Unternehmen in der Größenordnung von 100.000 Mitarbeitern und mehr sind in Deutschland nicht ungewöhnlich: BMW, Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bahn AG, Deutsche Rente, Siemens AG und viele mehr liegen jenseits der 100.000 Mitarbeiter.
Jetzt rechnen wir mal in Sachen Führungsstruktur bei einem klassischen Unternehmen:
Angenommen jedes Team hat 10 Mitarbeiter. Man braucht einen Teamleiter für 10 Menschen. Wenn 100.000 Menschen in der Ebene 0 (E0) beschäftigt sind, dann braucht man 10.000 Führungskräfte in Ebene 1. Die 10.000 Führungskräfte in E1 muss ich auch wieder führen, und brauche dann 1000 Führungskräfte in Ebene 2.
In Ebene 3 sind es noch 100, in E4 10 und dann kommt auf E5 endlich der fiktive Superboss. Mit einer Hierarchie von 5 Führungsebenen kann man theoretisch ein Unternehmen von maximal 111.111 Mitarbeitern bei einer konstanten Teamgrösse von 10 Menschen organisieren.
Auch eine Integration der Teamleiter in die Teams ändert daran nichts und reduziert Hierarchien nur pro Forma.
Überlegen wir weiter ganz theoretisch, dass man 30 Minuten für die Führungsarbeit pro Tag und Mitarbeiter braucht. Das wären 300 Minuten, sprich 5 Stunden am Tag oder 25 Stunden die Woche. Wer soll das schaffen?
Jetzt sind 30 Minuten nicht viel und die bewusste und achtsame Führung von 10 Menschen kaum von einem Menschen zu bewerkstelligen.
Die mentale Führungsgrenze liegt bei der magischen Zahl 7. Mehr geht langfristig nicht.
Von meinem Wehrdienst bei der Luftwaffe kenne ich folgende Hierarchie. Ein Gruppenführer (E1) konnte für bis zu 10 Soldaten verantwortlich sein. Jeder Zug (E2) hatte 3 Gruppen, der Zugführer war also für 3 Gruppenführer. Der Kompaniechef (E3) hatte drei Zugführer, der Bataillonskommandeur (E4) vier Kompaniechefs zu führen. Wie es weiterging weiss ich nicht mehr (Regiment, Division ?). Auch hier wurde die Zahl 7 nicht erreicht.
Nimmt man Führung ernst, dann werden für ein Unternehmen mit 100.000 Mitarbeitern mindestens 6 oder 7 Führungsebenen benötigt, in manchen Organisationseinheiten wahrscheinlich mehr.
Wie sollen dann Hierarchien mit 3 – 4 Ebenen bei mehr als 100.000 Mitarbeitern funktionieren?
Bei den großen Konzernen versucht man, Führung durch unterstützende Mechanismen und Automatismen einzusparen.
Durch formale Mitarbeiterbewertungen, Zielvereinbarungen und funktionales Durchschalten von Unternehmenszielen will man mit einer Führungskraft für im Schnitt 30 Menschen auskommen. Wir erleben, dass das nicht funktioniert.
Ich sehe nur zwei Möglichkeiten: Entweder man setzt auf Führung (und damit auch auf Kontrolle) im Rahmen einer klaren Aufbauorganisation mit ausreichend „Führungsdichte“. Und folgt dabei dem „ethischen Unternehmen“.
Oder man glaubt an die große Veränderung und das Zeitalter des „Unternehmen 2.0“: Dann muss man hierarchische Strukturen konsequent abschaffen. Der Verzicht auf Kontrolle wird das strategische Ziel, denn Kontrolle ist in der neuen Welt die größte Gefahr für den Unternehmenserfolg.
Das Unternehmen 2.0 könnte ein „ethisches Unternehmen“ ergänzen. Aber davon sind nicht nur die großen Unternehmen noch „Lichtjahre“ weit weg.
Umso mehr Spass würde es mir machen, ein „ethisches Unternehmen 2.0“ aufzubauen. Die Zeit könnte bald reif sein.
RMD
P.S.
Die Bilder sind bei einem Spaziergang durch Gythio entstanden.