Sind wir noch ganz dicht?

Schwedisches Mehrzweckkampfflugzeug Saab JAS 39 Gripen (schwed. „Greif“)
Schwedisches Mehrzweckkampfflugzeug Saab JAS 39 Gripen (schwed. „Greif“)

Ich mag die Schweizer. Habe ich doch dort viele Freunde und kenne zahlreiche Unternehmen recht gut. Die mich begeistern.

So habe ich den Eindruck, dass da vieles ein wenig innovativer als bei uns ist. Allgemeine Studien geben mir da recht. Und ich glaube, dass die direkte Demokratie eine der Ursachen der Schweizer Erfolgs-Geschichte ist, die ja sogar eine wahnsinnige Überhöhung des Franken aushält. Im übrigen auch dank vieler sehr tüchtiger und wichtiger deutscher „Gastarbeiter“ – auf allen Ebenen. Wie ich sie gerade wieder in Zürich zu Hauf angetroffen habe.

Hier ein Beispiel für ein schönes Ergebnis direkter Demokratie:

Die Schweizer Regierung wollte für ihre Luftwaffe 22 schwedische Gripen (Kampfflieger von Saab) kaufen. Jetzt wundern sich viele Menschen in der ganzen Welt, was ein Land wie die Schweiz mit solchen Fliegern will. Auch ein Ernstfall, bei dem diese sinnvoll eingesetzt werden könnten, ist schwer vorstellbar. Offensichtlich haben die Schweizer Bürger sich das auch gefragt und den Kauf in der Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 53,4 Prozent abgelehnt.

Ein wichtiges Argument der Gripen-Gegner war, dass man mit dem Geld für die Kampfflieger die Schweiz viel effizienter schützen könnte zum Beispiel gegen Angriffe aus dem Internet, auch Cyberspace genannt.

Und was machen die Deutschen bzw. die Bayern im Sommer 2015?

Sie richten den ersten Studiengang überhaupt für militärische Flugzeugführer der Bundeswehr ein. Dieser neue Studiengang Aeronautical Engineering startet zum 01. Oktober 2015 mit zunächst 13 Studenten und künftigen Piloten. Ob da auch Frauen dabei sind, weiß ich nicht.

Der Studiengang vereint ein schwerpunktmäßig ingenieurwissenschaftliches Studium und eine fliegerische Ausbildung zum „Militärischen Flugzeugführer“ – also zum Kampfpiloten. Das ganze passiert in Ottobrunn/Taufkirchen. Da gibt es so eine Art Rüstungs-Industrie-Gebiet. Das ist ein zum Teil verwahrlostes Viertel, in das aber seit einigen Jahren auffällig viel für Infrastruktur investiert wird. So erlebt man dort einen eigenartigen Kontrast von ziemlich verwahrlosten Bürogebäuden und schönen neuen Straßen mit Fahrradwegen, die (beide) niemand so richtig braucht.

Und in diesem Viertel entsteht der Ludwig Bölkow Campus. Er gehört zur Universität der Bundeswehr und ist wohl so eine Art ausgelagerter Lehrbetrieb. Der Studiengang ist als duales Studium angelegt und soll akademische Inhalte und berufs-fachliche Ausbildungsanteile kombinieren. Der Vorstand des Munich Aerospace e.V. Prof. Klaus Drechsler ist sich sicher, dass „der neue und erste Studiengang auf dem Ludwig Bölkow Campus eine enorme Zugkraft für weitere Studiengänge entwickeln wird“.

Am 22. Mai auf dem Ludwig Bölkow Campus in Ottobrunn/Taufkirchen wurde im Beisein des Airbus-Chefs Thomas Enders, des Generaldirektors der Europäischen Weltraumorganisation ESA Jean-Jacques Dordain sowie weiterer Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie, Wissenschaft, Politik und Bundeswehr von der Präsidentin Prof. Merith Niehuss der Hochschule der Startschuss für das Projekt gegeben. Natürlich war bei der feierlichen Veranstaltung die Bayerische Staatsministerin Frau Ilse Aigner dabei, unsere Rekordhalterin bei Grußadressen zu verschiedensten Anlässen und Eröffnungen in Bayern. Wird jetzt aus „Frau Überall“ auch noch „Frau Überschall“? Details sind im Artikel dazu auf der Website der Universität der Bundeswehr nachzulesen.

Dabei gehören doch Studium und Kampfflug zuerst mal zu Bildung und Militär. So müsste doch eigentlich das Verteidigungsministerium (gut – da hat Bayern keines) oder das Kultusministerium da zuständig sein. So sollte man doch denken. Aber wahrscheinlich ist das Staatsministerium für Wirtschaft dabei, weil es in unserem Lande eh alles nur noch um Wirtschaft und Profit geht. Kommuniziert mit der Mogelpackung, dass es ja um „die Arbeitsplätze ginge“.

So dürfte der neue Studiengang – wie auch die Anfang Juni 2015 kommunizierte Entscheidung für das Milliarden teure Raketenabwehrsystem MEADS, das sich die Bundeswehr für die Luftabwehr leistet – nur Teile einer staatlichen und stattlichen Programms zum Zwecke einer gigantischen Wirtschaftsförderung sein. Die von einer mächtigen Lobby erzwungen wird, der man aber gerne folgt, denn sonst könnte nur zu leicht die bundesdeutsche Erfolgs-Blase platzen!

Jetzt noch ein paar Erläuterungen, warum ich das alles nicht verstehe.

  • Leben wir immer noch in einer Welt, in der der tollkühne Kampf einsamer Heroen mit ihren Flugzeugen im Himmel auf Leben und Tod irgendwie nachvollziehbar?
  • Machen bemannte Kampfflieger in einer Epoche, die von Luftabwehrraketen und Drohnen dominiert wird, noch einen militärischen Sinn?
  • Gäbe es nicht so viele Beispiele, in denen wir dringend unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder aufwerten müssten, wie z.B. in der Informatik?

Ich meine, dass es auf diesen Planeten so viele Dinge gibt, in die Geld und Intelligenz zu investieren wichtiger wäre als in einen Studien-Lehrgang für Kampfpiloten. So tun mir solche Nachrichten schon fast körperlich weh.

RMD

P.S.
Das Bild ist aus Wikipedia – hochgeladen vom User:MatthiasKabelEigenes Werk.

Eine Antwort

  1. Die Frau Ilse Aigner macht da schon Sinn, da die Universitaet nicht dem Freistaat untersteht, sondern dem Bund. Somit waere das Bundesministerium der Verteidigung bzw. das Bundesministerium für Bildung und Forschung zustaendig und keinesfalls das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

    Den einzigen „nicht-bund“ Bezug gibt es nur zur bayerischen Wirtschaft und da ist die Frau Aigner zustaendig.

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