das Unternehmen verfügt, natürlichen oder juristischen Personen gehört. Sie dürfen über die Gewinnverwendung bestimmen und sind an der Ausschüttung beteiligt.

In guten Familienunternehmen, die über viele Generationen erfolgreich sind, gilt eine wichtige Regel.
Das Interesse des Unternehmens geht vor dem der Familie!
(Das Unternehmen ist nicht dafür da, die teuren Autos der Familienmitglieder zu finanzieren).

Die Familie ist aber nur ein Spezialfall des Shareholders. Erweitern wir diesen Gedanken allgemein, dann könnte man auf die Idee kommen, dass diese Regel generell für Shareholder gelten sollte. Das hieße dann:

Das Interesse des Unternehmens geht vor dem der Shareholder – sprich der Aktionäre!

Scheinbar ein revolutionärer Ansatz – nur „vernünftige Aktionäre“, die mit ihren Aktien z.B. ihren Lebensabend sichern wollen, dürften genauso denken.

Die Shareholder sind recht unwichtig für den Erfolg eines Unternehmens. Sie sollten am besten den Mund halten, dem Management vertrauen und sich über die Rendite freuen, die sie für ihre Aktien bekommen, ohne etwas tun zu müssen.
Vielleicht sollten sie (im Kollektiv) noch aufpassen, dass das Unternehmen nicht zum Unrechts-System verkommt oder sonstigen Schaden nimmt. Dies ist in der Regel die Aufgabe des von ihnen gewählten AR oder VR (Schweiz), aber eine zusätzliche Kontrolle des Aufsichtsrates schadet bestimmt nicht.

Für den Unternehmenserfolg sind jedoch die Teilhaber des Unternehmen, die Stakeholder, von Bedeutung. Ich zähle mal einige Lügen auf und nenne Stichworte, wo in der Beziehung Unternehmen-Stakeholder Unredlichkeiten und Lügen alltägliche Normalität sind. Ich liste ein wenig auf und versuche beispielhaft Lügen im Verhältnis Stakeholder-Unternehmen zu zeigen. Dazu werde ich auch Fragen aufwerfen, die jene Lügen implizieren.

Hier die Stakeholder:

  •  die Kunden, ohne die ein Unternehmen nicht leben kann.
    Lügen im Marketing (früher innovative Produktankündigung, heute Psychotricks auf neuem Niveau, Telekom bei Privatisierung, kanadische Ölschiefer gegen Erdöl)
  • die Mitarbeiter, die das Unternehmen bilden und gestalten
    Hier wird von der Stellensuche bis zur Entlassung oder Ruhestand gelogen.
  •  die Lieferanten, die jedes Unternehmen hat
    Hier geht es von der Lüge bis zur Erpressung
  • Das Management (meistens eine Sonderrolle)
    Das Management wird belogen und lügt selber. Hier ist die 
Lüge oft eine systembedingte Notwendigkeit – dazu später im Vortrag.
  • Der Aufsichtsrat
    Soll in Deutschland vor allem kontrollieren (in der Schweiz macht der Verwaltungsrat mehr). Aber Vorsicht – zwischen AR und Vorstand wird oft auch viel gemunkelt …
  • die Gemeinde, in der das Unternehmen zu Hause ist,
    Versprechungen, um Vorteile zu erlangen, werden nicht immer gehalten (Beispiel Nokia).
  • den Staat, an das es die Steuern zahlt
    Steuerschwindel – nicht nur Konzerne finden legale Möglichkeiten, Steuerlasten zu reduzieren
  • die Familien der Mitarbeiter
    Auch da stimmen die Geschichten nicht immer (Nomadentätigkeit)
  • der Kindergarten und die Kneipe um die Ecke
    (Abhängigkeit)
  • und manche mehr!

Aber es gibt jenseits der Stakeholder, mit denen das Unternehmen personal und systemisch interagiert, noch mehr „Welt“, die vom Unternehmen beeinflusst, geprägt und belogen wird.

Und da meine ich nicht nur die Umweltthematik im Sinne von Abgasen und Abwässern, die freilich eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen nicht nach Indien gehen, um vorne den Umweltschutz als ISO Nummer auf großen Plakaten zu sehen, und hinten läuft das Gift ins Meer.

