Wenn ich nur die 31 Jahre meines Lebens bei der InterFace AG reflektiere – was hat sich da doch alles verändert! Auf allen Ebenen und in allen Dimensionen. Betrachte ich die Gesellschaft und die Technologie, oder die Art und Weise wie heute mit Wissen umgegangen wird, dann ist das schon mehr als erstaunlich.
Ganz neue Fächer sind wichtig geworden und haben enorme Fortschritte gemacht – und wie ich meine, die Welt verändert. Dazu gehören neben der Technologie auch Wissenschaften wie die Psychologie, die Gehirnforschung, Behavior Science aber auch die Spieltheorie wie die gute alte Philosophie. Ganz zu schweigen wie sich Werte und Moral, ja die Einstellung im Leben der Einzelnen wie auch in der Gesellschaft und im Kollektiv gewandelt haben.
Diese Entwicklungen haben sich gegenseitig verstärkt und in einem Tempo beschleunigt, das ich nicht mehr als linear sondern eher als „geometrisch bis exponentiell“ wahrgenommen habe und wahrnehme.
Insofern gefällt mir folgendes Modell recht gut, das ich vor kurzem entdeckt habe. Es geht um die Begriffe wissend und unwissend sowie fähig und unfähig.
Diese vier Eigenschaften kann man einer Matrix bestehend aus vier Quadranten zuordnen. Die obere Zeile der Matrix ist die der „Unfähigkeit“, die untere Zeile die der „Fähigkeit“. Die rechte Spalte ist die des „wissend“, die linke Spalte des „unwissend“.
Der Quadrant oben rechts steht so für „wissend unfähig“.
Im Beispiel des Lebens eines Autofahrer heißt das, dass ein Jugendlicher weiß, dass er unfähig ist, ein Auto zu fahren. Der Jugendliche ist also „wissend unfähig“.
Der Quadrant rechts unten steht für „wissend fähig“.
In unserem Beispiel wird der Jugendliche zum jungen Mann macht seinen Führerschein. Jetzt weiß er, dass er fähig ist, ein Auto zu fahren. Und fährt Auto. Der junge Mann ist also „wissend fähig“.
Der Quadrant links unten steht für „unwissend fähig“.
Der älter werdende Mensch fährt viel Auto. Er wird sehr geübt und ist so fähig ein Auto zu fahren, er weiß es aber nicht mehr bewusst. Er ist also des Auto fahrend „unwissend fähig“.
Der Quadrant oben links steht für „unwissend unfähig“.
Wie die Geschichte im letzten Quadrant oben links weiter geht, erahnen wir schon. Der Mann ist zum Greis geworden. Er sollte nicht mehr Autofahren, weil er es nicht mehr kann. Er weiß dies aber nicht. Er fährt also „unwissend unfähig“ weiter.
Das ist doch ein nettes Beispiel. Es hat aber einen Nachteil: Es suggeriert, dass es der Mensch ist, der sich aufgrund seiner altersbedingten Veränderung vom Zustand des „wissend unfähig“ über „wissend fähig“ und „unwissend fähig“ in den Zustand „unwissend unfähig“ wechselt.
Oft ist es die Welt oder Umwelt, dies sich schnell verändert. Beim Eintritt in ein neues soziales System bemerkt man sofort, dass man sich die Fähigkeit des „Teilnehmen können“ erst erarbeiten muss. Das neue System wird erlernt und dann ist man dabei. Nur kann man aufgrund der hohen Veränderungsgeschwindigkeit plötzlich sogar nach einer Phase des „unwissend fähig“ schnell in den rätselhaften Zustand des „unwissend unfähig“ kommen. Weil die Regeln und das Funktionieren des Systems sich so schnell wesentlich verändert haben, dass man es gar nicht bemerkt hat. Und steht dann dumm da und versteht die Welt nicht mehr – in der man vor kurzem noch so gut mithalten konnte.
Ja, ab und zu geht es auch mir wie in einem Kettenkarussell, das immer schneller läuft und mich schwindelig macht.
RMD
P.S.
Das Bild heißt „Wellenflug auf dem Roonkarker Mart“. Ich habe es in Wikipedia beim Karussell-Artikel gefunden, es ist ein eigenes Werk von Wilfried Wittkowsky.