Wenn Rosser Reeves, als er 1940 den USP erfand, geahnt hätte, dass Roland ihn heute noch so verehrt, er hätte ihn adoptiert. Der USP, der das Einzigartige eines Menschen, eines Produktes, eines Services betont, basiert auf einer Genie-Metapher. So wie in den Zeiten vor und nach dem zweiten Weltkrieg in der Markenwerbung angestrebt und in der deutschen Romantik von Dichtern und Denkern.
Mit dem USP ging es schon in den 60ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu Ende, als klar war, dass der frisch aufgeblühte Kapitalismus zwar für jede Menge Kapital, aber leider nicht für dasselbe Maß an Ideen sorgt. Es gab immer mehr gleichartige Produkte – im schönsten Marketingdeutsch als Me-Too-Produkte bezeichnet. Die alten Genies wie Coca Cola gab es natürlich noch, aber der Nachwuchs klemmte. Pepsi hatte definitiv nichts zu bieten, was nicht auch Coca Cola schon längst hatte. Aber vielleicht – dachte Pepsi – könnte man Coca Cola anschießen und schwächen.
Das tat Pepsi und sorgte für den flächendeckenden Durchbruch einer Nachfolgetechnik für den USP: die Positionierung. Die hatte keine Genie-Metapher mehr, sondern eine Kriegs-Metapher. Das Schlüsselbuch für diese Bewegung hieß folgerichtig „Positioning – The Battle For Your Mind“ und es ging nicht um mehr oder weniger handfeste Einzigartigkeiten, sondern um den Kampf der Wahrnehmung durch die Käufer. Pepsi wählte dazu den Slogan „The Choice of a New Generation“ und versuchte Coca Cola mit allen Mitteln (vor allem mit vergleichender Werbung, die damals schon in den USA erlaubt war) „alt“ aussehen zu lassen.
In der Pepsi-Werbung tranken die jungen, hippen Pepsi, die alten, verschnarchten Coca Cola. Da die Werbung von Pepsi ausgesprochen clever und keineswegs so plump gemacht war, wie sich das jetzt anhört, funktionierte das – Pepsi hat Coke einige Zeit als Marktführer in den USA abgelöst. Aber nur dort, denn der Marketingaufwand für eine derartige Positionierung war für die ganze Welt einfach zu hoch. Auch war Coke keineswegs so geschwächt, wie Pepsi sich das gewünscht hätte. Die Käufer schlossen aus dem Pepsi-Vorgehen, dass Coke schon eine sehr starke Nummer sein muss, wenn sie solche Reaktionen provoziert.
Die Technik der Positionierung ist heute noch die angesagte. Dabei gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten Leader, Follower (die all das ausnutzen, was der Leader nicht besetzen kann, meist eine kleine Spezialität, eine Nische), Anti-Leader. Leader, die den generischen Nutzen des Marktes begründen, weil sie ihn erfunden haben, wie Coke, Tempo oder heute als einziger neuer Leader Google, werden immer seltener, die Zusatznutzen zum Grundnutzen per Marketing durchzubringen (wie es die Follower machen) wird immer schwieriger und teurer, zu einer Anti-Leader-Strategie fehlt hierzulande ein Schuß amerikanischer Kampfgeist.
So bleibt vielen der Preis, nicht als strategische, sondern taktische Positionierung – meist als Last-Exit-Strategie. Das ist die eine Seite der Aushöhlung der Marken, die andere ist das Internet und Google. Google kommodifiziert die Marken, das heißt, sie werden durch die Reduzierung auf die Suchwörtersuche ent-brandet. Generell eignet sich das Internet nicht fürs „Branding“, sondern nur für Transaktions-Werbung.
Was bleibt Dir dann Roland? Eine neue Metapher, die Theater-Metapher. Das Unternehmen als spannender Charakter, so wie er in Theater-und Filmdrehbüchern beschrieben ist. Nicht wie in TV-Spöttchen, als glatte, austauschbare Grinsemännchen, sondern mit allen Ecken und Kanten, so wie wir spannende Charakter lieben (oder auch hassen).
Verbunden mit einem konkreten Nutzen, einem konkreten Angebot. Übertragen auf Deinen Auftaktpost zum USP wäre das für Coca Cola: die faszinierende Mischung aus Imperator und Heilsbringer. Oder anders gesagt, der markenmythologische Ausdruck des American Way of Life. Du hast geschrieben, dass Du Dich schon auf den seriösen Teil Deines Unternehmer-Tagebuchs freust. Der andere Teil wird Dich immer wieder einholen. Das liegt daran, dass Charaktere nie eindimensional sind.
SIX
Sorry Roland, aber das wäre für einen Kommentar zu lange gewesen.
3 Antworten
Lieber Detlev,
danke für die kompetente Ergänzung eines Experten! Habe mich sehr gefreut.
Allerdings hast Du mir die Pointe weggenommen. Ich versuche mein Unternehmertagebuch pädagogisch aufzubauen und wollte im übernächsten Beitrag den Nimbus des USP entlarven. An diesem Konzept halte ich trotz Deines Beitrages fest – allerdings wird das Resumée zum USP jetzt kürzer ausfallen (und ich werde auf Dich referenzieren), da Du jetzt vieles schon gesagt hast 🙂
Was Du aber vielleicht nicht weißt, dass der USP auch im 21. Jahrhundert noch sehr, sehr lebendig ist. Und den potentiellen Jungunternehmern in den einschlägigen Seminaren als notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensgründung eingebläut wird, genauso wie elevator speech, business plan etc.!?
Eine Bitte: Schreibst Du auch noch etwas zu „Elevator Speech“? Fände ich spannend, käme bei mir nach USP. Und dann immer seriöser 🙂 !
Noch ein Danke Schön im Voraus! Roland
Tut mir leid Roland, dass ich Dir die Pointe versaut habe, ich dachte, Du bist mit dem USP durch.
Im Gegenteil – ich finde Deinen Beitrag eine höchst willkommene Ergänzung! Roland