Richter, Schlichter, Schlächter

Die deutsche Sprache ist wunderschön. Vielleicht klingt und singt sie nicht so toll wie manche romanische. Aber die Worte haben eine große Kraft. Und mit kleinen Vorsilben können sie andere Bedeutungsvarianten und großen Nuancen-Reichtum eröffnen.

Da gibt es den Richter. Der übt ein Amt aus, das mit „richten“ zu tun hat. Außerdem kann man scharfrichten, Dinge hin- und herrichten, unterrichten, verrichten, entrichten, zurichten, ausrichten …

Man kann auch vernichten. Hoppla, Fehler. Verzeihung, das hat nichts mit richten zu tun. Wahrscheinlich hat „richten“ aber sprachlich etwas mit Gerechtigkeit zu tun. Oder sollte es zu tun haben.

Aber alles an „xxx-richten“ hat eine gemeinsame dunkle Färbung. Ich mag nicht hin- und hergerichtet und auch nicht gerichtet werden. „Scharfrichten“ an sich klingt böse. In „unterrichten“ steckt das Wort „unter“, man wird eben in oder über etwas „unterrichtet“. Einen Dienst „verrichten“ klingt nach Obrigkeit, wie auch wenn man etwas „entrichten“  muss. Und zugerichtet werde ich auch nicht gerne. Und wenn mir jemand etwas „ausrichtet“, dann gibt es auch begrifflich weniger schroffe Varianten.

Neben den Richter gibt es den Schlichter. Und da geht es ganz schlicht um das „Schlichten“. Jetzt weiß ich nicht, ob „schlicht“ etwas mit „schlichten“ zu tun hat. Aber „schlicht“ finde ich gut und „schlichten“ auch. Und mir fallen auch keine Varianten von „schlichten“ ein. Kein „entschlichten“ oder „verschlichten“ oder „ausschlichten“. Ist irgendwie auch gut so. Einfach nur „schlichten“!

Dann frage ich mich: In welcher Gesellschaft lebe ich lieber? In einer Gesellschaft der Schlichter oder Richter. In der gerichtet wird oder in der geschlichtet wird?

Die Antwort fällt mir ganz einfach …

Jetzt wird mir so mancher entgegnen „Aber das ist doch eine Utopie, eine Gesellschaft der Schlichter an Stelle der Richter!“

Das macht mir aber nichts. Erstens glaube ich, dass zumindest wir in unserem Kulturkreis da auf gutem Wege sind. Zweitens sind Utopien dazu da, eines Tages Realität zu werden. Man denke zum Beispiel, dass Frauen und Männer heute bei uns gesellschaftlich gleich gestellt sind. Wer hätte das vor nur 150 Jahren auch nur annähernd für möglich gehalten.

Und so träume ich von einer gewaltfreien Gesellschaft, in der wir die Zukunft durch co-working, co-operation, co-laboration, co-living , co-creation und co-mmunication auf Augenhöhe gemeinsam gestalten.

Und bis es soweit ist, bin ich froh, wenn mich der Richter vor dem Schlächter schützt.

RMD

3 Antworten

  1. I have just read a very good book by Steven Pinker. He refers to various studies showing that human nature is hardly changing. When police and judiciary cease to function properly, society descends into violent chaos.
    The myth that human nature is determined by society or parents was spread during the 20th century by left and right wing social scientists. Part of this myth was the „noble savage“ concept that refused to see that rape, murder and even cannibalism were common in primitive societies. Marx also thought mankind could become noble under dictatorship of the proletariat.
    Thanks to social evolution, we have democracy with checks and balances between various groups. This system must defend itself, for instance against domination by religion.
    By the way, apart from the spelling, English is better than German, (in my biased opinion).

  2. Hi Chris, ich sehe ein positives Menschenbild. Sogar die Gehirnforschung zeigt uns, dass im sozialen Sinne „gutes“ Handeln belohnt wird.

  3. Yes Roland, we are both right. People behave according to the actions of those around them. But there is considerable character variability. Half of this variability is due to genetics, (which have some random aspects). Most of the rest comes from learning from our peers during childhood. Even with fairly bad character, people may be clever enough to avoid jail.

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