Auch in Bayern finden wir den Forstdienstleister, der auf seinen Fahrzeugen den Schriftzug „Wir lieben den Wald“ stehen hat, und beim Holz machen so ziemlich alles kaputt macht, was man kaputt machen kann“ (auf der letzten Radtour gesehen). Aber es geht nicht nur um Umwelt. Und der Laden, der nur noch die Semmel aufwärmt, hat das Schild „Bäcker“ vor sich.

Es ist auch der lokale und globale Impact eines Unternehmens auf Menschen und ihre komplexen sozialen Strukturen. Die durch Unternehmen bewirkte Veränderung von Gesellschaften, Nationen, Völkern, ja vielleicht der Welt (Nestle). Ich nenne es mal die „externe Welt“. Gerade die Einwirkung von großen Unternehmen auf die „externe Welt“ (jenseits auch der stakeholder) ist wesentlich. Und hier ist die Lüge immanent. Muss sie es sein?

Hier wäre es an der Zeit, eine Externitätenbilanz von Unternehmens zu fordern und diese kritisch zu überprüfen. Denn Konzerne werden global immer mächtiger! Konzerne wie Exxon oder Nestlé können nicht nur Umwelt zerstören (oder bewahren), nein sie verändern ganze Staaten, soziale Gewohnheiten.

Einschub: Was ist eine Externitätenbilanz?
Früher haben Konzerne wie Siemens neben der kaufmännischen Bilanz auch eine Sozialbilanz erstellt. Sie enthielt z.B. wie viel Kindergartenplätze oder Stellen für Behinderte von Siemens geschaffen worden sind. Analog wäre heute eine Bilanz wünschenswert, die alle Auswirkungen des Unternehmens und Beeinflussung der externen Welt, sprich der Umwelt (in der doppelten Bedeutung des Wortes) beschreibt, bewertet und saldiert.

Manche Unternehmen versuchen so etwas, allerdings ist dann das Ergebnis eine meistens total gefälschte Image-Broschüre oder ein alles andere als objektive Teil des Jahresberichts.

Practises, bei denen geblufft und gelogen wird:

Damit sind die operativen Tätigkeiten gemeint, wie sie in Lehrbüchern geordnet beschrieben werden können. Die Dinge, die ein Unternehmen halt so machen muss. Natürlich am liebsten als Best Practises. Es gibt verschiedenen Dimensionen, mit denen ein Unternehmen operiert.

  • Strategie und Planung
Die unternehmerische Lüge im Business Plan
  • Marketing und Vertrieb
    Mondpreise, Rabattierung, Groupon
    Ausnutzung aller Effekte, die wir im Buch „Denken nützt zwar, hilft aber nichts“ so schön beschrieben finden.
    Leasing ist da auch ein gutes Beispiel, wie man teure Güter verkaufen kann.
  • Zielvereinbarungen, Profiling, Ranking, Mohrrübe (Personal)
Praxis und Lehre basieren hier häufig auf einem falschen Menschenbild (Steuerung über materielle Entlohnung), oft erleiden Menschen finanzielle Nachteile, weil das Handeln getreu dem formalen Ziel dem Unternehmen schadet.
  • Zertifizierungen
    Betrug im fachlichen Bereich
  • RISC Management und ISO
    Die Sicherheitslüge, Prozesse vor Menschenverstand. Hier wird oft einem „unternehmerischen Überich“ gefolgt, dass als Doktrin oder Dogma nicht angezweifelt werden darf.

So wird zum Teil aus Zwang und Not, meistens unnötig und ab und zu sicher zwingend notwendig aber immer öfter gelogen. Die Lügen werden auch immer subtiler.  Oft zwingen uns die unternehmerische „Musts“ zum Lügen. Ob so ein „Must“ als unsinnig bewertet wird oder sinnvoll zu sein scheint, spielt keine Rolle. Oft kann man es ja auch gar nicht als „wahr“ oder „falsch“ bewerten.

Oft sind die Musts selbst schon Lügen. Aber was hilft es, wenn ich als handelnder Akteur daran glaube? Ist die Ableitung einer Lüge auch eine Lüge, selbst wenn sie die subjektiv gefühlte Wahrheit darstellt?

