Weg mit den ollen (nicht tollen) Prozessen!? Unternehmertagebuch#133a

Unbedingt vor der Lektüre mein Unternehmertagebuch #133
KEINE REGELN
lesen! Da erzählt ich vom Netflix-Gründer, der auch keine Regeln mag.

Heute erzähle ich von einer Fahrrad-Werkstatt, die die Annahme von Reparaturen revolutioniert, indem sie die Planung abschafft. Und zieh dann einen Vergleich mit der Organisation eines Manager-Lebens.



Mein Fahrradhändler

Ich habe einen tollen Fahrradhändler. Nicht weit weg von meinem Heim in Neubiberg. Der hat nicht nur eine große und vernünftige Auswahl an Rädern, sondern – für mich noch wichtiger – eine große Reparaturwerkstatt. In dieser werkelt ein tolles junges Team. Das Unternehmen ist sehr erfolgreich. Und hat mich vor kurzem wieder mal positiv überrascht.

Ein normales Anliegen

Ich wollte mein Mountain Bike vor meinem Urlaub im August auf dem Peloponnes zur Durchsicht bringen. Weil es da viele Kilometer machen und dafür gut in Schuss sein soll .

Weil ich weiß, dass diese von mir bevorzugte Werkstatt immer gut ausgebucht ist, wollte ich rechtzeitig einen Termin für mein Rad machen. Denn der Erfolg hat den Nachteil, dass die Warteliste immer länger wird. Mitte Februar gab es noch Termine für Ende März. Wie der Frühling kam, wurde es immer enger. Im März musste man dann schon bis Ende Mai auf seinen Termin warten.

Die Jungs (leider gibt es im Geschäft keine Mädels) wollten dies ihren Kunden nicht mehr zumuten. Zum anderen haben sie gemerkt, dass sie in der Lage wären, jeden Tag deutlich mehr Räder zu reparieren, wenn die Organisation nicht so stark von einem depperten (aber seit 100 Jahren üblichen) Auftragsannahme- und Planungs-Prozess bestimmt wäre.

Die Ursache

Seit Jahrzehnten meldet man sein Rad, Auto, Rasenmäher oder was immer zur Reparatur an. Dann bekommt man einen Termin, an dem man sein kaputtes Teil vorbringen kann. So wie man sich beim Friseur anmeldet. Nur das man beim Friseur noch sagen will, für was man kommen will: Für einen Komplettschnitt mit oder ohne Waschen oder eine Dauerwelle. Und dann bekommt man einen Termin. Man muss aber trotzdem oft warten. Weil auch das oft nicht mehr funktioniert.

Beim Fahrrad ist es komplizierter. Da müsste man das Fahrrad bei Anmeldung komplett beschreiben. Und zusätzlich präzise formulieren, was denn genau defekt ist. Das ist aber gar nicht so einfach.

Wie soll das Reparaturteam planen?

Soll er die anstehenden Reparaturen vorsichtig oder optimistisch planen?

Plant er vorsichtig und großzügig, geht ihm an guten Tagen die Arbeit aus. Denkt man in Kaizen, ist das gut. Aber es ist leider nicht effizient, wenn sich die halbe Belegschaft dann ab Nachmittags langweilt, weil keine Räder zum Reparieren da sind. Weil es gut lief oder man bei den meisten Räder am gleichen Tag nichts machen konnte – da ein Ersatzteil oder der Spezialist gefehlt hat.

Plant er zu optimistisch, müssen seine Jungs Überstunden machen und die Qualität leidet. Oft entdeckt man bei der Reparatur, dass man Ersatzteile braucht, die nicht sofort geliefert werden können. Dann wir „load“ noch größer. Der Stress wird größer, das empfiehlt sich nach Kaizen-Erfahrungen nicht.

