Die Angst hat eine steile Karriere hinter sich.
Mit dem bisherigen Höhepunkt der „dschörmän ängst“.
Angefangen hat die Angst als Furcht und bezeichnete
das lebensbedrohende Gefühl, das unserere Vorfahren
im Angesicht eines Säbelzahntigers hatten.
Angst war über eine lange Zeit immer mit einem konkreten,
direkten Bedrohungsobjekt verbunden.
Und heute?
Die Arbeiter auf der Bohrinsel im Golf von Mexiko haben diese konkrete
Bedrohung auch. Für die Bewohner an den umliegenden Meeresrändern ist
sie schon weniger konkret. Da geht es nicht mehr direkt um Tod oder
Leben, sondern höchstens langfristig. Aber warum ängstigen sich
beispielsweise die Bewohner von München – Neuperlach? Weil dort das Öl
über die Gartenteiche schwappt?
Die Bewohner von Neuperlach stellen sich vor, dass alle Tiefseebohrstellen
explodieren, die Meere verseuchen, die Fische vergiften, die Nahrung knapp
wird, sie verhungern.
Das heißt, aus einem Ereignis wird eine Vorstellung. Geschürt und verstärkt
durch eine große Zahl von Medien. Zum Beispiel auch durch den IF-Blog.
Dazu kommen noch andere Medien, wie Wissenschaftler, NGOs, politische,
wirtschaftliche Interessensträger, die alle an der großen Vorstellung der
Auswirkung eines eigentlich kleinen Ereignisses arbeiten. Am erfolgreichsten
fahren sie dabei mit einer alten Regel: Nur schlechte Nachrichten sind gute
Nachrichten.
Der größte Teil der Angst ist ein medial verstärktes Gefühl der Furcht.
Kommen wir zurück zu unserem Vorfahren. Es steht zu befürchten, dass
einige tausend Kilometer von ihm entfernt, ganze Horden stillschweigend
im Eis verschwanden. Keine Tagesschau und kein IF-Blog haben ihm davon
berichtet. Kein Wissenschaftler hat seine Karriere darauf aufgebaut. Kein
Politiker wollte sein Budget damit erhöhen.
Angst ist ein diffuses Gefühl, das von der undurchschaubaren Komplexität
der Welt genährt und durch immer bessere Technik vermehrt wird.
Weil aber in vielen Weltgegenden die Furcht vor dem Verlust des Lebens,
der Lebensexistenz immer noch sehr real ist, sollten wir unsere Ängste hier,
bei aller Möglichkeit des Wahrwerdens des vorhergesagten Ergebnisses
immer auch als Produkt der Langeweile betrachten.
Oder wie es Arthur Schopenhauer so schön sagte:
Es gibt nur zwei Zeiten.
Die Zeiten der Not und die Zeiten der Langeweile.
Ist es nicht schön, dass wir in Zeiten der Langeweile leben dürfen?
SIX
5 Antworten
Hi Detlev – du hast mir erklärt, warum ich mich so angstfrei und relaxed fühle!
Ich will das jetzt nicht langatmig entwickeln aber Angst und ihre Wurzeln, Furcht, Besorgnis usw leisten ja letztlich einen Beitrag zur Art-Erhaltung, damit wird Langweile überlebenswichtig…
Frohe Pfingsten an alle
That’s right man. Die besten unserer Vorfahren haben sich erst gar nicht auf eine Begegnung mit dem Säbelzahntiger eingelassen – und das war ja dann auch schon eine projezierte Furcht, denn sie standen dem Bedrohungsobjekt bereits nicht mehr direkt gegenüber. Daher der neckische Spruch, dass wir alle die Nachfahren von Angsthasen sind. Mir geht es nur um das exzessive Angstkino, das anderen Interessen dient und uns krank macht.
Top marks for making me think. Since retirement, I have too much spare time. There are plenty of things I could do, but I am too old for most of the things I would like to do. (I could still work almost as well as I used to, but nobody will employ me). So I spend time blogging, and thinking about all that is going wrong in the world. But this does not really worry me. I only worry about things I should do. Only my wife tells me these days what I should do, and I have got used to that. So I am a counter-example; I am fairly bored, but do not worry. I think worrying comes largely from childhood, genes and upbringing. Roland lack of worry results in constant activity. My lack of worry results in much watching television.
But I know an exception to this too. An old work-mate of mine has recently developed intense unexplained worry-symptoms.
Vielen Dank für diese „gscheide“ Beschreibung eines Zeitphänomens. Angst oder Langeweile wie Skylla & Karyptis keine echten Optionen?
Angst entsteht, weil wir aus dem Gestern ein Morgen denken. Würden wir im Hier und Jetzt leben wären wir nicht nur absolut angstfrei, sondern auch offen für Intuition, Freude und Wohlsein. Und jetzt ist auf keinen Fall langweilig. Langweile empfindet man nur durch das Konzentrieren auf eine Zukunft.