Große Lügen (Weltlügen)

Abschließend möchte ich noch vielleicht provokative Beispiele  als Denkansätze geben für typische Ideale/Leitsätze, die dermaßen verbreitet sind, das sie mir als Weltlügen erscheinen. Ich hoffe, dass diese auch eine gute Diskussionsgrundlage bieten. Die Beispiele sind:

  •  Freier Handel ohne Grenzen ist gut!
    Wohin hat uns das de facto gebracht?
  •  Wachstum ist gut!
    Jeder weiß, dass die Erde begrenzt ist und die Ressourcen endlich sind. Man wächst aber auf Pump (oder durch Zukauf) und setzt so scheinbar die Gesetze ausser Kraft.
  •  Dienstleistungsgesellschaft (versus Industrieproduktion)
    Wie oft gehört: Die Zukunft gehört den Dienstleistern. Und wenn die Krise kommt, heißt es:
Wir haben zu wenig industrielle Arbeitsplätze.
  • Ohne Autos kann man nicht leben

Das letzte ist ja ist ein besonders gutes Beispiel für typische Manipulation, die über Jahrzehnte ging. Sie ist so stabil, dass es unpopulär und ketzerisch ist, Maßnahmen gegen das Auto zu fordern (Wegfall von Subventionen, Tempolimit …). Weil es uns Wohlstand beschert hat! Nachdenken – ob das wahr ist? 
Früher wäre ich heute mit dem Auto zum Grashof gefahren. So war ich halt mal sozialisiert/dressiert …
Betrachten wir die Geschichte des Autos.

Das Auto war ursprünglich ein „Spielzeug der Reichen“. Die Industrie erkannte die große Chance, die sie hatte, wenn sie ein so teueres Produkt in großer Menge herstellen konnte. Und mit vielen Einzelmaßnahmen (Akzeptanz über Sport – Nürburgring als Beispiel) wurde der Siegeszug des Autos durchgesetzt und ein irrationales aber hoch emotionales Produkt geschaffen. Unterstützt wurde das von Interessen der Politik (drittes Reich). Ein Ergebnis war die deutsche Autobahn, die zu Vorbild für die Welt werden sollte. Die Autoindustrie ist auch ein exzellentes Beispiel für einen Punkt, für die Notwendigkeiten von Externitäten-Bilanzen (Verkehrstote, Landschaftsverbrauch, Gesundheitsschädigung durch Lärm und Bewegungsmangel …).

Erfolg von Unternehmen

Soziale Systeme wie Unternehmen sind sehr komplex. Unternehmerische Entscheidungen sind fast immer vieldimensionale Mehrzielentscheidungen. Der Erfolg hängt aber wesentlich auch von richtigen Entscheidungen ab.

Menschen sind aber wohl nur in der Lage, wenig Argumente parallel zu bewerten und neigen so dazu, immer zu vereinfachen

Entscheidungen werden immer unter Ungewissheit gefällt. Sie fallen leichter, wenn man im Besitz einer vermeintlicher Wahrheit ist und sich seiner Sache „gewiss“ ist  (Gewissheit).

So tun sich Führer leichter, wenn sie Dinge selektieren und simplifizieren. Und dann Glaubenssätze definieren, die ihre Entscheidungen und das Handeln rechtfertigen.

Der Druck aber ist groß. Die Vorgaben kommen von oben oder von Glaubenssätzen:

Nur Marktführer überleben.
Mit Überleben ist selbstverständlich permanentes Wachstum und Gewinnsteigerung gemeint.
Jetzt muss jeder Marktführer werden. Es kann aber nur einen geben. Und wenn man es dann geschafft hat, wird gejammert:
Marktführer sein ist ein großer Nachteil!
Weil das Verteidigen der Position viel schwieriger ist, als sie zu erreichen.

Und der Aufsichtsrat fordert
Umsatz und EBIT (der Gewinn vor Steuern)  müssen laufend steigen.
Aber: Ich kenne keine Firma, die dies über einen relevanten Zeitraum hinweg geschafft hat. Sogar IBM und CocaCola hatten ihre Krisen.

Wachstum kostet Geld.
Das ist ein vereinfachtes Beispiel für eine ungeheure komplexe Unternehmenswelt mit dauernd gegensätzlichen Anforderungen, die manchmal im völligen Gegensatz stehen. Ein Unternehmen soll dauernd wachsen und die Ergebnisse sollen sich dauernd verbessern. Man weiß aber, dass Wachstum Geld kostet: Für Forschung oder neue Menschen, die erst eingearbeitet werden müssen. So bleibt das „Soziale System“ Unternehmen auf der Strecke. Das Management wird zum Systemagenten, die Menschen zum „Unternehmenssklaven“.