Bei Fahrrädern ist es wie im richtigen Leben, sie werden immer komplexer und vielfältiger. Es gibt Spezialtechnologien, die nicht jeder beherrscht. Elektronik nimmt wie die dazu gehörigen Analyse-Programme zu. Mitarbeiter arbeiten nicht mehr unbedingt immer 5 Tage die Woche durch und sind so nicht permanent verfügbar.

Spezialthemen

Nehmen wir mal an, wir haben  ein Fahrrad, bei dem die Rohloff-Nabe ein Problem hat. Wenn ich das für Dienstag in zwei Wochen annehme, muss ich sicher stellen, dass dann der Rohloff-Spezialist im Hause ist. Das kann ich aber nicht immer garantieren. Und wenn die Nabe ein Ersatzteil braucht, muss es erst besorgt werden.

Die Lösung

Die Jungs in der Werkstätte haben mich überrascht. Sie machen keine Reservierungen mehr. Weil das stark unteroptimal ist. Die Planung funktioniert nicht. Eine bessere Planung (die wahrscheinlich auch nicht funktionieren würde) wäre sehr aufwändig.

 

Also – weg mit der Planung! Die Manufaktur plant nicht mehr. Sie schafft die Terminreservierung einfach ab. Solange noch Platz in der Pipeline und im Schuppen ist, wird das Rad angenommen und dann sobald wie möglich und wenn die Umstände  es erlauben (Arbeitsbühne frei, Ersatzteile vorhanden, Spezialist anwesend, Werkzeug verfügbar, Zeitslot passend …) wird repariert. Das scheint einfach. Und so steigt auch der Durchsatz (und Umsatz) und die Räder werden früher fertig.

Also: Der Kunde gibt sein Rad ab – und bekommt Bescheid, wenn es voraussichtlich wieder heil ist. Das Rad wird vorbeigebracht, die Werkstatt schaut es sich an und   ermittelt präzise den Schaden und es wird in die Reparatur-Pipeline eingehängt. Und wenn alles passt, wird repariert!

Notwendige Maßnahmen wie Ersatzteilbestellungen werden angestoßen, wichtige technische Infos eingeholt, geprüft wann der richtige Mitarbeiter im Hause und die passende Bühne frei ist. Das Rad  kommt dran, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind: Alle Ersatzteile sind da, der Spezialist ist im Hause, die richtige Bühne frei und das nötige Werkzeug verfügbar ist. Der Kunde wird rechtzeitig informiert, was alles gemacht werden muss. Und wann sein Rad an der Reihe ist. Und die Reparatur wird nicht mehr von disruptiven Ereignissen gestört.

In vielen Unternehmen braucht es eine neue Organisation, die „flüssiger“ ist als die alte starre, bei der zwangsläufig permanent Schwierigkeiten auftreten müssen. Nur so können sie besser werden.

Digitalisierung falsch verstanden

Diese neue Lösung kann durch Digitalisierung unterstützt werden. Das ist aber eine ganz andere Digitalisierung, als die Implementierung (Zementierung) eines klassischen Prozesses wie eines Reparatur-Annahme und -Planungssystems.  Richtige Digitalisierung muss helfen, die Frage zu beantworten, welches Fahrrad man am effektivsten als nächste repariert unterstützen, und die mit einer sich dynamisch ändernden Welt leben können.

Ich höre schon die Einwände

Jetzt muss ich aber damit rechnen, dass ich mein Fahrrad erst nach einer Woche zurück krieg! Das geht doch gar nicht!

Stimmt. Das heißt auch der Kunde muss mit denken. Vielleicht hat er ja zwei Fahrräder oder leiht sich eins aus. Und es gibt doch immer wieder Zeiten, wo man sein Rad nicht braucht, weil man irgendwo am Strand liegt oder so.

Und 100 % gibt es nie. Aber es ist doch viel besser, eine Woche auf das Rad zu warten als wenn ich schon Monate auf die Abgabe des kaputten Rades warten muss und dann höre, dass ich noch mal eine Woche warten muss, bis die Teile kommen, die erst bestellt werden müssen.

