Ach wie ist es schön, wenn man sie los ist. Die Last des Unternehmens. Die Bürde der Verantwortung. Die Sorge um die Arbeitsplätze. Den dauernden Stress mit der Bürokratie und den gesetzlichen Auflagen. Die Undankbarkeit der Mitarbeiter und vieles mehr.
Ich kenne Menschen, die ihr selbst gegründetes Unternehmen verkauft haben. Sie haben Kasse gemacht und aalen sich in der neu gewonnenen Freiheit. Sie behaupten, dass sie die Nase voll gehabt hätten und richtig froh sind, verkauft zu haben. Dabei sind sie einfach dem Lockruf des Geldes erlegen, haben ihr capital at risc in capital at value (cash) umgewandelt. Jetzt geben sie vor, dass sie glücklich wären, das hinter sich zu haben. Und erzählen das dann auch noch in der Öffentlichkeit.
Ich vermute, weil sie jetzt halt irgendeine Story benötigen, um das alles zu erklären. Ich verstehe das, jeder sucht seine Geschichte um seine Entscheidungen zu begründen. Ich packe meine Entscheidungen auch im Nachhinein gerne in eine schöne Story ein … 😉
Wenn ich solche Töne aber von einem Familienunternehmer in der n-ten Generation höre, werde ich nachdenklich und mir fällt folgende Geschichte ein:
Ich kenne jemand, der hat ganz überraschend ein Häuschen am Rande der Kleinstadt, aus der er kommt, geerbt. Das Haus ist schon ein bisschen älter, aber gut vermietet. Ein Glücksfall? Nein, er leidet so richtig unter dem Erbe. Viele Sorgen plagen ihn jetzt: Kommt die Miete auch jeden Monat? Ist das Dach dicht? Streicht der Mieter die Fenster regelmäßig von innen? Wird der Garten auch angemessen gepflegt? Was ist, wenn der Mieter kündigt? Wird er dann einen neuen Mieter finden …
So kommen mir die Unternehmererben vor. Sie haben alles genossen und gut verdient. Sind mit dem “goldenen Löffel” groß geworden. Dann verkaufen sie (oder müssen verkaufen) und erzählen, wie froh sie wären, die ach so arge Verantwortung für die Arbeitsplätze der Mitarbeiter endlich los geworden zu sein.
Das mit der Verantwortung für die Arbeitsplätze stört mich auch. Der Chef sorgt für die Arbeitsplätze und die Mitarbeiter arbeiten brav, ohne viel nach zu denken.
Ist das nicht typisch Alte Welt?
Mitarbeiter wissen heute sehr wohl, dass sie eine genauso große Verantwortung für ihre Jobs haben wie der Unternehmer und die Führungskräfte. Sie sind keine unfähigen und dummen Wesen, für die der Unternehmer selbstlos sorgt. Oft wissen sie besser als die Vorstände und Geschäftsführer, was getan werden muss, damit das Unternehmen und seine Arbeitsplätze erhalten bleiben. Man muss sie nur mit machen lassen. Und nicht von scheinbar heilen aber vergangenen hierarchischen Unternehmerwelten aus den letzten beiden Jahrhunderten träumen.
Das verstehe ich unter Neuer Welt.
RMD
P.S.
Weitere Beiträge aus meinem Unternehmertagebuch findet man in meiner Drehscheibe!
2 Antworten
Dass die Mitarbeiter Verantwortung tragen, stimmt. Aber weder befreit das den Unternehmer von seiner Verantwortung, noch tragen die Mitarbeiter im gleichen Umfang Verantwortung für ihre Arbeitsplätze. Ihre Verantwortung ist geringer, weil sie weniger Einfluss auf die Anzahl der Arbeitsplätze haben.
Zudem wird Verantwortung auch zugeschrieben, sowohl von Außen, als auch vom Verantwortlichen selber. Und solange sich der verantwortungsbewusste Unternehmer die Verantwortung für die Arbeitsplätze zuschreibt, sie von sich aus übernimmt, wird er diese Last auch tragen (müssen).
Nachtrag: Ich beobachte recht regelmäßig die nexxt-change.de Unternehmensbörse für Hamburg und Schleswig-Holstein, der am häufigsten genannte Grund für Verkäufe ist das Alter. Das könnte aber auch daran liegen, dass dieser Grund am ehesten auf Akzeptanz stößt und am wenigsten Skepsis beim Kaufinteressenten hervorruft.