Jetzt sagt man aber, dass Erfolg von der Innovationsfähigkeit abhängt. Das mag durchaus richtig sein. Wie aber soll ein faschistoid geregeltes soziales System, dass nur aus Systemagenten und Leistungserbringern besteht, innovativ sein?

Besonders, da innovativ sein heißt, hinter den Horizont zu schauen. Der Horizont ist aber sehr nah (auf der Erde 4,5 km).

Lügen versus Ethik:

Selbstverständlichkeiten in Frage stellen! Es sich nie leicht zu machen. Denkmuster hinterfragen. Alternativlosigkeit verbieten, Toleranz einfordern. Wissen teilen. Vernunft, Zuhören, Empathie fördern! Das Unternehmen zum angstfreien Raum machen. Freiheit und Freiraum schaffen. Einfache und klaren Regeln festlegen. Transparenz schaffen. Umgang auf Augenhöhe ermöglichen!

Das alles erlaubt durchaus die Lüge. Hilfe fürs Management:

Entscheiden?

Bei jeder „Strategiediskussion“ oder „Zukunftsplanung“ merken wir, dass die Dinge so komplex sind, dass eine rationale Planung nicht mehr möglich ist. Viele chaotische Einflüsse sind denkbar.

Die Vorhersage von Entwicklungen ist schwierig, besonders wenn diese in der Zukunft liegen.

Volksmund: Es kommt immer anders als man denkt! oder Der Mensch denkt, Gott lenkt.

Mein (und der andere Unternehmer) Blick in die Vergangenheit bestätigt dies. Die meisten Annahmen der letzten Jahre haben sich im nach hinein als falsch erwiesen. Kunden, die sicher schienen, sind plötzlich weg. Ganz andere – oft durch Ketten von Zufällen – plötzlich da. Vertrieb ist kein determinierter Prozess, wie er oft dargestellt wird (Vertriebslüge). Unternehmer sein heißt auch Wetten. Probieren Sie es beim Fußball oder mit Pferden. Man liegt mehr falsch als richtig … Entscheidungen werden ja schon per Definition unter Unsicherheit gefällt.

Woran orientiert man sich bei Entscheidungen unter hoher Unsicherheit. Da ist die Ethik kein schlechter Kompass. Der Volksmund bestätigt das:

Unrecht Gut gedeiht nicht.

Die Geschichten des Volksmundes sind Geschichten der Menschheit. In ihnen liegt viel Wahrheit. Wenn eine Entscheidung ethisch ist, ist sie eigentlich nie schlecht. Nach meiner Erfahrung waren unsere „ethischen Entscheidungen“, die einer sittlich verantworteten Güter- und Werteabwägung gefolgt sind, nie schlecht.

Persönliche Anmerkung zu Unternehmern und Managern

Vielleicht noch zum Lügen:

🙂 Da man eigentlich nie im Besitz der Wahrheit ist, lügt man ja fast immer.

Lügen ist ja nur ein Teilbereich von Management. Bluffen und Show machen ist normal. Aber die Frage ist gerade für Manager sehr relevant. Forschungsergebnisse von RISE aus St. Gallen haben nämlich ergeben:

Ein Unternehmer oder Manager verbringt seine wesentliche Zeit im Unternehmen damit, „Geschichten“ zum Unternehmen, zur Zukunft, zur Vergangenheit zu erzählen (Referenz RISE, St.Gallen). Das sind strategische Überlegungen, Begründungen für Entscheidungen, Reflektionen für die Vergangenheit und viele, viele Theorien, warum etwas funktioniert (oder funktionieren wird) oder eben nicht.

Wenn die Geschichten rückwärts erzählt werden, sind sie ganz anders als sie vorwärts waren.

Beim Erzählen von Geschichten helfen wir uns wie beim Begründen von Maßnahmen mit unseren vermeintlichen Gewissheiten. Da wir aber nichts wissen, sind die Geschichten und Aussagen, welche wir so bilden und erzählen, zwangsläufig oft unwahr.

Also Lügen wir. Die Frage bleibt dann nur, lügen wir vorsätzlich oder unabsichtlich?

Vielleicht ist mir da oft die vorsätzliche Unwahrheit (die Lüge) lieber, weil dann der Aussendende zumindest weiß, dass er nichts weiß und eben nicht im Besitz der Wahrheit ist. Aber trotzdem etwas vernünftig klingendes Erzählen muss, damit das Unternehmen weiter gut verfügt.

Im anderen Fall erzählt er falsche Dinge und glaubt selbst daran.