(Ver-)Planung funktioniert schon beim Fahrrad nicht mehr!

Wir haben gesehen, dass selbst bei einem immer noch relativen simplen Thema wie dem Fahrrad eine Planung – wie sie seit Hundert Jahren praktiziert wird – nur noch sehr unteroptimal funktioniert. Ich meine, dass es eine Parallele zur Führungskraft (Unternehmer, Manager …) gibt. Nur meine ich, dass die Aufgaben eines Gründers oder Vorstandes noch ein wenig komplexer sind als die einer Fahrradwerkstatt.

Digitalisierung

Ich wiederhole noch mal:


Die Digitalisierung muss generell den agilen Prozess der Wertschöpfung (im Beispiel die Abarbeitung von Reparaturen) dynamisch optimieren. Dynamisch will sagen, sich schnell an die laufenden Veränderung im Markt und bei der Technik anpassen. Sie muss also einfach und schnell gepflegt und weiterentwickelt werden können.

Falsch wäre es, das alten Verfahren implementieren (in unserem Fall ein klassisches Auftrags-Annahme-System auf digital umzustellen). Dann macht man es besser weiter auf Papier. Es geht um die Frage, wann man welche Reparaturen am besten macht, um die Ressourcen optimal zu nutzen und so auch zu schonen! Und wie man das Kundeninteresse ernst nimmt und befriedigt.
Und nicht um die dümmliche Verwaltung von Zeit.


 

Kommunikation im Unternehmen?

Verlassen wir das Fahrradgeschäft. Zweifelsfrei ist die Kommunikation im Unternehmen sehr wichtig. Aber müssen es immer Meetings sein? Müssen die immer auf Wochen im voraus geplant werden? Sollte auch hier ein wenig mehr „bei Bedarf“ praktiziert werden. So „wie es sich ergibt“ und „wann es Sinn macht“. Muss man immer alle Eventualitäten im voraus planen wollen. Können wir die unterschiedliche Varianten komplett vor denken,  oder sollte man erst dann entscheiden, wenn entschieden werden muss?

Und ist die Führung eines Unternehmens nicht auch ganz besonders für die Kommunikations-Kultur verantwortlich?

Was machen Manager (Führungskräfte) falsch?

Als erstes: Sie verplanen ihren Kalender. Solange dort noch eine Zeitscheibe frei ist, wird diese gedankenlos/gnadenlos mit Terminen zugeknallt. Und wenn der Tag voll ist, wird halt noch die Nacht dazu genommen. Ich habe oft festgestellt, dass der nächste freie Termin meiner Gesprächspartner erst in mehreren Wochen war und die Zeit immer länger wurde.

Der Manager macht mit seiner Zeit einen ähnlichen Fehler wie die Fahrradwerkstatt. Er legt die Termine nach dem einzigen Kriterium der eigenen Verfügbarkeit fest. Zu prüfen, ob die Terminierung sinnvoll ist, ist kaum möglich. In der „guten alten Zeit“ hat ja die Termine noch die Assistentin und Sekretärin gemacht. Die hatte oft mehr Ahnung als der Chef und hat den Kontext zum Meeting noch ein wenig berücksichtigt.

Das ist vorbei. Heute machen die Chefs ihre Termine oft selber. Ab und zu unterstützt von einem gar nicht so intelligenten KI-Assistenten. Und für Manager ist das Termine machen eine lästige und störende Pflicht. Die Optimierung der Zeit ist schon schwer genug, da bleibt keine Zeit für Überlegungen zum Kontext. Und das fällt besonders auf, seitdem die Zeitraumschwelle dank Video-Konferenzen entschärft ist. So wurde viel  Reisezeit eingespart … und blitzschnell für weitere Meetings eingesetzt. Weil es ja jetzt so einfach ist, sich kurz mal in Argentinien, Stuttgart oder Wien zu treffen. Und das machen wir jetzt im Affentempo rund um die Uhr!

