Unternehmertagebuch – #42 „Die Entscheidungsinsel“

Zurzeit spricht man viel über Entscheidungen. Entscheidungen seien schwierig. Entscheiden müsse man können. Die Aufgabe eines CEO’s wäre es, zu entscheiden. Was wohl besser wäre, mit dem Kopf oder mit dem Bauch zu entscheiden?

Und man spricht von Fehlentscheidungen. Mutige Entscheidungen gelten dann im Rückblick betrachtet als völlig falsch, obwohl sie zeitgenössisch bejubelt worden sind. Obwohl man nicht wissen kann, wie zu welchem Ergebnis die alternative, vermeintlich im Nachhinein richtige Entscheidung geführt hätte.

Man sieht schon, das mit den Entscheidungen ist schwierig. Obwohl alle Menschen Entscheidungen fällen müssen. Bleibe ich bei meinem Partner – oder heirate ich ihn sogar? Will ich Kinder haben? Werde ich noch mal umziehen? Wie bereite ich mich aufs Alter vor?

Aber zurück zum Management:

Früher bin ich der alten Management-Lehre gefolgt, dass man zur Vorbereitung von guten Entscheidungen “Informationen sammeln, und diese bewerten müsse und auf dieser Basis dann vernünftig entscheiden könne“.

Und weil ich gute Entscheidungen treffen wollte, habe ich fleißig und gewissenhaft gesammelt und bewertet. Und je mehr Informationen und Bewertungen ich hatte, desto “klüger” fühlte ich mich – und desto schwieriger fiel mir die Entscheidung. Zu viele Argumente auf viel zu viel verschiedenen Ebenen machten es mir schwer.

An das rationale Entwickeln von Entscheidungen glaube ich nicht mehr. Entscheidungen werden per Definition unter Unsicherheit gefällt. Wenn man Entscheidungen jetzt ganz rational aus einer exzellenten Entscheidungsbasis heraus ableitet, dann bedeutet das nur, dass man das Problem verlagert. Das Szenario der Entscheidungsbasis mag die Entscheidung rational ableitbar und ganz einfach machen. Aber stimmt das zu Grunde liegende Szenario?

Diese vielleicht mit beliebigem Einsatz von Menschen und Wissen gefundene „exzellente“ Entscheidungsbasis beruht doch auch wieder nur auf Annahmen. Zum Teil von sehr kompliziert und theoretisch denkenden Menschen. Und die haben ja auch wieder unter Unsicherheit entschieden, welche Annahmen z.B. für zukünftige Entwicklungen und kausalen Theorien als Basis genutzt werden. Bei schwierigen Themen wie der Zukunft (und darum geht es ja bei Entscheidungen meistens) gibt es keine Wahrheit, nicht im Detail und nicht im Globalen.

Man handelt meistens nur mit Gewissheit, den vermeintlichen Wahrheiten, die vielleicht sehr aufwendig und wissenschaftlich fundiert erarbeitet worden sind, aber letzten Endes immer Muster ohne Wert sind. Und über die Ergebnisse von logisch korrekten Schlüssen, die auf falschen Prämissen aufbauen, kann man nichts aussagen: Sie können richtig und falsch sein.

Es ist, als ob man ein Haus an einem konkreten Ort im tiefen Meer bauen will. Das ist natürlich nicht möglich, das Haus würde davon treiben. Der pfiffige Manager lässt sich dann eine schwimmende Insel bauen, ignoriert oder vergisst das Problem mit der Drift. Und baut dann sein Haus am schönsten Platz der Insel.

Und dann weiß er genau, wo sich das Haus befindet. Wohin die Insel treibt, weiß er nicht.

Insofern glaube ich nicht mehr an Entscheidungen aufgrund von Wissen oder rationalen Konstrukten. Handeln und Entscheiden muss von Werten bestimmt sein und darf nicht auf teuer erarbeiteter und meistens dann erst recht völlig wertloser Gewissheit aufbauen. Vielleicht hilft ab und zu ein wenig „Schwarmintelligenz“ oder „Crowd Sourcing“, oder auch die glückliche Intuition. Aber das ist auch alles.