Beides mag problematisch sein. Mir ist es lieber, wenn ein Unternehmer Dinge erzählt, an die er zwar glaubt, aber auch weiß, dass er sich auf dünnem Eis befindet. Und so ab und zu auch bewusst ein wenig mogelt.

Der Überzeugungstäter, der Dinge erzählt, die die Zukunft angehen und fest davon überzeugt ist, dass er Recht hat, macht mir Angst.

Das Script war sehr lang. So konnte ich im Vortrag nicht alle meine Gedanken vortragen. Das war mir auch schon vorher klar. Allerdings konnte ich den Text im Anhang verlesen und damit doch viel Schmunzeln erzeugen.

Anhang:

Auszug aus dem Vortrag von Thomas Vallon/InterFace AG
Das Unternehmen als Stätte der Entfaltung?
gehalten zum Symposium Mensch&und Management im Frühjahr 2011

Die Marketingrhetorik der Stellenanzeigen verspricht für die Gutqualifizierten und Leistungsbereiten vielmehr vielfältige Chancen der Beteiligung und Entfaltung. Nichts von der Stange, sondern am individuellen Interesse und Bedarf ausgerichtet (verspricht Porsche), ein extrem stimulierendes Betätigungsfeld (bietet McKinsey), einen Ort reich an individuellen Perspektiven für die Besten (stellt Daimler in Aussicht), auf bestem Weg (begleitet einen Siemens) in eine Welt voller Möglichkeiten (die IBM öffnet), Raum für Enthusiasten der Verschiedenheit (den Adidas erschließt) und Erfinder der Zukunft (prognostiziert Fraunhofer), sicher mehr als Arbeit (garantiert Bayer), jedenfalls kaum mit Geld aufzuwiegen (wirft Audi in die Waagschale). Wenn die Max-Planck-Gesellschaft da prosaisch Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum in Aussicht stellt, kann das eigentlich nur dem Understatement von Wissenschaftlern zuzuschreiben sein. Mehr als auf Platz 10 der Liste der beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands, die die Wirtschaftswoche im letzten Jahr aufgestellt hat (und aus deren aktuellen Stellenmärkten diese Blütenlese stammt), haben sie es dabei aber auch nicht gebracht.

In der SZ vom Wochenende davor habe ich im Personalteil dazu gelesen:

Leere Formeln nutzen nichts mehr, die jungen Leute haben die Nasen von solchen Floskeln voll und wollen Fakten haben.

RMD

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2 Antworten

  1. Roland’s analysis reminds me of Socrates.
    When I was young, I admired Socrates‘ analytical discussions, but could not understand why his victims kept agreeing with him, although some steps in the logic were dubious. What we know of Socrates comes almost entirely from Plato, who was clearly dazzled by him, and whose writings have been preserved because of their style, rather than for clever content.
    I decided that Plato had probably remembered Socrates‘ analysis badly because he did not understand well. Later I heard enough about Socrates to stop giving him the benefit of this doubt.
    One problem is that these old Greeks took (individual) words too seriously. Consider the New Testament creation story, „In the beginning was the Word ….“, which came, (much later) from Greek culture. Plato wrote that a chair was a „chair“ because it was like an „ideal“ chair (in heaven). He did not realise that words are just a means of communication, whose use depends on enough people having roughly the same idea what is meant, and that the meaning can change with time, and according to point of view. I suspect these guys were not good at foreign languages. Certainly Socrates was far from being a democrat and would not have liked the idea that a word just means what enough people agree on.

    Roland writes „Das Interesse des Unternehmens geht vor dem der Familie“.
    (This refers to a „good“ family firm that is successful over several generations).
    This is very paradoxical, since it is surely in the best interest of the family for their firm to be successful over several generations. Of course there is also a problem about what should be regarded as success. A firm that is financially successful for generations may be contributing to the downfall of civilisation, or be killing millions with cigarettes..
    Of course what Roland means is that a family firm will not be profitable for generations if the owners dissipate the assets. But this is too obvious, so Roland finds an exaggerated formulation.
    Roland then extends this to „Das Interesse des Unternehmens geht vor dem der Shareholder“.
    This is dubious. Blood is thicker than water. My shirt is closer than my jacket. Kin selection is very well established in evolution theory. Most people are more ready to do things for the benefit of current and future relatives, than for fellow shareholders! I find this family principle, (maybe also nationalism), less firmly anchored in Anglo-Saxon laws and customs than in the German ones, (not to mention the Mafia). Non genetic group selection is now accepted in evolution theory, but is still relatively weak.
    Certainly, some big concerns have their own „house“ banks, which are ready to support them, (rather than plunder them), for decades. The major shareholders, such as pension funds anyway cannot afford to take out their money too quickly, for fear of killing the share price.
    Small shareholders are in a very different situation. They have not the time, expertise or power to do anything significant for the firm. They cash in their shares when it seems clever, or when they need the money, but usually lose out to the professionals. They too should seek to invest long-term in good solid firms, but these are increasingly difficult to recognise.
    Perhaps competition has been over-emphasised in evolutionary theory, but let’s not over-emphasise cooperation.
    Oh, should I have mentioned sooner that firms are like organisms that find various ecological niches and evolve.