Kluge Gründer machen das anders!

Sie schützen ihre Zeit und lassen mindestens die Hälfte ihres Kalenders frei. Sie wollen immer für Kunden und Mitarbeiter kurzfristig (sofort) Zeit haben. Und zum Lernen und kreativen Denken brauchen sie auch noch Zeit. Wie auch für sich selber und Familie.

Von wichtigen und dringenden Dingen

Ich kenne ein paar Chefs, die stellen dem Bewerber gerne folgende Frage:
„Nehmen wir an, dass Sie zwei Aufgaben – eine wichtige und eine dringende – haben. Mit welcher starten Sie?“
Der Kandidat muss aufpassen, dass er dann nicht reinfällt und antwortet:
„Mit der dringenden“. Er bekommt dann zu hören, dass „eine Aufgabe nur dringend sein kann, wenn sie wichtig ist“. Und genau dies hätte er erkennen und entsprechend antworten müssen.
Persönliche Anmerkung: Ich finde das ganz nett, aber nicht zielführend.

Die elementarsten Dinge werden nicht bedacht

Manager wissen oft gar nicht, um was es in dem Termin gehen soll. So passiert es, dass manche Probleme, wegen denen Termine gemacht wurden, sich im guten Falle schon erledigt haben oder sich die Ausgangslage sich massiv verändert hat. Der Termin wird so sinnlos, dann aber nicht abgesagt, denn das Bekommen war schwierig – und dann macht man ihn auch.

Oft braucht die Vorbereitung für den Termin viel Zeit. Die hat man aber nicht, weil sie nicht eingeplant wurde. Das dürfte der Grund sein, warum viele Menschen immer sehr unvorbereitet zum Termin kommen.

Dei Zulieferung treffen auch nicht rechtzeitig ein, wie man oft in so einem Termin dann auch bemerkt, dass sich keiner richtig auskennt. Und man die Zeit damit verschwendet, was man eigentlich alles wissen müsste, um halbwegs vernünftig entscheiden zu können. Was dann zwangsläufig zu vielen Aktionen und neuen Terminen führt.

Ein verplanter Manager hat keine Zeit mehr für die wichtigen Dinge.

Meistens ist sein Kalender übervoll. Für Kunden und Mitarbeiter ist er so nicht erreichbar. Die werden dann reingeschoben und von unterwegs (Fahrrad, Auto, Zug, Flughafen).
Meine Erfahrung: Bei der InterFace wurde schnell und effizient entwickelt. Immer im steten Kundenkontakt. So gab es jeden Tag unerwartete Wendungen, auf die schnell reagiert werden musste, wie überraschende Fehler, ausgefallene Mitarbeiter, Engpässe bei den Ressourcen  … Wir waren erfolgreich, weil wir das agil und gut handhabten. Wir brauchten ein permanentes, gutes und reaktionsschnelles Krisenmanagement. Feuer muss man löschen, solange sie klein sind. Wenn der Wald brennt, dann ist es zu spät und wird schwierig.
Jetzt könnte man sagen:
„Ihr müsst doch nur so gut Planen und die richtigen Vorkehrungen treffen, dass es keine Feuer mehr gibt.
Nach meiner Erfahrung ist das eine Utopie. Gerade in einem jungen und innovativen Unternehmen, dass sich stark entwickelt (wächst), wird es immer irgendwo brennen. Alles andere ist eine Illusion.

So ist es notwendig, dass mindestens die Hälfte der Arbeitszeit von Menschen, die eine wichtige Rolle haben, sollte nicht nicht verplant ist. Nur so kann er sich um die täglich anfallende Dinge kümmern, die wichtig sind. Nur so hat er eine Reserve für disruptive Ereignisse. Und nur so kann er helfen, die Feuer immer schnell zu löschen.

RMD

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