Und wahrscheinlich ist es besser, sich ein Haus auf dem Meer (Schiff) zu bauen, als sich erst eine künstliche Insel zu schaffen und dann das Haus auf dieser zu errichten. Denn es ist leichter, durch permanentes Beobachten und Agieren ein Schiff auf Kurs zu halten als die große Insel. in deren Mitte man sich ein perfektes Haus gebaut hat. Besonders, wenn man die Ränder der Insel vom Haus aus nicht mehr sehen kann.

RMD

P.S.

„Imagination is more important than knowledge.“ Albert Einstein

Habe ich in Twitter gefunden. Da hat er wohl Recht, der Einstein. Auch bei Entscheidungen.

P.S.1
In meiner privaten Website duerre.de habe ich auch mal das Thema Entscheiden behandelt, dort ein wenig anders.

P.S.2
Alle Artikel meines Unternehmertagebuches findet man in der Drehscheibe!

7 Antworten

  1. Yes Roland, decisions and forecasts are difficult, especially when they concern the future.
    But natural science is a clear guiding light,. (I write „natural“, for German readers who may not realise that „science“ means „Naturwissenschaft“). During the last few hundred years, the scientific culture and method have become established as the way to success. We and our culture are ourselves the result of experiments, (trial and error), in terms of evolution. Of course „success“ is a dubious concept. A collision with an asteroid could wipe out most of life on Earth. A nearby gamma-ray burst would be even more drastic. All of us surely regard a planet with life, (especially intelligent life?), as a success. But that may (surely will?) come to nothing.
    This preamble leads to questions. Roland, at what stage in your successful career did you come to the decision to make decisions intuitively? Have you been deciding that way long enough to get results that confirm the idea? Can you give us some examples of such successful decisions?
    But perhaps I am being naive (again). Perhaps this posting is just intended to confuse competitors? Or perhaps you are getting too old to think through rational decisions, and so you are trying to justify your new flippant management methods?

  2. OK Roland, as you suggested, I had a look at what your other blog says. A pity that I have not found where there to add comments. Dr. Merk has been successful in multiple areas of life, but none of them seemss to me very similar to managing a software company. The most similar is his success in motivating a charitable organisation. Perhaps you should use your new method and old energy in this direction?
    On the other hand, football referee decisions are hardly relevant. The rules of football prohibit thorough collection of information. We often see on TV that this leads to decisions which are objectively wrong. Such a decision can unfairly redistribute a million dollars from one club to another. Perhaps you think this is all part of the attraction of football? According to the rules, the referee has no chance to collect information after the event. If he thinks for a while and makes a slow decision, this is hardly based on more information; it is just different processing of what is there. There is even great danger that he will use inadmissible information. One sees that professional footballers are trained to provide false information. They all try to influence refereeing decisions. They would not be trained to do this if it never worked!
    On the other (i.e. third) hand, referees are intensively trained to collect as much information as the rules allow. Top referees are selected in a processes lasting many years, for their ability to do this.

  3. Zum ersten Kommentar: Eigentlich waren alle intuitiven Entscheidungen gut. Die extrem kopfgesteuerten hätten mich einmal fast ruiniert.
    RMD

  4. „Planung bedeutet, den Zufall durch Irrtum zu ersetzen.“
    Dieser Spruch wird wahlweise Winston Churchill oder Peter Ustinov oder Louis B. Mayer (der von MGM) zugeschrieben. Es ist also noch nicht einmal zu entscheiden, wie Entscheidungen gegen die Entscheidung zu entscheiden sind.

  5. Habe ich gerade in Twitter „retweeted“:

    stefan_hagen Latest: RT @HeikeHolz: Je genauer Du planst, desto härter trifft Dich der Zufall –> #PMOT Retweeted by you about 1 hour ago

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