    Roland then jumps wildly into a monologue against deceit (lies).
    Of course truth and lies are alternative tactics in the „fight“ for survival, just as are cooperation and competition. For success they should be used selectively. Constant lying soon fails. Remember the boy who cried „wolf“? A poker player who bluffs at every chance will lose even faster than one who never bluffs. Similarly constant deception usually works out badly, despite various historic cases where it has successfully spread evil.
    Hypocrisy, (a form of lie), mostly works well, but fails when it becomes too obvious. Still it is better than outright advocacy of evil doing. I remember a nice girl with whom I was having an affair (before I married). She once said „Chris, I cannot be a hypocrite; I slept with another boy last night“. I said „At least you could try“. I still wonder whether she understood. She looked puzzled, but was perhaps just disappointed by my apparent lack of jealousy.
    Of course it is better not to be regarded as a liar. It is good always to advocate truthfulness. People may think you mean it. It may encourage others to follow the advice. But, as Shakespeare suggested, one who is too strident about this may give the impression that he is hiding something.

    Roland lists some big lies.
    Mostly I agree, but it is very doubtful whether world trade is free enough to regard free trade as the cause of past or current problems.
    Some growth is good and some is bad. Growth in „real“ wages is in itself good. People can use the money to get things they want. But the real costs should be taken into account. Growth „auf Pump“ is a dubious concept (roughly „produced with borrowed money“). One man’s credit is another man’s debit; it doesn’t matter much where the money comes from. It was Roland himself who pointed out to me one of the main evils of such state debt; that a government makes promises (of interest) that can only be met by later taxation, or by cheating in terms of inflation. If there is no cheating, this may be „worse“ since it involves wealth transfer from younger workers to the older people who had money to invest. Of course if the invested money was honestly earned, this may be a decent way to organise pensions.
    That about „service“ is not really wrong. Industrial production may increase efficiency faster than „services“, so requiring relatively less workers. Similarly, 200 years ago most people were occupied with food production. But of course some services have shown enormous increases in productivity too. Through TV, the service of entertaining, for instance by 22 good footballers, can be shown to hundreds of millions of people at once. Entertaining with good music or acting shows similar huge productivity increases. The service society is not a lie, but just an exaggeration.

    Besonders, da innovativ sein heißt, hinter den Horizont zu schauen. Der Horizont ist aber sehr nach (auf der Erde 4,5 km).
    Note the typing mistake „nach“. Assuming the Earth to be a perfect sphere, the distance of the horizon depends on the height of ones eyes above sea level. It may be accurately calculated using the intersecting chord theorem. A good approximation is
    d2 = 2rh
    „d“ is distance, „h“ is height, „r“ is radius of the Earth.
    I reckon that Roland’s 4.5 km is about right for a child with toes in the sea.

    Just one more comment

    Roland writes that ethic is a good guide for management decisions. But the accepted ethic changes, and like everything else it keeps changing faster.
    For instance was it bad that companies supported various nationalistic wars of aggression? Such wars were OK, according to the accepted ethic when the decisions were made. What about the ethic of Islamist extremists? Perhaps Roland means „the right ethic“, (what is currently accepted in Germany).

  2. Der Referent Roland Dürre ist jung, unreif u. leidet an Selbstüberschätzung. Z.B. lässt er Sprüche los wie: `Da man eigentlich nie im Besitze der Wahrheit ist, lügt man fast immer !` Man kann sich nur wundern in welcher Umgebung dieser arme Mensch aufgewachsen ist ?
    Dann will er Rentner zu Fussgängern machen: `kein Recht zum Autofahren, weil Sie nicht mehr arbeiten !`

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